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Das Parlament
Nr. 12-13 / 15.03.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Gerlind Schaidt

Kapitulation vor dem Tag der Kapitulation

Nordrhein-Westfalen: Posse um den Wahltermin für die Landtagswahl 2005

Als ob Nordrhein-Westfalen keine anderen Sorgen hätte, spaltet ausgerechnet ein Streit um den Wahltermin für die Landtagswahl 2005 die Fraktionen im Düsseldorfer Parlament. Zwar geht es nur um ein paar Tage im Mai, aber die Auseinandersetzung ist heftig und spitzt sich durch ein paar gezielt boshafte Äußerungen zusätzlich zu. Gut ein Jahr vor dem Urnengang können sich SPD, CDU, FDP und Grüne nicht einigen, ob am 8. oder am 22. Mai gewählt werden soll. Während Sozialdemokraten, Liberale und Grüne für den 22. Mai plädieren, wollen die Christdemokraten bereits am 8. Mai wählen lassen

In einem Schreiben vom Dezember letzten Jahres hatte Innenminister Fritz Behrens (SPD) den Parteien die beiden Termine vorgeschlagen. In dem Ministerbrief werden Vor- und Nachteile beider Daten erläutert. Für den 8. Mai sprechen folgende Gründe: "Der Landtag könnte sich bereits am Freitag, den 3. Juni, das heißt, am ersten Tag nach Ablauf der Wahlperiode konstituieren." Außerdem heißt es in dem dreiseitigen Brief: "Der neu gewählte Landtag könnte noch vor den Sommerferien ohne Zeitdruck die notwendigen Regularien abwickeln."

Ein Nachteil des frühen Datums: "Wegen des vorherigen Feiertags am Donnerstag, dem 5. Mai (Christi Himmelfahrt), handelt es sich um ein Brückenwochenende, das für Kurzurlaube genutzt werden könnte. Nachteilige Auswirkungen auf die Wahlbeteiligung können deshalb nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Erwartet wird aber, dass für Kurzurlauber in erster Linie das sich unmittelbar anschließende Pfingstwochenende genutzt wird."

Am 22. Mai habe man es dagegen mit keinem verlängerten Wochenende zu tun. Der Minister führte jedoch auch die Nachteile des späteren Termins an: "Durch die Nähe zum Ende der Wahlperiode ist es nicht möglich - wie bisher üblich - die konstituierende Sitzung bereits am Folgetag des Ablaufs der alten Wahlperiode am Freitag, 3. Juli, durchzuführen." Beginn und Ende der künftigen Wahlperioden müssten aus rechtlichen Gründen dauerhaft auf Mitte Juni verschoben werden.

Soweit die rechtliche Lage. Seither schwelt der politische Konflikt. "Wir bleiben beim 8. Mai 2005", trompeten die Christdemokraten. "Der 22. Mai ist unser Vorschlag", kontert die SPD.

Blumen und Wahlschein

Ganz ist die offizielle Begründung der SPD für ihren Termin nicht nachzuvollziehen. So fürchten die Sozialdemokraten eine magere Wahlbeteiligung durch mögliche Kurzurlaube und sprechen außerdem vom 8. Mai als einem historisch stark belasteten Datum, indem sie auf den 60. Jahrestag der Kapitulation der deutschen Wehrmacht verweisen. Dabei sollte es sich auch bei der SPD herumgesprochen haben, dass der 8. Mai seit der berühmten Weizsäcker-Rede als Tag der Befreiung gewertet wird. Außerdem war es der sozialdemokratische Ministerpräsident Johannes Rau, der 1980 - übrigens gegen erheblichen Widerstand der CDU - erstmals den 8. Mai als Wahltermin durchboxte. Damals galt bei Sozialdemokraten der Spruch zum Wahltag: Die Blumen für die Mutter, die Stimme für den Landesvater. Dabei ist es bis heute geblieben. Jetzt gefällt den Christdemokraten der Termin recht gut. Sie meinen, am Muttertag bleibt jeder gute NordrheinWestfale zu Hause, um Mutter zu besuchen.

Hinter dem politischen Gezerre steckt eine durchaus nachvollziehbare Erfolgskalkulation. Die Christdemokraten, die im Augenblick gut drauf sind und nach fast 40 Jahren Opposition eine reelle Chance für einen Regierungswechsel wittern, signalisieren mit ihrem frühen Wahldatum: "Wir sind bereit für den Machtwechsel. Je früher desto besser." Bei der im Stimmungstief gefangenen SPD möchte man verständlicherweise den Wahltermin so weit wie möglich hinausschieben, um durch einen langen Wahlkampf die Chancen zu verbessern.

Die Grünen beobachten den Streit der beiden Großen mit Amüsement. Ein Sprecher: "Für uns ist das keine Glaubensfrage." Dennoch stehen sie aus Koalitionsgründen an der Seite der SPD und plädieren für den 22. Mai. Für die FDP erklärte die Parlamentarische Geschäftsführerin Marianne Thomann-Stahl zugleich augenzwinkernd und realistisch: "Grundsätzlich sind wir der Meinung, je früher die Landesregierung weg ist, desto besser. Da sich aber abzeichnet, dass die anderen Fraktionen für den 22. Mai 2005 sind, tragen wir das mit."

Richtig in die Wolle gerieten sich SPD und CDU neuerlich, als unlängst die Äußerung eines CDU-Mannes in Düsseldorf die Runde machte. Danach soll der ungenannte Christdemokrat erklärt haben "Das Kapitulationsdatum 8. Mai passt gut zum Machtwechsel, den wir in NRW anstreben." Wütend giftete SPD-Fraktionschef Edgar Moron zurück: "Die NRW-CDU verletzt die Regeln des politischen Anstands." Moron sah die Landesregierung durch die Formulierung in eine Reihe mit den Nazis gestellt. Das sei eine bodenlose Unverschämtheit. CDU-Fraktionschef Jürgen Rüttgers lehnte die geforderte Distanzierung von dem anonymen CDU-Zitat ab. "Der Satz ist zwar idiotisch", so Rüttgers, aber: "Ich kann eine Sache nicht dementieren, von der ich nicht weiß, vom wem sie kommt." In den nächsten Wochen will Innenminister Behrens der Regierung einen Einigungsvorschlag vorlegen, der dann vom Kabinett abgesegnet werden muss.

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