5.3.3.3 Wirtschaftlicher
Aspekt
Zweifel an der
ökonomischen Funktionalität von Patenten bestehen seit
ihrer Einführung im 19. Jahrhundert, im Zentrum steht die
ewige Frage gewerblichen Rechtsschutzes in marktwirtschaftlichen
Systemen: do the benefits exceeds the costs? Hier steht
somit ein Paradigmenstreit im Mittelpunkt, ob frei zirkulierbare
Ideen und Technologien oder ihre erwartbare Monopolisierung im
Sinne eines Anreiz sys tems effektiver die
Innovationsrate zu steigern vermögen.38 Insbesondere die Studie des MIT von James
Bessen und Eric Maskin hat gezeigt, dass Patente unter
unterschiedlichen ökonomischen und sachlichen
Rahmenbedingungen sehr unterschiedlich wirken. Immer dann, wenn
eine hohe technologische Innovationsdynamik (kurze
Innovationszyklen) in Verbindung mit einem sequenziellen
Innovationsprozess (Neuerungen bauen substantiell auf vorhergehende
Innovationen auf) vorliegt, wirken sich Patente volkswirtschaftlich
negativ aus – als Beispiel wählten die Autoren
bezeichnenderweise den Softwarebereich (Bessen, Maskin 2000: 21ff.,
Probst 2001: 6ff. und Live 2001: 18ff.). Vielmehr mehren sich auch
in den USA die Anzeichen, dass infolge der Zunahme von
Softwarepatenten die Innovationsfreudigkeit der Unternehmen eher
ab- denn zugenommen hat. Hinzu kommen die hohen Kosten für die
Patentinhaber, ihre Ansprüche auch effektiv durchzusetzen
– und das in weltweiten IuK-Netzwerken im Zweifel gleich
international. Daher privilegiert das geltende Patentrecht
tendenziell Großunternehmen, wohingegen KMU, die gerade in der
Bundesrepublik den Hauptanteil an der Softwareentwicklung haben,
benachteiligt sind (Deutscher Bundestag 2001d). Auch die
MPI/ISI-Studie für das BMWi legt nahe, dass insbesondere KMU
sich von Softwarepatenten kaum positive ökonomische Effekte,
aber einen hohen juristischen Aufwand und erhebliche Rechtsrisiken
erwarten. Ebenso überwiegt bei Unternehmen, Wissenschaftlern
und Entwicklern die Erwartung, das ein großzügige
Patentierbarkeit von Software tendenziell die Qualität
verringert, Innovationsdynamik verlangsamt und die Produktvielfalt
abnimmt. Insbesondere konnte die These, dass Patente jungen
innovativen Unternehmen einen attraktiven Marktzugang
ermög lichen, nicht bestätigt werden (MPI, ISI
2001: 109ff., Lutterbeck 2001 und Deutscher Bundestag 2001d). Aus
makroökonomischer Perspektive überwiegen die Nachteile
einer freizügigen Softwarepatentierung die mikro
ökonomischen Vorteile, die für KMU darüber hinaus
bezweifelt werden müssen. Auch wettbewerbspolitisch sollte
nicht aus den Augen verloren werden, dass Softwarepatente aufgrund
der bestehenden Monopolstrukturen beispielsweise bei
Betriebssystemen, Browsern und Büroanwendungen
überproportional vor allem amerikanischen Marktführern zu
Gute kommen. Neben den allgemeinen negativen Auswirkungen der
Monokultur im Softwarebereich (z.B. IT-Sicherheit, hohe Kosten und
Abhängigkeiten von wenigen Anbietern), hat Europa eine gute
Chance, gerade über Open Source-Projekte entscheidende
Elemente der künftigen IT-Infrastruktur mitzubestimmen und den
Wettbewerb im Softwarebereich wieder zu ermöglichen.
38 Vgl. etwa die Studie von Hart u. a. für die
EU-Kommission, die ebenfalls ambivalente Ergebnisse aufweist.
Allerdings gewinnt auch sie den Eindruck, dass aus wirtschaftlicher
Perspektive keine eklatante Schutzlücke bei Software besteht,
die geschlossen werden müsse (Hart, Holmes und Raid 2000,
grundlegend auch Liebig 2000: 12ff.).
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