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Michael Kauch, FDP
Transkripte der Online-Konferenz zum Thema "Patientenverfügungen"

Name

Frage

Antwort

 Jennifer Dewitz

 Seitwann gibt es die Patientenverfügung und von wehm wurde gemacht?

 siehe zuvor beantwortete Fragen...

 Melanie Deiter

 Ihrer Aussage nach, sollen auch Patientenverfügungen gelten, wenn Leiden vorliegen die nicht unbedingt zum Tode führen Bsp.Wachkomapatienten Bezieht sich dies auch auf Demenzkranke?

 Die FDP ist der Auffassung, dass Verfügungen in jeder Krankheitsphase möglich sein sollten, auch wenn ein Behandlungsverbot möglicherweise zum Tode führt. Das gilt u.a. für das Wachkoma, denn ihre Erkrankung führt nicht zwingend zum Tode. Allerdings ist die Aufrechterhaltung ihrer Lebensfunktionen i.d.R. mit Eingriffen in die körperliche Integrität verbunden, die der Einwilligung des Patienten oder seines gesetzlichen Vertreters bedürfen. Bei Demenzpatienten ist die FDP zurückhaltender. Hier ist zusätzlich zu prüfen, ob die Verfügung dem Patienten noch personal zugerechnet werden kann. Beispiel: ein Neurologe, der genau wusste, was Demenz ist, verfügt einen Behandlungsabbruch in bestimmten Stadien der Demenz. Als der Fall eingetreten ist, weiß er nicht mehr, wer er ist, geschweige, was er verfügt hat - zeigt aber offenbare Lebensfreude. In solchen Fällen würde die Vorpersönlichkeit die aktuelle Persönlichkeit "versklaven". Hier muss dann im Zweifel für das Leben entschieden werden.

 Staff, Susanne

 Wie bekommt man eine Patientenverfügung?

 Patientenverfügungen verfassen Sie selbst. Es gibt zahlreiche Broschüren, die Leitfäden und Textbausteine enthalten. Diese werden u.a. von den Kirchen, vom Bundesjustizministerium, vom Bayerischen Justizministerien, manchen Städten (z.B. Stadt Dortmund?) und von Verbänden wie dem Humanistischen Verband angeboten. Dabei spielen weltanschauliche Fragen eine große Rolle. Sie sollten mehrere Broschüren anfordern und anhand Ihrer Überzeugungen Anregungen aufnehmen und sich für Formulierungen entscheiden.

 Regina Wilhelm

 Seit wann gibt es die Patientenverfügung?

 Es gibt keinen festen Termin, seit dem es Patientenverfügungen gibt. Patientenverfügungen sind Willenserklärungen wie andere im Zivilrecht und fallen somit in den Bereich des Bürgerlichen Gesetzbuches, das seit über 100 Jahren gilt. Die aktuelle Diskussion kam auf, weil es widerstreitende Urteile des Bundesgerichtshof zu ihrer Verbindlichkeit und ihren Voraussetzungen gibt. In der gesellschaftlichen Realität haben Patientenverfügungen seit den neunziger Jahren stark an Bedeutung gewonnen.

 Matthias Seibt

 Landesverband Psychiatrie-Erfahrener NRW e.V. Gußstahlstr. 33 44 793 Bochum Tel/Fax 0234 / 640 5102 Ärzte und Ärztinnen sind zur Zeit die Herren über Leben und Tod. Diese Rolle sollte nur dem einzelnen Menschen für sein jeweils einzelnes Leben zustehen. Der Gesetzgeber muss dies durch eine radikale Stärkung der Patientenverfügung absichern. Das ist Selbstbestimmung. Hier von Euthanasie zu reden ist zynisch. Euthanasie war der ärztliche Massenmord an den schwächsten Mitgliedern der Gesellschaft. Meine Frage an Sie: Wem wollen Sie die Macht geben, den Ärzten oder den betroffenen Menschen? Matthias Seibt, Vorstandsmitglied der Psychiatrie-Erfahrenen NRW e.V.

 Liberale stehen stets für Selbstbestimmung ein - auch bei schweren Leiden oder am Ende des Lebens. Daher meine Antwort ganz klar: jeder Mensch muss soweit wie möglich über Therapiewünsche, - grenzen und -verbote selbst entscheiden können. Das hat in der Tat mit Euthanasie oder aktiver Sterbehilfe nichts zu tun. Denn aktive Sterbehilfe ist aktive Tötung auf Verlangen. Passive Sterbehilfe bedeutet dagegen, durch Unterlassen der Natur ihren Lauf zu lassen

 Silvio Hoffmann

 Meine Frage: Sind Sie der Meinung, das auch dann eine Patientenverfügung gelten soll wenn ein Mensch aus religösen Gründen/anderen Gründen z.B. eine Bluttransfusion oder Organtransplantation im Leben sowieso ablehnt auch dann keine Lebensverlängerten Maßnahmen z.B. im Wachkomma erhalten möchte. Falls Sie diese Frage verneinen können dann müssen sie ja der Ansicht sein das ein Mensch seine Meinung die er schon mal für sich verfasst hat auch nicht mehr verändern wird.

