4.3.4
Zunehmende Arbeitszeit-flexibilisierung19
Die geschilderten
Trends führen auch zu zunehmender Arbeitszeitflexibilisierung.
Dies zeigt sich zunächst darin, dass die
Arbeitszeitverkürzung der letzten eineinhalb Jahrzehnte mit
einer deutlichen Differenzierung der Arbeitszeit abhängig vom
Qualifikationsniveau der Beschäftigten verbunden war. Dies
betrifft sowohl die absolute Länge der Arbeitszeit als auch
die Richtung der Veränderung. Während bei
Beschäftigten mit einfacher Qualifikation die Arbeitszeit
kürzer ist und im letzten Jahrzehnt weiter deutlich
verkürzt wurde, ist sie in den höheren
Qualifikationsstufen höher und teilweise sogar noch
länger geworden (Institut Arbeit und Technik, Sonderauswertung
SOEP).
Ein deutlicher,
wenn auch in der Gesamtwirkung nicht unbedingt dramatischer Trend
zur Flexibilisierung der Arbeitszeit zeigt sich darin, dass nur
noch eine deutliche Minderheit der Beschäftigten in der
klassischen „Normal arbeitszeit“ arbeitet
(Bundesmann-Jansen u.a. 2000). Wenn man Normalarbeitszeit
äußerst restriktiv als Vollzeitarbeit von montags bis
freitags, mit konstanter Verteilung der Arbeitszeit, ohne
Überstunden, Schichtarbeit, Nachtarbeit und Wochenendarbeit
interpretiert, dann hatten schon 1989 nur noch 24 Prozent der
Beschäftigten, 1995 noch 19 Prozent und 1999 nur noch 15 Prozent
der Beschäftigten eine normale Arbeitszeit.
Ein
ähnlicher Trend zeigt sich auch bei den Überstunden. Im
Jahre 1995 leisteten 46 Prozent der Beschäftigten
regelmäßige Überstunden, 1999 schon 56 Prozent.
Dabei ist zwar ist der Anteil der Beschäftigten, die
Überstunden leisten, gestiegen, jedoch die durchschnittliche
Dauer der Überstunden leicht rückläufig (1995
verglichen mit 1999 von 2,9 auf 2,8 Stunden/Woche).
Außerdem haben sich die Gewichte bei den Abgeltungsformen von
Überstunden verschoben, und zwar von den definitiven, d.h. mit
Lohn abgegoltenen oder unbezahlten, zu den transitorischen, d.h.
mit Freizeit ausgeglichenen, Überstunden. Nach der neuesten
Arbeitszeitstudie des ISO „Arbeitszeit 99“ werden von
den durchschnittlich 2,8 Überstunden pro Woche lediglich 0,9
Stunden vergütet (1995: 1,3 Stunden), während 1,1 Stunden
durch Freizeit ausgeglichen werden. 0,8 Stunden (1995: 0,9 Stunden)
bleiben unbezahlte Überstunden (Bundesmann-Jansen u.a. 2000).
Dem entspricht auch, dass Arbeitszeitkonten inzwischen eine
beachtliche Verbreitung gefunden haben. Das deutet darauf hin, dass
der Zuwachs der Überstunden weniger konjunkturell bedingt ist,
sondern dass es sich um den Ausdruck einer strukturellen und sich
ausbreitenden Tendenz zur Arbeitszeitflexibilisierung handelt.
Der hohe Anteil
von Beschäftigten mit Arbeitszeitkonten (37 Prozent) ist
allerdings zu relativieren. Denn bei den meisten Arbeitszeitkonten
handelt es sich um traditionelle Gleitzeitkonten – relativ
kurze Ausgleichszeiträume mit geringem Flexibilisierungsgrad
– oder um reine Überstundenkonten ohne die
Möglichkeit, ins Zeit-Minus zu kommen. Nur 16 Prozent der
Arbeitszeitkonten dienen der echten Flexibilisierung, d.h. einer
möglichen Gestaltung von Plus- und Minusstunden aus
schwankender Arbeitszeitverteilung (Bundesmann-Jansen u.a. 2000:
124).
19 Vgl. hierzu auch das abweichende Minderheitenvotum
von der PDSFraktion in Kapitel
11.3.5.
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