7.7.2
Ressourceneffizienz124
Vernunft, Ethik und ein langfristiges
Ökonomieverständnis gebieten es, die Ressourceneffizienz
zu erhöhen. Welche Steigerungspotenziale Produktivitäten
von Produktionsfaktoren haben können, verdeutlicht die
Entwicklung der Arbeitsproduktivität. Seit 1870 hat sich die
Arbeitsproduktivität in Deutschland etwa um den Faktor 17
erhöht. Der hinter dieser Entwicklung stehende enorme
technische Fortschritt ging in vielen Fällen mit der
intensiven Ausbeutung zunächst kostspieliger und später
immer billigerer Naturressourcen einher. Die Industriegeschichte
des Nordens ist dadurch charakterisiert, dass das „gemeinsame
Naturkapital“ der Menschheit drastisch dezimiert wurde; wir
haben vom Kapital anstatt von den Zinsen gelebt – eine
Strategie, die nicht über einen beliebig langen Zeitraum
fortgeführt werden kann.
Zwar werden die Märkte langfristig
zusammenbrechen, wenn ökologische Faktoren nicht einbezogen
werden. Wir können jedoch nicht darauf vertrauen, dass die
objektiv eingetretene Verknappung der natürlichen Ressourcen
und die begrenzte Belastungsfähigkeit der Atmo
sphäre und Biosphäre ökologisch zumindest halbwegs
wahre Preise an die Produzenten und Konsumenten zu
rückmelden. Preise können ohnedies niemals die
„ganze ökologische Wahrheit“ ausdrücken: Die
Schönheit einer Naturlandschaft, der Verlust der
Artenvielfalt, das Leid von Ökoflüchtlingen oder der
Verlust von Menschenleben durch menschengemachte Klimakatastrophen
lassen sich nicht in Geld bewerten.
Die Steigerung der Produktivität beim
Ressourcenverbrauch hat andere gesellschaftliche Triebkräfte
und wesentlich weniger Durchsetzungskraft als die Erhöhung der
Arbeitsproduktivität seit dem 19. Jahrhundert. Während
der kollektive Kampf der internationalen Arbeiterbewegung für
mehr Lohn und die Verringerung der täglich zu erbringenden
Arbeitsstunden die Arbeit ökonomisch knapp machte, gibt es bei
den natürlichen Ressourcen keinen vergleichbaren Druck. Die
Natur kann sich weder kollektiv wehren noch weltweite
Schutzmaßnahmen durchsetzen.
Deshalb müssen nationale Regierungen in
einem international abgestimmten Rahmen den Naturverbrauch auch
weiterhin begrenzen und verknappen. Diese „ökologischen
Leitplanken“ werden dazu führen, dass sich der
technische Fortschritt auf die Schonung von Natur und Rohstoffen
konzentriert. Ohne einen solchen „ökologischen
Ordnungsrahmen“ ist eine zukunftsfähige Entwicklung
nicht möglich.
Eine drastische Reduzierung des
Ressourcenverbrauchs muss jedoch nicht heißen, dass die
Wirtschaft nicht wachsen kann. Dass eine deutliche Entkoppelung von
Bruttoinlandsprodukt und Ressourceninanspruchnahme möglich
ist, hat die bereits seit einiger Zeit tatsächlich erfolgte
Steigerung von Ressourceneffizienz in vielen Ländern und
Branchen gezeigt. Auf die gesamte deutsche Volkswirtschaft bezogen,
ist der spezifische Verbrauch an Rohstoffen und Energieträgern
zwischen 1960 und 1999 um 47Prozent und der spezifische
Endenergieverbrauch um 34 Prozent gesunken. Dabei lassen sich
allerdings deutliche Unterschiede zwischen produktionsbezogenem und
konsumptivem Verbrauch feststellen. So konnte der spezifische
Endenergieverbrauch im produzierenden Gewerbe in Deutschland
zwischen 1960 und 2000 um 64Prozent gesenkt werden, während er
im Verkehr um 27Prozent zunahm und bei den Haushalten etwa konstant
blieb. Voraussetzung für diese Steigerungen der
Ressourceneffizienz sind technologische Innovationen und
Investitionen, die klarer langfristiger und möglichst
international abge stimmter politischer Rahmenbedingungen
bedürfen. Dann kann das Verbrauchsniveau deutlich gesenkt
werden, ohne dass es zu Wohlstandseinbußen kommt.
Eine Strategie, bei der Wirtschaft und Umwelt
gemeinsam gewinnen, besteht vor allem darin, die
Ressourcenproduktivität maximal zu steigern, d. h. so viel wie
möglich aus dem Einsatz einer bestimmten Menge an Rohstoffen
und Energie herzustellen (Statistisches Bundesamt 2000). Dafür
ist ein intelligenter Aufbau der Produktionsanlagen erforderlich.
