5.2.2.4
Handlungsempfehlungen
Es müssen – ggf. neue –
Rechtsstrukturen bzw. Rechtssetzungsmechanismen gefunden werden,
die fähig sind, ein „globales Recht“ zu
entwickeln, das in der Lage ist, die Unterschiede der verschiedenen
Rechtstraditionen und -kulturen zu überwinden und bei
bestimmten Kernbereichen einen Minimalkonsens herzustellen.
Insoweit gilt es, in einen Wettbewerb der Rechtskreise einzutreten.
Nicht die Regulierungsziele, sondern die Instrumente zu ihrer
Erreichung müssen an die neuen tatsächlichen
Gegebenheiten angepasst werden. Der Aspekt der Ko-Re gulierung sollte
stärker berücksichtigt werden. In Zukunft sollte eine
engere Zusammenarbeit mit den beteiligten Kreisen ins Auge gefasst
werden. Zu denken ist an „Pub lic-Private
Partnerships“ zur Erarbeitung von Rahmenregelungen. Es ist zu
überlegen, ob nicht eine nationale Institution („Think
Tank“) eingerichtet werden sollte, die Erkenntnisse über
globale Regulierungsbestrebungen im Bereich
Informationsgesellschaft bündeln, auswerten sowie geeignete
Regulierungsstrategien entwickeln kann und dafür sorgt, dass
nationale Repräsentanten verstärkt in internationale
Initiativen eingebracht werden.
Standardisierung und Normierung der IKT
sollten als Schlüsselelemente einer staatlichen
Regulierungsstrategie in Bezug auf IuK-Netzwerke erkannt
werden.
Regelungen, die sich auf die schnell
wandelnde Techniklandschaft der IuK-Netze beziehen, sollten
regelmäßigen Evaluierungen unterzogen und in geeigneten
Fällen mit „Verfallsdaten“ versehen werden.
Der Bereich „Recht durch Technik“
muss stärker als interdisziplinäres Forschungsfeld
entwickelt werden. Die Auswirkungen von manchen wünschenswert
erscheinenden Technologien für die Informationsgesellschaft
– Stichwort Digital Rights Management (DRM), Platform for
Privacy Preferences Project (P3P) – sollten genau untersucht
und ggf. rechtlich gesteuert werden. Neben dem Schutz der
informationellen Selbstbestimmung ergeben sich wesentliche
Spannungsfelder aus dem Verhältnis von staatlichen
Sicherheitsinteressen zum
„Fernmelde“(Kommunikations)geheimnis sowie der
Beziehung zwischen Urheberrechten/gewerblichen Schutzrechten
gegenüber der Informationsfreiheit.
Empfehlung
5-13 Schaffung eines
völker rechtlichen Rahmens für die
Internet-Organisation ICANN
Es ist zu überlegen, ob nicht eine für
das Internet so eminent wichtige Organisation wie die ICANN aus
einer singulären nationalstaatlichen Bindung herausgelöst
und mit einer völkerrechtlichen Grundlage versehen werden
sollte.
Empfehlung
5-14 Schaffung eines rechtlichen
Rahmens für Selbstregulierungs maßnahmen der
Internet-Wirtschaft
Der Gesetzgeber ist dazu aufgerufen, einen
äußeren rechtlichen Rahmen für die
Selbstregulierungsanstrengungen der Internet-Wirtschaft zu schaffen
– Selbstregulierung und staatliche Regulierung also effektiv
miteinander zu verzahnen. Die Empfehlungen von
privatwirtschaftlichen Vereinigungen wie GBD, ICC und GIP sollten
von staatlicher Seite aufgenommen und geprüft werden. In
Zusammenarbeit mit den Spitzenverbänden der deutschen
Wirtschaft sowie den Verbraucherschutzverbänden (etwa in Form
eines Public-Private-Partnership zwischen dem BMWi und den
einschlägigen Verbänden) könnten hie raus
Richtlinien für die Selbstregulierung in bestimmten
Teilbereichen abgeleitet werden.
Empfehlung
5-15 Der Schwerpunkt der deutschen
Gesetzgebung sollte im Bereich des Informationszugangs und der
Novellierung des Daten schutz rechts
liegen
Der Schwerpunkt der weiteren legislativen Arbeit
sollte in Deutschland in dem Bereich des Informationszugangs
(Informationsfreiheitsgesetze) und der zügigen Novellierung
des Datenschutzrechts liegen. Darüber hinaus sind grundlegende
Untersuchungen im Bereich „Recht und
Informationstechnik“ erforderlich, da die Technik zunehmend
die Rechtsverwirklichung sowohl in positiver als auch in negativer
Hinsicht bestimmt (Beispiel: Datenschutz oder auch Digital Rights
Management).
