*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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7.7.2       Ressourceneffizienz124

Vernunft, Ethik und ein langfristiges Ökonomieverständnis gebieten es, die Ressourceneffizienz zu erhöhen. Welche Steigerungspotenziale Produktivitäten von Produktionsfaktoren haben können, verdeutlicht die Entwicklung der Arbeitsproduktivität. Seit 1870 hat sich die Arbeitsproduktivität in Deutschland etwa um den Faktor 17 erhöht. Der hinter dieser Entwicklung stehende enorme technische Fortschritt ging in vielen Fällen mit der intensiven Ausbeutung zunächst kostspieliger und später immer billigerer Naturressourcen einher. Die Industriegeschichte des Nordens ist dadurch charakterisiert, dass das „gemeinsame Naturkapital“ der Menschheit drastisch dezimiert wurde; wir haben vom Kapital anstatt von den Zinsen gelebt – eine Strategie, die nicht über einen beliebig langen Zeitraum fortgeführt werden kann.

Zwar werden die Märkte langfristig zusammenbrechen, wenn ökologische Faktoren nicht einbezogen werden. Wir können jedoch nicht darauf vertrauen, dass die objektiv eingetretene Verknappung der natürlichen Ressourcen und die begrenzte Belastungsfähigkeit der Atmo­ sphäre und Biosphäre ökologisch zumindest halbwegs wahre Preise an die Produzenten und Konsumenten zu­ rückmelden. Preise können ohnedies niemals die „ganze ökologische Wahrheit“ ausdrücken: Die Schönheit einer Naturlandschaft, der Verlust der Artenvielfalt, das Leid von Ökoflüchtlingen oder der Verlust von Menschenleben durch menschengemachte Klimakatastrophen lassen sich nicht in Geld bewerten.

Die Steigerung der Produktivität beim Ressourcenverbrauch hat andere gesellschaftliche Triebkräfte und wesentlich weniger Durchsetzungskraft als die Erhöhung der Arbeitsproduktivität seit dem 19. Jahrhundert. Während der kollektive Kampf der internationalen Arbeiterbewegung für mehr Lohn und die Verringerung der täglich zu erbringenden Arbeitsstunden die Arbeit ökonomisch knapp machte, gibt es bei den natürlichen Ressourcen keinen vergleichbaren Druck. Die Natur kann sich weder kollektiv wehren noch weltweite Schutzmaßnahmen durchsetzen.

Deshalb müssen nationale Regierungen in einem international abgestimmten Rahmen den Naturverbrauch auch weiterhin begrenzen und verknappen. Diese „ökologischen Leitplanken“ werden dazu führen, dass sich der technische Fortschritt auf die Schonung von Natur und Rohstoffen konzentriert. Ohne einen solchen „ökologischen Ordnungsrahmen“ ist eine zukunftsfähige Entwicklung nicht möglich.

Eine drastische Reduzierung des Ressourcenverbrauchs muss jedoch nicht heißen, dass die Wirtschaft nicht wachsen kann. Dass eine deutliche Entkoppelung von Bruttoinlandsprodukt und Ressourceninanspruchnahme möglich ist, hat die bereits seit einiger Zeit tatsächlich erfolgte Steigerung von Ressourceneffizienz in vielen Ländern und Branchen gezeigt. Auf die gesamte deutsche Volkswirtschaft bezogen, ist der spezifische Verbrauch an Rohstoffen und Energieträgern zwischen 1960 und 1999 um 47Prozent und der spezifische Endenergieverbrauch um 34 Prozent gesunken. Dabei lassen sich allerdings deutliche Unterschiede zwischen produktionsbezogenem und konsumptivem Verbrauch feststellen. So konnte der spezifische Endenergieverbrauch im produzierenden Gewerbe in Deutschland zwischen 1960 und 2000 um 64Prozent gesenkt werden, während er im Verkehr um 27Prozent zunahm und bei den Haushalten etwa konstant blieb. Voraussetzung für diese Steigerungen der Ressourceneffizienz sind technologische Innovationen und Investitionen, die klarer langfristiger und möglichst international abge    stimmter politischer Rahmenbedingungen bedürfen. Dann kann das Verbrauchsniveau deutlich gesenkt werden, ohne dass es zu Wohlstandseinbußen kommt.

Eine Strategie, bei der Wirtschaft und Umwelt gemeinsam gewinnen, besteht vor allem darin, die Ressourcenproduktivität maximal zu steigern, d. h. so viel wie möglich aus dem Einsatz einer bestimmten Menge an Rohstoffen und Energie herzustellen (Statistisches Bundesamt 2000). Dafür ist ein intelligenter Aufbau der Produktionsanlagen erforderlich. Was in einem Prozess Abfall oder Wärme ist, wird in einem anderen Herstellungsverfahren sinnvoll eingesetzt. Dieser produkt- und prozessorientierte Umweltschutz ist ein wichtiges Teilelement der Ressourcen­ effizienz.

