9.3.3.3 Erschwerung
ausreichender Bildungsversorgung
Die Verbesserung des allgemeinen
Bildungsniveaus – insbesondere von Mädchen –
spielt für eine Reihe von Fragen eine Schlüsselrolle.
Umgekehrt hat auch das Bevölkerungswachstum Einfluss auf die
Bildungsversorgung.
Wirkungen auf Familienebene
Auf Familienebene sinken unter
Armutsbedingungen die „Investitionen” in die
Entwicklung eines Kindes mit wachsender Familiengröße
(Leisinger 1999: 101). Die Vermeidung ungewollter Schwangerschaften
hat einen unmittelbar positiven Effekt innerhalb einer Familie auch
auf die Bildung und Ausbildung der nachwachsenden Generation. Dies
illustrieren auch Untersuchungen, wonach die Wahrscheinlichkeit des
Schulbesuchs der Kinder erheblich höher ist, wenn die
jeweilige Mutter Familienplanung anwendet – auch wenn hier
verschiedene Faktoren zusammenwirken und darum keine monokausale
Erklärung angemessen ist.
Verbesserung der (Aus-)Bildungsversorgung und
andere Maßnahmen zur Verlangsamung des
Weltbevölkerungswachstums verstärken sich
gegenseitig.
Schnelles Bevölkerungswachstum hat, wie
beschrieben, negative Effekte auf die Einkommensentwicklung und
erschwert auch dadurch in Entwicklungsländern Investitionen
der ohnehin einkommensschwachen Eltern in Bildung und Ausbildung
ihrer Kinder. Auch hier ist die Wirkung wechselseitig.
Wachsende Zahl der Kinder im
Schulalter
Auf gesellschaftlicher Ebene bedeutet rapides
Bevölkerungswachstum im Zusammenspiel mit der
pyramidenförmigen Altersstruktur ein rapides Wachstum der Zahl
der Kinder und Jugendlichen. In der Folge verteilt sich der
Bildungsetat auf eine immer größere Kopfzahl. Eine
Verbesserung der Bildungsversorgung ist aber im Zeichen der
globalisierten Weltwirtschaft mehr denn je conditio sine qua non
dafür, dass Entwicklungsländer nicht von der
weltwirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt bleiben oder
werden.
Hohes Bevölkerungswachstum ist kein
unüberwindbares Hindernis für eine Verbesserung der
Versorgung der Bevölkerung mit Bildungs- und
Ausbildungsangeboten, wie positive Trends in diesem Bereich in der
Vergangenheit zeigten (Nachweise bei O’Neill, MacKellar, Lutz
2001: 89); jedoch erschwert das hohe Bevölkerungswachstum im
Zusammenspiel mit anderen Faktoren die Bildungsversorgung auf
mehreren Ebenen.
Geschlechtsspezifische
Diskriminierung in der Bildungsversorgung
Nach wie vor besuchen erheblich weniger
Mädchen als Jungen Grund- und weiterführende Schulen,
auch wenn in einer Reihe von Ländern diese
geschlechtsspezifische Diskriminierung verringert wurde. Der
Fortschritt der Geschlechtergerechtigkeit in der Bildung, der
für vorangegangene Jahrzehnte festgestellt werden konnte, ist
in den letzten Jahren ins Stocken gekommen, in zahlreichen
Ländern gab es sogar Rückschritte (Ruppert 2001a: 112,
120f.).
Allgemeine Rückschlüsse auf das
Verhältnis zwischen Veränderung der Diskriminierung im
Bildungswesen und der Bevölkerungsentwicklung lassen die
verfügbaren Daten jedoch nicht ohne weiteres zu. Es lässt
sich aber belegen, dass auf Familienebene eine hohe Kinderzahl die
bestehende Diskriminierung von Mädchen in mehrfacher Hinsicht
verstärkt; unter Armutsbedingungen wird bei ihnen in der Regel
zuallererst gespart. Das betrifft sowohl den Schulbesuch wie auch
die Ernährung, die für den Lernerfolg nachweislich von
großem Einfluss ist. Zudem wirkt sich auf Familienebene eine
hohe Kinderzahl in Kombination mit Armut und bestehender
Diskriminierung in der Weise aus, dass die älteren Geschwister
– und hier überproportional die Mädchen –
für die Betreuung der jüngeren eingesetzt werden, statt
dass sie zur Schule gehen. Damit erhöht sich die
Wahrscheinlichkeit, dass sie ein geringeres Einkommen und
schlechteren Zugang zu Familienplanung haben werden (O’Neill,
MacKellar, Lutz 2001: 99ff u.ö.).
Die ohnehin zu fordernde Beseitigung der
geschlechtsspezifischen Diskriminierung (auch) im Bildungsbereich
ist auch bevölkerungspolitisch wünschenswert, weil eine
Erhöhung des Bildungsniveaus der Mutter für verschiedene
Determinanten der Fertilität einflussreicher ist als die des
Vaters.
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