7.7.1.3 Konkrete
Handlungsfelder für verhaltens ändernde
Maßnahmen mit unterschiedlichen Umsetzungs
schwierigkeiten
Konkrete
Handlungsfelder, in denen nicht nur Bedarf, sondern auch Chancen zu
einer Veränderung des Verbraucherverhaltens in Richtung
Nachhaltigkeit bestehen, sind Investitionen/Kapitalanlagen,
Ernährung/Lebensmittel, Bildung und Wissenschaft,
Mobilität und Tourismus, Bauen und Wohnen, Energienutzung.
Dabei bilden die Bereiche „Bauen und Wohnen“,
„Lebensmittel und Er nährung“,
„Mobilität und Tourismus“ die drei
prioritären Handlungsfelder, weil die Haushalte in ihrem
Verbrauchs verhalten direkt Einfluss nehmen können
(Spangenberg, Lorek 2001: 6, 18).
Grundsätzlich sind Verhaltensänderungen für den
Menschen dort leichter, wo persönliche Vorteile erfahrbar
werden. Viel schwerer sind Änderungen im Verhalten zu
erzielen, wo diese Erfahrbarkeit, der persönliche Nutzen,
fehlt oder nur geringfügig ausgeprägt ist. Allgemeine
Hindernisse sind hohe Preise, mangelnder Komfort bzw.
Bequemlichkeit, mangelnde Verfügbarkeit, Informationsdefizite
und Vertrauensmangel in die „Echtheit“ von Produkten
mit höherer Prozessqualität. Prozessqualität
beschreibt dabei die spezifische Produktionsbedingungen, ohne dass
die äußerlich wahrnehmbaren Eigenschaften – die
„Ergebnisqualität“ – eine höhere
Prozessqualität sichtbar werden lassen müssen.
Verhältnismäßig leicht zu erreichen sind
Änderungen im Bereich Bauen und Wohnen und der damit
verbundenen Energienutzung, mit einer energieeffizienten
Heiztechnik, optimaler Gebäudedämmung und einem
angepassten Nutzerverhalten, d. h. einer gesenkten Nachfrage beim
Energiebedarf. Hier
können die erreichten Energieeinsparungen spürbare
monetäre Vorteile bringen. Instrumente, die dieses
Einsparpotenzial bereits aufgreifen, sind beispielsweise die
Energieeinsparverordnung und das
CO2-Gebäudesanierungsprogramm der Kreditanstalt
für Wiederaufbau. Einer breiteren Durchsetzung stehen entgegen
das tendenziell geringe Interesse am Thema Energie,
Befürchtungen der Komfortbeeinträchtigung (da
„Energiesparen“ häufig mit „Frieren
müssen“ gleichgesetzt wird, obwohl das Gegenteil richtig
ist: Wärmedämmung und wärmedämmende
Fensterverglasung führen zu merklich geringerer
Kältestrahlung der Außenwände und Fenster und damit
zu höherem Komfort, der es zulässt, dass die
Raumlufttemperatur ohne Komfortverlust abgesenkt werden kann, da
die Kältestrahlung ungedämmter Wände und einfach-
oder doppelverglaster Fenster nicht mehr durch höhere
Lufttemperaturen kompensiert werden muss),
Investor-Nutzer-Konflikte bei Mietobjekten sowie die technische
Überforderung im Umgang mit der Haushaltstechnik.