Was in einem Prozess Abfall oder Wärme ist, wird in einem
anderen Herstellungsverfahren sinnvoll eingesetzt. Dieser produkt-
und prozessorientierte Umweltschutz ist ein wichtiges Teilelement
der Ressourcen effizienz.
Art und Umfang der Ressourceninanspruchnahme
hängen eng zusammen mit der wirtschaftlichen,
wissenschaftlichen und technischen Entwicklung. Als Folge der
wissenschaftlichen und technischen Innovation ändert sich die
Nutzung natürlicher Ressourcen fortwährend. Knapp
werdende Ressourcen können „gestreckt“ werden
durch die Miniaturisierung von Produkten, sie können aber auch
ganz geschont werden durch die Entwicklung von Alternativen. Obwohl
das Naturkapital nicht beliebig durch Humankapital substituiert
werden kann, sind wissenschaftliche und technische Innovationen ein
wesentliches Element einer nachhaltigen Ressourceninanspruch
nahme.
Bei gegebener Technik bedeutet eine
Reduzierung der Rohstoffgewinnung stets eine Umweltentlastung in
mehreren Problembereichen. Es reduzieren sich die
Beeinträchtigungen, die sich durch den Abbau und die
Aufbereitung der Rohstoffe und den Transport ergeben, sowie die
Beeinträchtigungen durch die Freisetzung von Schadstoffen und
die Abfälle. Mit der Verringerung der Rohstoffgewinnung
können daher „mehrere Fliegen mit einer Klappe“
geschlagen werden.
Die Bedeutung der Thematik
„Ressourcenschutz und Ressourceneffizienz“ ist in den
vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gewachsen. Nach ersten
Ansätzen im ersten Umweltprogramm der Bundesregierung aus dem
Jahre 1972 ist 1994 mit der Staatszielbestimmung Umweltschutz (Art.
20a GG) der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen auch
für künftige Generationen im Grundgesetz verankert
worden. Im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz ist der Grundsatz
der Ressourcenschonung in §1 festgeschrieben, indem als Zweck
des Gesetzes – neben der umweltverträglichen Beseitigung
von Abfällen – explizit die Schonung der
natürlichen Ressourcen angegeben ist. Die Verwirklichung
dieses Zweckes wird durch die in den Grundsätzen der
Kreislaufwirtschaft (§4) festgelegte Hierarchie mit dem
Vorrang der Vermeidung von Abfall vor dessen Verwertung und
Beseitigung, die Konkretisierung durch Grundpflichten des
Abfallerzeugers sowie durch die Bestimmungen zur
Produktverantwortung (§ 22 ff.) umgesetzt.
Die politische Bedeutung des Themas
Ressourcenschutz ist auch in der nationalen
Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung deutlich geworden.
Wenn wir Verantwortung für künftige Generationen
übernehmen wollen, heißt es dort, müssen wir vor
allem auch knappe Ressourcen sparsam und effizient nutzen. Ein
wichtiger Indikator dafür ist die Energie- und
Rohstoffeffizienz. In ihrer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie hat
die Bundesregierung dem Themenschwerpunkt Ressourcenschonung zwei
Handlungsziele zugeordnet:
– Erhöhung der
Rohstoffproduktivität auf das 2,5fache bis 2020 auf der Basis
von 1993
– Verdoppelung der
Energieproduktivität bis 2020 auf der Basis von 1990.
Als Rohstoffproduktivität wird das
Verhältnis von Wirtschaftsprodukt zum Verbrauch nicht
erneuerbarer Rohstoffe bezeichnet. Auf eine Volkswirtschaft
bezogen, stellt diese Kenngröße dar, wie viel
Bruttoinlandsprodukt mit einer Tonne Rohstoff
„produziert“ wird. Für diese Berechnung wird die
Rohstoffinanspruchnahme des entsprechenden Landes zugrunde gelegt.
Diese setzt sich zusammen aus der inländischen Entnahme und
der Einfuhr nicht erneuerbarer Energieträger (Kohle,
Erdöl, Erdgas usw.) Eisen, Mineralien, Steine und Erden bzw.
deren Erzeugnissen. Um zu einer Reduzierung der absoluten
Rohstoff inanspruchnahme zu kommen, muss die
Rohstoffproduktivität eine höhere Steigerungsrate
aufweisen als das Wirtschaftswachstum.
Die umweltpolitische Forderung nach einer
Reduktion der Rohstoffinanspruchnahme wird in verschiedenen
Konzepten mit konkreten Reduktionszielen (Faktor vier oder Faktor
zehn, von Weizsäcker u. a. 1997, Schmidt-Bleek 1998)
verbunden. Diese Konzepte sind zunächst vom Wuppertal Institut
entwickelt und propagiert worden und haben inzwischen sowohl in der
Wirtschaft (z. B. im World Business Council for Sustainable
Development – WBCSD) als auch auf Regierungsebene ein breites
internationales Echo gefunden. Auch das Umweltprogramm der
Vereinten Nationen (UNEP) sieht in der Ressourceninanspruchnahme
ein Schlüsselproblem und greift in seinem Bericht
„Global Environment Outlook 2000“ das Ziel einer
Reduktion der Ressourceinanspruchnahme um den Faktor zehn auf:
„Eine Reduzierung des Ressourcenverbrauchs in den
Industrienationen um das 10-fache ist ein notwendiges langfristiges
Ziel, wenn angemessene Ressourcen für die Bedürfnisse der
Entwicklungsländer bereit gestellt werden
sollen“125 (UNEP
1999: 2).