Empfehlung
5-16 Schaffung einer zentralen
Stelle in Deutschland zur Beobachtung europäischer und
internationaler Regulierungsbestrebungen und -initiativen sowie zur
Wahr nehmung nationaler Interessen
In Bezug auf die vielfältige regulatorische
Tätigkeit auf der europäischen und internationalen Ebene
sollte die Einrichtung einer zentralen Stelle auf nationaler Ebene
geprüft werden, die die jeweiligen Initiativen beobachtet und
hierzu ein Informationsangebot bereit hält. Eine derartige
Stelle könnte zum einen als erste Anlaufstelle für
interessierte Kreise dienen. Zum anderen könnte sie eine
Gesamtstrategie entwerfen und als Plattform für den Austausch
zwischen Politik, Wirtschaft und Forschung dienen. Letztlich
könnte diese Einrichtung auch dafür Sorge tragen, dass in
den entsprechenden internationalen Ini tiativen
verstärkt nationale Vertreter mitwirken, um ein
„Mehr“ an deutschen Wertvorstellungen und Rechtskultur
in internationale Regulierungsansätze
einzubringen.
Empfehlung
5-17 Verwundbarkeitspotenzial als
Forschungsthema, Prüfung geltender Straftatbestände
für Cybercrimedelikte und Prüfung der
Cybercrime-Konvention
Es sollten Studien initiiert und gefördert
werden, die empirische Daten über das tatsächliche
Verwundbarkeits potenzial der Informationsgesellschaft
liefern. Die Verwundbarkeit der Informationsgesellschaft sollte als
grundlegendes Forschungsthema begriffen werden. Darüber hinaus
sollte eingehend geprüft werden, ob die geltenden, bereits
1986 mit dem 2. Wirtschaftskriminalitätsbekämpfungsgesetz
eingeführten, materiell-rechtlichen Strafvorschriften
ausreichend sind, die potenziell möglichen Delikte des
Cybercrime aufzunehmen, oder ob sie um neue Straftatbestände
ergänzt werden müssen.
Vor der Ratifikation der Cybercrime-Konvention
sollte genau geprüft werden, inwieweit von der
Möglichkeit der vertraglich vorgesehenen Abweichungen Gebrauch
zu machen ist. Zudem sollten die Ergebnisse der Studie des
Max-Planck-Instituts für ausländisches und
internationales Strafrecht über die Effektivität der
Telekommunikationsüberwachung, die voraussichtlich im
Frühjahr 2002 vorgestellt werden, abgewartet und
berücksichtigt werden.
Empfehlung 5-18
Internationale Konventionen –
Schutz der Menschenrechte
Es sollte eine völkerrechtlich
verbindliche, internationale Konvention zur Wahrung der
Menschenrechte in der elektronischen Kommunikation entwickelt
werden.
Empfehlung
5-19 Anonyme und pseudonyme Nutzung
des Internet
Es sollte ein grundsätzliches Recht auf
anonymen oder pseudonymen Zugang und Nutzung von Netzangeboten
anerkannt werden23
.
Es sollte geprüft werden, ob und in welchem
Umfang Anonymisierungsdienste bei Cybercrime genutzt werden und
falls ja, welche Delikte wegen der „anonymen“
Verhältnisse im Internet nicht aufgeklärt werden
können.
Auf internationaler Ebene sollten die Arbeiten
der United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL)
forciert und ggf. ein Abkommen erarbeitet werden, dass die Vorgaben
der E-Commerce-Richtlinie, der Brüsseler Konvention und der
Rom bzw. Rom II Konvention – jedenfalls für den Bereich
des E-Commerce– auf globalem Level anderen Staaten
zugänglich macht.
Empfehlung
5-20 Förderung
interdisziplinärer Studien und Projekte zur Ent wicklung
technischer Lösungen für die Umsetzung rechtlicher
Regelungen im Internet; Erweiterung der Zuständigkeit des
BSI
Im Rahmen von interdisziplinären Studien
wird empfohlen, genauer zu untersuchen, in welchen praktischen
Bereichen technische Lösungen möglich sind und welche
(rechtlichen) Ziele implementiert werden könnten und sollten.
Interdisziplinäre Projekte, bei denen Techniker und Juristen
(sowie ggf. andere Disziplinen) gezielt Lösungen für
geeignete Bereiche entwickeln (nach dem Vorbild von VERNET des
BMWi), sollten gefördert werden.
In diesem Zusammenhang sollte auch geprüft
werden, ob der Handlungsauftrag und die Kompetenzen des Bundesamtes
für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) neu
auszurichten und ggf. zu erweitern sind. Der bislang vorrangig auf
die technische Sicherheit gerichtete Fokus des BSI sollte
dahingehend erweitert werden, stärker die gesellschaftlichen
Abhängigkeiten und sozialen Wechselwirkungen von und mit
IuK-Systemen in den Blick nehmen.
23 Siehe Mitteilung der EU-Kommission KOM(2000)890
endgültig, Ziff. 5.3.
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