*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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   7.7          Nachhaltigkeitstrategien

7.7.1       Voraussetzungen und Hindernisse für nachhaltiges Verbraucherverhalten

7.7.1.1    Nachhaltiges119 Verbraucherverhalten und Globalisierung

Globalisierung beeinflusst massiv die Nachhaltigkeit des Warenangebots. Gleichzeitig setzt sie Maßstäbe für die Konsumgewohnheiten bei uns und in den Entwicklungsländern. Denn nach Einschätzung des WBGU werden im Zuge der Globalisierung „umweltbelastende Wirtschaftsweisen und Lebensstile, kaum aber nachhaltige Praktiken, über den ganzen Globus verbreitet. ... Industrielle Lebensstile, die Ausbreitung westlicher Konsummuster, Mobilität und Urbanisierung sind Phä­ no­ mene, die ebenfalls an der Verursachung vieler Syndrome und Umweltprobleme beteiligt sind“ (WBGU 2001a: 3, 55). Im Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ des 13.Deutschen Bundestages hieß es gemeinsam: „Unsere natürlichen Le­ bens­ grundlagen sind durch die heute verbreiteten Produktions- und Konsummuster in zum Teil hohen Maße gefährdet“ (Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ 1998: 31). Ähnlich formulierte damals die Bundesregierung: „Menschliches Leben ist an einem Punkt angelangt, an dem es Gefahr läuft, sich seiner natürlichen Grundlagen zu berauben“ (BMU 1997: 9). Wir leben in einer globalen Konsumentengesellschaft mit gemeinsamen Produkten, Lebensstilen und Erwartungen. Die Aufgabe, nachhaltige Produktions- und Konsummus­ ter zu entwickeln, liegt daher bei allen Staaten. Ebenso argumentieren die UN (CSD) unter Hervorhebung der besonderen Verantwortung der Industrieländer. Es ist an der Zeit, die identifizierten Aufgaben in Angriff zu nehmen.

Eine zunächst auf nationaler Ebene ansetzende Veränderung bestehender Konsummuster beim privaten Konsum hin zu einer Orientierung am Prinzip der Nachhaltigkeit, hat nach dem beschriebenen „Verbreitungs“-Muster der Globalisierung umgekehrt auch „nachhaltige“ Effekte auf bisherige Wirtschaftsweisen und Lebensstile – und damit letztlich auch auf die Umwelt: Nationale Veränderungen der Konsummuster können eine Vorbildfunktion für die Konsumorientierung der Entwicklungsländer übernehmen. Konkret dürfte eine in Richtung Nachhaltigkeit veränderte Nachfrage zu einer Veränderung des Warenangebotes führen. Dadurch kann eine Entlastung der Umwelt erzielt werden.

Aufgrund der Pluralisierung der Lebens- und Konsumstile in unserer durch zunehmende Individualisierung gekennzeichneten Gesellschaft, müssen Konzepte nicht nur für ein nachhaltiges, sondern für ein ganzes Spektrum an potenziellen nachhaltigen Konsummustern erarbeitet werden. Aus der Erkenntnis, dass es ganz verschiedene nachhaltige Konsumstile geben kann, gilt es der totalitären Versuchung zu widerstehen, eine bestimmte Lebensform als „gut“ vorzuschreiben (Bals 2002: 49). Ausgangspunkt für Überlegungen zu allen möglichen Wegen nachhaltigen Verbraucherverhaltens sollten dabei die bestehenden Konsummuster und Lebensgewohnheiten (Präferenzen) sein, die insbesondere durch das soziokulturelle Umfeld der Konsumenten geprägt werden, mit ihren unterschiedlichen Nachhaltigkeitspotenzialen. Jede Zielgruppe des „Produktes“ nachhaltiges Konsumverhalten braucht demnach eine ihr zugeordnete Ansprache. Langfristige Verhaltensänderungen in Richtung auf ein an Nachhaltigkeitsaspekten orientierten Verhaltens kann nur durch positive Überzeugung, d. h. über Anreiz- und Bildungsstrategien, vor allem aber durch Vor- und Leitbilder und eine umfassende Verbraucherinformation erreicht werden. Nach allem was man weiß, müssen aber drei Dinge zusammenkommen: Push-Faktoren, wie Preise etc, die Impulse setzen, Pull-Faktoren, wie attraktive Alternativen, und Übergangshilfen, wie Aufklärung und Vorbilder; sonst sind selbst bei bestehendem qualitativ wie preislich attraktiven Angebot die Trägheiten zu hoch. Exogene Anreize und Maßnahmen zur Verringerung der Hemmschwellen sind also essentiell. Dazu gehört, dass nachhaltiges Verbrauchsverhalten nicht Verzicht sondern ein „gutes Leben“ heißen kann, dem die Vermeidung von Verschwendung eigen ist. Negativ induzierte Verhaltensänderungen, wie z.B. durch die BSE-Krise, sind kurzfristig und werden entscheidend durch ihre Präsenz in den Medien geprägt. Unerheblich für das Verbraucherverhalten an sich scheint dabei die Kenntnis des Begriffs der Nachhaltigkeit zu sein. Dies zeigt sich in einer Diskrepanz zwischen „nachhaltiger“ Einstellung und „nicht nachhaltigem“ Konsum sowie zwischen „nachhaltigem“ Konsum und Unkenntnis des Begriffs der Nachhaltigkeit bei den Verbrauchern. Dennoch wäre für die Durchsetzung des Prinzips Nachhaltigkeit als handlungsrelevantes Leitbild in der Bevölkerung ein höherer Bekanntheitsgrad förderlich. Eine dafür nötige Kultur der Nachhaltigkeit müsste nicht mehr Geld kosten, sondern kann bei genügender Verbreitung Geld sparen helfen. Nach Umfragen des Umweltbundesamtes (UBA) besteht in der Bevölkerung eine Bereitschaft, entsprechende Angebote anzunehmen (UBA 2001c, UBA 2002a, Teil IV).



119 Nachhaltigkeit als Prinzip bezeichnet das Zusammenspiel der drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales (siehe dazu auch das folgende Kapitel 8„Nachhaltige Entwicklung“). Im Zusammenhang mit Verbraucherverhalten erhält die ökologische Dimension von Nachhaltigkeit den Vorrang. Wirtschaftliche Entwicklung und Wohlfahrt sind langfristig nur möglich innerhalb eines gesteckten Rahmens, den die Natur als Lebensgrundlage setzt. Umgekehrt dienen ökonomische und soziale Aspekte auch zur „Machbarkeit“ von Ökologie: Ökologische Produktion und Konsum sind nur realisierbar, wenn sie für den Verbraucher erschwinglich sind im Sinne eines „sich leisten können“, und wenn sowohl Konsum als auch Produktion unter akzeptablen sozialen Umständen geschehen. Nachhaltiger Konsum ist bereits in verschiedenen Enquete-Kommissionen in gemeinsamen Positionen wie auch in Minderheitspositionen und Sondervoten angeklungen (Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“ 1994: 1088-1257 – Minderheit, Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ 1998: 381ff. – Minderheit). Vorschläge und Anregungen zu den Erfordernissen eines Wandels finden sich beispielsweise in Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“ 1994: 238ff. „Vision 2050“ und 241ff. „Von der Realität in die Vision“.

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