9.3.2.1 Das
Weltbevölkerungswachstum verschärft die globale
Wasserkrise
Wasser ist eine
Schlüsselressource für fast alle Entwicklungsfragen. Die
Gesamtproblematik der Süßwasserknappheit und deren Folgen
werden an anderer Stelle dargestellt (Vgl. hierzu Kapitel 7.5). Die folgenden Ausführungen
beschränken sich darum auf einige Aspekte des Zusammenhangs
mit dem Weltbevölkerungswachstum.
Nach einer weithin anerkannten Definition von
Wasserknappheit und -mangel8 leben heute mindestens 500 Millionen
Menschen in 31 Ländern mit Wasserknappheit oder -mangel. Je
nachdem, wie sich die Bevölkerungszahl entwickelt, werden bis
zum Jahr 2025 zwischen 39 und 48 Länder in eine dieser beiden
Kategorien fallen mit einer Gesamtbevölkerung von 2,4 bzw. 3,3
Milliarden Menschen (Engelman, Dye, LeRoy 2000: 30).9
Eine Definition der Vereinten Nationen geht
von einem Mindestsüßwasser-Bedarf pro Person (MWB) von 50
Litern täglich aus, dessen Befriedigung wiederum als
Verwirklichung des Grundrechts auf sauberes Wasser angesehen wird.
Bis zum Jahr 2050 wird nach UN-Schätzungen nahezu jeder zweite
Mensch in Ländern leben, die den MWB-Standard nicht
erfüllen; und diese Schätzung beruht auf der mittleren
UN-Bevölkerungsprojektion, die eine Verringerung der
durchschnittlichen Kinderzahl auf ungefähr zwei pro Frau im
Weltdurchschnitt zugrundelegt. Dabei berücksichtigt der
genannte MWB nur den Süßwasserbedarf für die
individuell-persönliche Nutzung und nicht auch für andere
Formen der Wassernutzung wie Landwirtschaft, Industrie und Schutz
von Ökosystemen.
Die Differenz
macht deutlich, welche hohe Bedeutung einer Verlangsamung des
Bevölkerungswachstums für die Frage ausreichender
Verfügbarkeit von sauberem Wasser zukommt.
Die
Wasserqualität lässt in weiten Teilen der Welt zu
wünschen übrig. Mehr als eine Milliarde Menschen haben
bereits heute – unabhängig von der verfügbaren
Wassermenge – keinen Zugang zu sauberem Wasser (UNFPA 2001:
15, Enquete-Kommission „Globalisierung“ 2001c: 87).
Wassermangel, Wasserknappheit und schlechte Wasserqualität
haben erhebliche negative Auswirkungen u.a. auf die Volksgesundheit
(Enquete-Kommission „Globalisierung“ 2001c: 87) und
damit auch auf die volkswirtschaftliche und sonstige Entwicklung.
Indem Bevölkerungswachstum dies verschärft, unterminiert
es eine nachhaltige Entwicklung.
Bevölkerungspolitik und Wasserkrise
Die
Verfügbarkeit von Süßwasser lässt sich auf
absehbare Zeit nur begrenzt durch technische Lösungen wie z.B.
Entsalzung und nur mit hohen finanziellen – und in der Praxis
auch ökologischen – Kosten steigern. Enorme
Potenziale bergen jedoch Möglichkeiten, den
Effizienz grad der Wassernutzung zu steigern. Dies erfordert
jedoch Zeit, erhebliche Investitionen, „good
governance” und die Überwindung tradierter kultureller
Hürden für Verhaltensänderungen. Eine Verlangsamung
des Bevölkerungswachstums bringt Zeitgewinne auch für die
Entschärfung des Süßwasserproblems mit sonstigen
Maßnahmen und erleichtert damit die Schaffung der übrigen
Voraussetzungen für eine gesteigerte Wassereffizienz. Nach
einer weithin anerkannten Studie von Engelmann und Le Roy
können spezifisch bevölkerungs-politische
Entwicklungsmaßnahmen, insbesondere die Verwirklichung des
„Menschenrechts auf Familienplanung”, zur
Entschärfung der Süßwasserkrise in
Entwicklungsländern mindes-tens ebensoviel beitragen wie alle
anderen Maßnahmen zusammen (Engelman, LeRoy 1995: 56). Diese
Einschätzung mag als übertrieben einzustufen sein. Vor
dem Hintergrund der Bedeutung der Bevölkerungsentwicklung ist
aber bedenklich, dass etwa 30 Prozent des deutschen
Entwicklungshaushalts in Vorhaben auf dem Wassersektor gehen,
während für spezifisch bevölkerungspolitische
Entwicklungsmaßnahmen wie Förderung der Familienplanung
nur jeweils zwei bis drei Prozent aufgewendet werden und
bevölkerungspolitische Maßnahmen in diese Programme zur
Verbesserung der Wasserversorgung häufig nicht integriert
sind.
Eine Verbesserung der effizienten Nutzung des
Rohstoffes Wasser trägt auch zu sozioökonomischen
Verbesserungen und damit indirekt zur Verlangsamung des
Weltbevölkerungswachstums bei. Ohne eine Verringerung der
globalen demographischen Dynamik ist eine Lösung der globalen
Wasserkrise auf absehbare Zeit unrealistisch.
8 Vgl. Engelman, Dye, LeRoy 2000: 25f.; UNFPA 2001:
14.
9 Vgl. mit höheren Zahlen zur aktuell von
Wasserknappheit betroffenen Menschen: UNDP, UNEP, World Bank, World
Resources Institute 2000: 110 ff.
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