Art und Umfang der Ressourceninanspruchnahme hängen eng zusammen mit der wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und technischen Entwicklung. Als Folge der wissenschaftlichen und technischen Innovation ändert sich die Nutzung natürlicher Ressourcen fortwährend. Knapp werdende Ressourcen können „gestreckt“ werden durch die Miniaturisierung von Produkten, sie können aber auch ganz geschont werden durch die Entwicklung von Alternativen. Obwohl das Naturkapital nicht beliebig durch Humankapital substituiert werden kann, sind wissenschaftliche und technische Innovationen ein wesentliches Element einer nachhaltigen Ressourceninanspruch­ nahme.

Bei gegebener Technik bedeutet eine Reduzierung der Rohstoffgewinnung stets eine Umweltentlastung in mehreren Problembereichen. Es reduzieren sich die Beeinträchtigungen, die sich durch den Abbau und die Aufbereitung der Rohstoffe und den Transport ergeben, sowie die Beeinträchtigungen durch die Freisetzung von Schadstoffen und die Abfälle. Mit der Verringerung der Rohstoffgewinnung können daher „mehrere Fliegen mit einer Klappe“ geschlagen werden.

Die Bedeutung der Thematik „Ressourcenschutz und Ressourceneffizienz“ ist in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gewachsen. Nach ersten Ansätzen im ersten Umweltprogramm der Bundesregierung aus dem Jahre 1972 ist 1994 mit der Staatszielbestimmung Umweltschutz (Art. 20a GG) der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen auch für künftige Generationen im Grundgesetz verankert worden. Im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz ist der Grundsatz der Ressourcenschonung in §1 festgeschrieben, indem als Zweck des Gesetzes – neben der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen – explizit die Schonung der natürlichen Ressourcen angegeben ist. Die Verwirklichung dieses Zweckes wird durch die in den Grundsätzen der Kreislaufwirtschaft (§4) festgelegte Hierarchie mit dem Vorrang der Vermeidung von Abfall vor dessen Verwertung und Beseitigung, die Konkretisierung durch Grundpflichten des Abfallerzeugers sowie durch die Bestimmungen zur Produktverantwortung (§ 22 ff.) umgesetzt.

Die politische Bedeutung des Themas Ressourcenschutz ist auch in der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung deutlich geworden. Wenn wir Verantwortung für künftige Generationen übernehmen wollen, heißt es dort, müssen wir vor allem auch knappe Ressourcen sparsam und effizient nutzen. Ein wichtiger Indikator dafür ist die Energie- und Rohstoffeffizienz. In ihrer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie hat die Bundesregierung dem Themenschwerpunkt Ressourcenschonung zwei Handlungsziele zugeordnet:

–    Erhöhung der Rohstoffproduktivität auf das 2,5fache bis 2020 auf der Basis von 1993

–    Verdoppelung der Energieproduktivität bis 2020 auf der Basis von 1990.

Als Rohstoffproduktivität wird das Verhältnis von Wirtschaftsprodukt zum Verbrauch nicht erneuerbarer Rohstoffe bezeichnet. Auf eine Volkswirtschaft bezogen, stellt diese Kenngröße dar, wie viel Bruttoinlandsprodukt mit einer Tonne Rohstoff „produziert“ wird. Für diese Berechnung wird die Rohstoffinanspruchnahme des entsprechenden Landes zugrunde gelegt. Diese setzt sich zusammen aus der inländischen Entnahme und der Einfuhr nicht erneuerbarer Energieträger (Kohle, Erdöl, Erdgas usw.) Eisen, Mineralien, Steine und Erden bzw. deren Erzeugnissen. Um zu einer Reduzierung der absoluten Rohstoff­ inanspruchnahme zu kommen, muss die Rohstoffproduktivität eine höhere Steigerungsrate aufweisen als das Wirtschaftswachstum.

Die umweltpolitische Forderung nach einer Reduktion der Rohstoffinanspruchnahme wird in verschiedenen Konzepten mit konkreten Reduktionszielen (Faktor vier oder Faktor zehn, von Weizsäcker u. a. 1997, Schmidt-Bleek 1998) verbunden. Diese Konzepte sind zunächst vom Wuppertal Institut entwickelt und propagiert worden und haben inzwischen sowohl in der Wirtschaft (z. B. im World Business Council for Sustainable Development – WBCSD) als auch auf Regierungsebene ein breites internationales Echo gefunden. Auch das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) sieht in der Ressourceninanspruchnahme ein Schlüsselproblem und greift in seinem Bericht „Global Environment Outlook 2000“ das Ziel einer Reduktion der Ressourceinanspruchnahme um den Faktor zehn auf: „Eine Reduzierung des Ressourcenverbrauchs in den Industrienationen um das 10-fache ist ein notwendiges langfristiges Ziel, wenn angemessene Ressourcen für die Bedürfnisse der Entwicklungsländer bereit gestellt werden sollen“125 (UNEP 1999: 2).

