4.2.2.1 Ein überregulierter
Arbeitsmarkt?
Eine auch
international weit verbreitete wissenschaftliche Position sieht die
Hauptursache der ungünstigen Beschäftigungsentwicklung
hierzulande in den „Rigiditäten“ des
Arbeitsmarktes (vgl. z.B. Siebert 1997, Berthold 2002).
Seit Jahren schließt sich auch der
Sachverständigenrat zur Begutachtung der
gesamtwirtschaftlichen Entwicklung tendenziell dieser Diagnose an
(vgl. Jahresgutachten 2001/ 2002, Ziffer 319). Es wird also
vermutet, dass die Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarktes,
Angebot und Nachfrage zur Deckung zu bringen, durch institutionelle
Regelungen beeinträchtigt sei. Ohne diese
Beeinträchtigung würden die Löhne – unter
Einbeziehung aller anderen Arbeitskosten und
selbstverständlich regional, branchen- und berufs
spezifisch – so weit nach oben und unten differieren, dass
Arbeitslosigkeit bis auf eine unvermeidbare Übergangs- oder
Sucharbeitslosigkeit verschwinden würde.
Solche
Störungen des Marktmechanismus werden z.B. in der Festlegung
der Löhne durch Kollektivverträge gesehen, sowie in der
zu geringen Lohnspreizung, in Kündigungsschutzbestimmungen, in
der begrenzten Möglichkeit, Arbeitsverträge zu befristen,
sowie in unflexiblen Arbeitszeitregelungen. Auch in zu hohen
Geldleistungen bei Arbeitslosigkeit, welche die Motivation von
Arbeitslosen beeinträchtigen, eine neue Arbeit anzunehmen,
sieht man eine solche Rigidität, ebenso in der
herkömmlichen aktiven Arbeitsmarktpolitik und in den
Mitspracherechten von Betriebsräten. In der Summe, so die
These, hätten diese Regulationen, zusammen mit der hohen
Abgabenbelastung der Unternehmen und der Arbeitnehmer, zu
wesentlichen Teilen die hohe strukturelle Arbeitslosigkeit
verursacht. Demgegenüber seien die Arbeitsmarkterfolge in den
USA und in Großbritannien nicht zuletzt daraus zu
erklären, dass dort solche Rigiditäten abgebaut worden
seien.
Quantifizierbare
empirische Tests für diese Rigiditätstheorie der
Beschäftigung fehlen allerdings in der Regel. Eine Studie, die
in einem internationalen Vergleich genau diesen Zusammenhang
untersucht, kommt vielmehr zu dem Ergebnis, dass mit
Arbeitsmarktrigiditäten weder die Entwicklung der
Arbeitslosigkeit in der Zeit noch Unterschiede der Arbeitslosigkeit
zwischen Ländern erklärt werden können (Nickell
1997, OECD 1999b: 49-90).
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