Weitaus schwieriger zu erzielen ist ein
Umdenken im Bereich Mobilität und Tourismus: Umweltschutz wird
hier mit Zwängen und Einschränkungen der
persönlichen Freiheiten – Stichwort Auto, Stichwort
Fernreisen – verbunden. Die Vorteile nachhaltigen Verhaltens
sind für den Einzelnen schwer erkennbar bzw. werden von
individuellen Vorteilen nicht nachhaltigen Verhaltens
überwogen. Anreize zugunsten nachhaltigen
Mobilitäts-Verhaltens können geschaffen werden durch
Maßnahmen wie eine kontinuierliche Anhebung der
Mineralölsteuer oder einer nach CO2 differenzierten
Kfz-Steuer, einer für die Verbraucher transparenten
Kennzeichnung von Kfz nach ihrer spezifischen Umweltbelastung,
einem gleichzeitigen Ausbau der Bahn und des öffentlichen
Personennahverkehrs sowie einer auf den Öffentlichen Verkehr
abgestimmten Siedlungs- und Flächennutzungsstrategie. Damit
können die Relationen individueller Vor- und Nachteile
zwischen nachhaltigen und nicht nachhaltigen
Mobilitätsverhaltens zugunsten nachhaltigen Verhaltens
verschoben werden.
Im Bereich Ernährung sind die Vorteile
eines nachhaltigen Konsums selten direkt erfahrbar. Der Aufwand in
der Beschaffung ist oft ungleich höher als bei
herkömmlichen Produkten. Damit nachhaltige Produkte mit
höherer Prozessqualität – z. B. Produkte aus dem
Ökolandbau – die Haushalte finanziell nicht mehr
belasten als herkömmliche, könnten sich die
Verbrauchsstrukturen der Haushalte in Richtung weniger
Fleischkonsum und mehr stärkehaltige Lebensmittel (z. B.
Getreide) verändern, was im übrigen schon aus
ernährungsphysiologischen Gründen empfehlenswert ist.
Gleichzeitig müssen die Produkte das Kriterium der
Überallerhältlichkeit (Ubiquität) erfüllen, um
als Alternative für breite Schichten in Frage zu kommen.
Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung in der
Nahrungsmittelproduktion ist die Änderung unserer heutigen
Ernährungsgewohnheiten und -ansprüche. Da nachhaltige
Nahrungsmittelproduktion arbeits- und wissensintensiv ist, ist sie
nicht zu Billigpreisen erhältlich, vermeidet aber externe
Umwelt- und Gesundheitskosten, die sonst die Allgemeinheit, also
die Verbraucher, indirekt zu tragen hätten. Daher muss sich
auch die Wertschätzung von Ernährung, die sich als Posten
im Haushaltsbudget des deutschen Verbrauchers mit lediglich zehn
Prozent niederschlägt (vier Prozent unter europäischem
Durchschnitt), ändern, um in diesem Bereich eine Entwicklung
in Richtung Nachhaltigkeit zu bewirken. Schon eine allmähliche
Internalisierung externer Kosten (z. B. der Gesundheit und Umwelt)
würde in diese Richtung führen. Andererseits gibt es
zahlreiche Beispiele aus der jüngsten Zeit, die zeigen, dass
Verbraucher zur Änderung ihrer Konsumgewohnheiten bereit sind,
wenn sie der Auszeichnung der Produkte vertrauen. So ist der Absatz
an Eiern aus der Freilandhaltung beim Lebensmitteldiscounter Aldi
höher als der Absatz an Eiern aus der Käfighaltung
– und dies bei einer durchaus preisbewussten Klientel dieses
Discounters.
Das Beschaffungswesen der öffentlichen
Hand erhält quer durch alle genannten Kategorien eine
besondere Funktion: Zum einen als Vorbild für Verbraucher und
Privatwirtschaft, zum anderen aber auch als Großkunde, der
klare Zeichen setzt für an Nachhaltigkeit orientierten
Produkte, indem er durch hohe Stückzahlen konkrete
wirtschaftliche Anreize zu einer Umorientierung in Industrie und
Handel schafft. Diese Funktionen können jedoch nur
wahrgenommen werden, wenn die Mitarbeiter in den
Beschaffungsstellen entsprechend geschult sind bzw. politische
Vorgaben zur Beschaffung erhalten. Die Bundesregierung sollte
entsprechende Vorschläge der EU-Kommission
unterstützen.
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