Im Bereich informatorischer und
organisatorischer Maßnahmen des Umweltschutzes sind die Ziele
der Material- und Energieeffizienz unter dem Begriff
„Ökoeffizienz“ bekannt geworden (Liedtke 2001).
Material- und Energieverbrauch sind im betrieblichen und
produkt bezo genen Umweltschutz wichtige
Kriterien, die bei Öko bilanzen, Produktlinienanalysen,
Umweltzeichen und im betrieblichen Umweltcontrolling
berücksichtigt werden.
Ob die im Rahmen einer
Strategie der Ökoeffizienz möglichen informatorischen und
organisatorischen Maßnahmen realisiert werden, hängt vor
allem auch davon ab, inwieweit die Ressourceninanspruchnahme als
Kostenfaktor wahrgenommen wird. Solange negative Folgen der
Ressourceninanspruchnahme zu Lasten Dritter erfolgen und dem Nutzer
nicht zugerechnet werden (externe Kosten) besteht kein
hinreichender wirtschaftlicher Anreiz für einen sparsamen
Gebrauch. Die Internalisierung dieser externen Kosten durch die
Anwendung rechtlicher und/oder ökonomischer Instrumente ist
daher ein wichtige Ansatzpunkt zur Steigerung der
Ökoeffizienz.
Rechtliche
Instrumente sind vor allem dort angebracht, wo die zu regelnden
Tatbestände eindeutig und gravierend sind und die Zahl der
Akteure überschaubar ist Der Einsatz ökonomischer
Instrumente (z. B. Umweltabgaben) bietet sich vor allem dann an,
wenn die zu verringernde Umweltbelastung von einer Vielzahl von
Quellen, z. B. breiten Kreisen der Bevölkerung verursacht wird
und eine Feinsteuerung des Verhaltens in Richtung
Ressourceneffizienz nicht praktikabel ist. Wollte man z. B. die
notwendige Verringerung der CO2-Emissionen allein durch
Produktions- und Produktauflagen erreichen, müssten
Hunderttausende von Einzelauflagen die verschiedenen Formen der
Energienutzung regeln. Dies würde die Regelungsfähigkeit
der Umweltpolitik überfordern und die Handlungsfreiheit der
Wirtschaftssubjekte in einem unzumutbaren Maße beschneiden.
Ökonomische Instrumente, die im Sinne einer Grobsteuerung
wirtschaftliche Anreize für ein umweltgerechteres Verhalten
schaffen, oder Selbstverpflichtungen stellen in einem solchen Fall
die besser geeignete Lösung dar (Lübbe-Wolf 1996).
Die erforderliche
drastische Steigerung der Ressourcen effizienz ist allerdings
nicht im Selbstlauf zu erreichen, sondern nur durch eine
Kombination energiepolitischer Vorgaben, Anreize und Anregungen.
Der notwendige Policy mix für einen nachhaltigen
Ressourcenverbrauch besteht aus vielen Instrumenten. Dazu
gehören vor allem
– eine länderübergreifende
Zusammenarbeit – durch die Verabschiedung internationaler
Verträge und den Transfer von Know-how und Techniken,
– globale, über den Preis zu steuernde
Instrumente, wie z. B. die einkommensneutrale Energiesteuer und
handelbare Zertifikate,
– ordnungsrechtliche Vorschriften, die die
maximalen Ressourcenverbräuche in den Bedürfnisfeldern
Bauen und Wohnen und Mobilität festschreiben,
– freiwillige Vereinbarungen von
Industrieverbänden, z. B. über
CO2-Reduktionsziele und
– Förderprogramme, z. B. für die
Markteinführung regenerativer Energien.
Gerade auch auf
internationaler Ebene muss es Instrumentenbündel geben, die
auf die jeweiligen Länder und Sektoren sowie auf ihre
spezifischen Gegebenheiten abgestimmt sind. Einen Königsweg
für alle Regionen und alle Sektoren kann es nicht geben und
der Erfolg oder Misserfolg einer Politik der Ressourcenschonung
wird nicht zuletzt davon abhängen, ob es gelingt den optimalen
Instrumentenmix zu finden und einzusetzen.
124 Dieses entstand mit freundlicher Unterstützung
von Dr. Summerer, Umweltbundesamt.
125 Dies ist die deutsche Übersetzung von: „A
tenfold reduction in resource consumption in the industrialized
countries is a necessary long-term target if adequate resources are
to be released for the needs of developing
countries.“
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