*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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4.3.3       Wandel der Erwerbsformen

Erwerbstätige sind nach der Definition des Statistischen Bundesamtes Selbstständige, abhängig Beschäftigte und freiwillig mithelfende Familienangehörige. Die Erwerbs­ tätigenzahl nahm in Westdeutschland zwischen 1960 und 1989 weder kontinuierlich zu, noch ab. Sie schwankte vielmehr zwischen 26 und 27,7 Millionen.

Der positive Nachfrageeffekt nach der Wiedervereinigung sorgte 1990 und 1991 in Westdeutschland für einen deutlichen Anstieg der Erwerbstätigenzahlen (+5,5 Prozent). In den neuen Ländern verringerte sich die Zahl der Erwerbstätigen in diesen beiden Jahren um ein Viertel. Für Gesamtdeutschland nahm die Zahl der Erwerbstätigen zwischen 1991 und 1998 nach der ursprünglichen Berechnungsmethode in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) um 2,5 Millionen ab (–7,4 Prozent). Im Jahr 1999 und 2000 wurde die Ermittlung der Erwerbs­tätigenzahl in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrech­ nung einer Revision unterzogen, um die Anzahl der geringfügig Beschäftigten besser erfassen zu können. Unter Berücksichtigung dieser Revisionen nahm die Zahl der Erwerbstätigen ab 1991 zunächst ab, stagnierte dann und stieg ab 1998 wieder an, so dass sie im Jahresvergleich zwischen 1991 und 2001 nahezu unverändert blieb (+0,8 Prozent) (s. Abbildung 4-13).

Ein höherer Anteil geringfügig Beschäftigter bei annähernd gleichbleibender Erwerbstätigenzahl deutet darauf hin, dass sich in diesem Zeitraum das Arbeitsvolumen – Summe der jährlich geleisteten Arbeitsstunden aller Erwerbstätigen – verringert haben muss. Tatsächlich nahm es in Deutschland zwischen 1991 und 2001 um fünf Prozent ab, womit der Trend eines leicht sinkenden Arbeitsvolumens seit den 60er Jahren fortgesetzt wurde (zwischen 1960 und 1990 verringerte es sich um 18,6 Prozent).17 Dieser Trend ist nicht auf eine rückläufige Erwerbstätigenzahl zurückzuführen, sondern auf eine Abnahme der durchschnittlich geleisteten Arbeitszeit je Erwerbstätigen.

Die Abnahme der durchschnittlichen Jahresarbeitszeit je Erwerbstätigen ist, soweit sie nicht auf eine tarifliche Kürzung der Wochenarbeitszeit und die Abnahme von Überstunden zurückzuführen ist, als ein statistischer Hinweis für die zunehmende Bedeutung von Beschäftigungsverhältnissen außerhalb der „Normalarbeit“18 anzusehen:

a)  Entwicklung der „Normalarbeitsverhältnisse“: Nach der Europäischen Arbeitskräfteerhebung von Eurostat verringerte sich die Anzahl der „Normalarbeitsverhältnisse“ im gesamten Bundesgebiet zwischen 1991 und 2000 von 25,5 auf 22,3 Millionen (–12,5 Prozent).

b)  Entwicklung der Teilzeitarbeit: Die Erwerbstätigen, die sich in der Befragung durch den Mikrozensus von Eurostat als teilzeitbeschäftigt bezeichneten, stieg von 5,2 (1991) auf 7,1 Millionen (2000). Das entspricht einer Zunahme von 36,5 Prozent.

c)  Entwicklung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse: Die zunehmende Zahl der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse wurde bereits im Zusammenhang mit den Revisionen der VGR zur Erfassung der Erwerbstätigen deutlich. Dieser Trend wird durch einen Forschungsbericht des Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG) für das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung bestätigt. Der Erhebung zufolge, die speziell zur Untersuchung geringfügiger Beschäftigung konzipiert wurde, stieg die Anzahl der ausschließlich geringfügig Beschäftig    ten zwischen 1992 und 1997 in Deutschland von drei auf 4,2 Millionen (+40 Prozent) (ISG 1997).

d)  Entwicklung der befristeten Beschäftigungsverhältnisse: Die befristeten Voll- und Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse ohne Auszubildende sind zwischen 1991 und 2000 nach dem Mikrozensus vom Statistischen Bundesamt im gesamten Bundesgebiet von 1,9 auf 2,3Millionen (+21 Prozent) gestiegen. Es fällt auf, dass sich im betrachteten Zeitraum der Anteil der unter 25jährigen am stärksten erhöht hat. Er verdoppelte sich in West- und in Ostdeutschland, so dass jeder fünfte Beschäftigte in dieser Altersklasse im Westen und jeder vierte im Osten sich im Jahre 1999 in einem befristeten Anstellungsverhältnis befand (Rudolph 2000).

e)  Entwicklung der Leiharbeit: Die Anzahl der überlassenen Leiharbeitnehmer stieg nach der Statistik der Bundesanstalt für Arbeit von 133734 (1991) auf 339022 (2000). Das entspricht einer Zunahme von 153 Prozent.

Eine zunehmende Bedeutung der Teilzeitarbeit und der befristeten Beschäftigungsverhältnisse kann auch für die Europäische Union festgestellt werden: Der Anteil der Teilzeit-Arbeitsverhältnisse an allen Erwerbstätigen stieg zwischen 1988 und 1998 von 13,2 auf 17,4 Prozent. Im gleichen Zeitraum nahm der Anteil der befristeten Beschäftigungsverhältnisse an allen Erwerbstätigen von 6,0 auf 8,5 Prozent zu (Hoffmann und Walwei 2000).



17 Das jährliche Arbeitsvolumen in Stunden wird seit 1960 regelmäßig vom IAB berechnet und veröffentlicht.

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18 Die Normalarbeit ist in diesem Abschnitt als unbefristete Vollzeitbeschäftigung inkl. Zivildienstleistende, Beamte, Berufs- und Zeitsoldaten definiert. Sie entspricht damit der Definition der „Normalarbeit im weiteren Sinn“ der Europäischen Arbeitskrafterhebung von Eurostat. Das herkömmliche Normalarbeitsverhältnis ist in Deutschland mit dem Modell des männlichen Familienernährers traditionell eng verbunden. Demnach sind nicht erwerbstätige Frauen über die Sozialversicherungsansprüche des Mannes abgesichert. Gleichzeitig impliziert dieses Konzept allerdings, dass Frauen unentgeltlich Familien- und Hausarbeit leisten, damit der Partner dem Arbeitsmarkt als Vollzeitkraft zur Verfügung stehen kann (Holst und Maier 1998).

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Abbildung 4-13