Im Bereich informatorischer und organisatorischer Maßnahmen des Umweltschutzes sind die Ziele der Material- und Energieeffizienz unter dem Begriff „Ökoeffizienz“ bekannt geworden (Liedtke 2001). Material- und Energieverbrauch sind im betrieblichen und pro­dukt­ bezo­ genen Umweltschutz wichtige Kriterien, die bei Öko­ bilanzen, Produktlinienanalysen, Umweltzeichen und im betrieblichen Umweltcontrolling berücksichtigt werden.

   Ob die im Rahmen einer Strategie der Ökoeffizienz möglichen informatorischen und organisatorischen Maßnahmen realisiert werden, hängt vor allem auch davon ab, inwieweit die Ressourceninanspruchnahme als Kostenfaktor wahrgenommen wird. Solange negative Folgen der Ressourceninanspruchnahme zu Lasten Dritter erfolgen und dem Nutzer nicht zugerechnet werden (externe Kosten) besteht kein hinreichender wirtschaftlicher Anreiz für einen sparsamen Gebrauch. Die Internalisierung dieser externen Kosten durch die Anwendung rechtlicher und/oder ökonomischer Instrumente ist daher ein wichtige Ansatzpunkt zur Steigerung der Ökoeffizienz.

Rechtliche Instrumente sind vor allem dort angebracht, wo die zu regelnden Tatbestände eindeutig und gravierend sind und die Zahl der Akteure überschaubar ist Der Einsatz ökonomischer Instrumente (z. B. Umweltabgaben) bietet sich vor allem dann an, wenn die zu verringernde Umweltbelastung von einer Vielzahl von Quellen, z. B. breiten Kreisen der Bevölkerung verursacht wird und eine Feinsteuerung des Verhaltens in Richtung Ressourceneffizienz nicht praktikabel ist. Wollte man z. B. die notwendige Verringerung der CO2-Emissionen allein durch Produktions- und Produktauflagen erreichen, müssten Hunderttausende von Einzelauflagen die verschiedenen Formen der Energienutzung regeln. Dies würde die Regelungsfähigkeit der Umweltpolitik überfordern und die Handlungsfreiheit der Wirtschaftssubjekte in einem unzumutbaren Maße beschneiden. Ökonomische Instrumente, die im Sinne einer Grobsteuerung wirtschaftliche Anreize für ein umweltgerechteres Verhalten schaffen, oder Selbstverpflichtungen stellen in einem solchen Fall die besser geeignete Lösung dar (Lübbe-Wolf 1996).

Die erforderliche drastische Steigerung der Ressourcen­ effizienz ist allerdings nicht im Selbstlauf zu erreichen, sondern nur durch eine Kombination energiepolitischer Vorgaben, Anreize und Anregungen. Der notwendige Poli­cy mix für einen nachhaltigen Ressourcenverbrauch besteht aus vielen Instrumenten. Dazu gehören vor allem

–    eine länderübergreifende Zusammenarbeit – durch die Verabschiedung internationaler Verträge und den Transfer von Know-how und Techniken,

–    globale, über den Preis zu steuernde Instrumente, wie z. B. die einkommensneutrale Energiesteuer und handelbare Zertifikate,

–    ordnungsrechtliche Vorschriften, die die maximalen Ressourcenverbräuche in den Bedürfnisfeldern Bauen und Wohnen und Mobilität festschreiben,

–    freiwillige Vereinbarungen von Industrieverbänden, z. B. über CO2-Reduktionsziele und

–    Förderprogramme, z. B. für die Markteinführung regenerativer Energien.

Gerade auch auf internationaler Ebene muss es Instrumentenbündel geben, die auf die jeweiligen Länder und Sektoren sowie auf ihre spezifischen Gegebenheiten abgestimmt sind. Einen Königsweg für alle Regionen und alle Sektoren kann es nicht geben und der Erfolg oder Misserfolg einer Politik der Ressourcenschonung wird nicht zuletzt davon abhängen, ob es gelingt den optimalen Instrumentenmix zu finden und einzusetzen.



124 Dieses entstand mit freundlicher Unterstützung von Dr. Summerer, Umweltbundesamt.

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125 Dies ist die deutsche Übersetzung von: „A tenfold reduction in resource consumption in the industrialized countries is a necessary long-term target if adequate resources are to be released for the needs of developing countries.“

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