 Patientenverfügungen, die Behandlungsverbote aufgrund religiöser Überzeugungen beinhalten oder etwa für das Wachkoma gelten sollen, müssen meiner Meinung stets gelten - es sei denn, es gibt Hinweise, dass dieser Wille geändert wurde. Wenn solche Hinweise fehlen, muss nach dem verfügten Willen gehandelt werden.

 Elli

 Haben Sie für sich selbst eine Patientenverfügung verfaßt? Warum?

 Seit ich mich mit Patientenverfügungen politisch befasse, kam auch die Frage auf: "wie willst Du denn in solchen Situationen behandelt werden?". Auch für jüngere Menschen wie mich - ich bin 37 - ist das relevant, denn manch kritische Situationen wie z.B. Wachkoma entstehen nach Unfällen, von denen auch jüngere Menschen betroffen sind. Daher arbeitete ich zur Zeit an meiner Verfügung. Das braucht aber Zeit, denn man sollte wirklich genau überlegen und verschiedene Situationen überdenken. So habe ich gerade nach einem Besuch in einem Wachkoma-Haus meine eigenen Wünsche für diese Situation überdacht. Ich hoffe aber, meine Verfügung bis Jahresende "unter Dach und Fach" zu haben.

 Silvio & Kathrin

 Ab wieviel Jahren darf man eine Patientenverfügung verfassen? Falls ein Kind ins Wachkomma fällt deren Eltern bezüglich religösen Motiven eine Lebensverlängerte Maßnahme nicht erwünschen, muß man dann diesen elterlichen Wunsch nachkommen?

 Patientenverfügungen kann verfassen, wer voll geschäftsfähig ist. Bei Minderjährigen ist ein zuvor geäußerte Wille aber sehr wohl beachtlich - je einsichtsfähiger ein Kind oder Jugendlicher ist. Im Zweifel muss für das Leben entschieden werden, wenn Elternwille und Wille des Kindes auseinander fallen. Gleiches gilt, wenn Kinder sich noch nie äußern konnten.

 Melanie Deiter

 Würde der Wille eines geistig behinderten Menschen auch berücksichtigt werden, oder hat in diesem Fall alleine das Vormund das Entscheidungsrecht?

 Bei einem geistig Behinderten wird man i.d.R. keinen wirksam vorausverfügten Willen haben (z.B. in Form einer Patientenverfügung). Hier muss man auf den mutmaßlichen Willen zurückgreifen - und wenn auch dieser nicht zu ermitteln ist, muss müssen Dritte versuchen, im Wohl des Betroffenen zu handeln. Das sind dann der gesetzliche Vertreter und ggf. das Vormundschaftsgericht.

 Kathrin

 Nennenie doch mal bitte ein paar Beispiele für Krankheiten die Irreversible tödliche Grundleiden aufweisen. Damit man sich ein Bild dessen machen kann, was sie darunter verstehen.

 Irreversibel, trotz Behandlung tödliche Grundleiden sind häufig Krebsleiden oder bestimmte Stoffwechsel-Krankheiten. Nicht dazu gehören z.B. Wachkoma oder Demenz. Die FDP ist aber der Auffassung, dass auch etwa beim Wachkoma wirksame Behandlungsbegrenzungen verfügt werden können sollten. Zum Beispiel könnte man verfügen, zwar künstlich ernährt zu werden, aber nicht mehr mit Antibiotika behandelt zu werden oder Operationen über sich ergehen lassen zu müssen.

 Regina Wilhelm

 Wielange ist eine Patientenverfügung gültig?

 Bisher gibt es kein "Verfallsdatum" für Patientenverfügungen. Das soll nach Auffassung der FDP auch so bleiben. Es gibt aber einige Mitgliederder Ethik-Enquete-Kommission, die für eine Aktualisierungpflicht eintreten. Unabhängig davon empfiehlt es sich, die Patientenverfügung regelmäßig mit Datum und Unterschrift zu bestätigen. Die Erfahrung lehrt, dass sie vor Gericht und gegenüber anderen Beteiligten dann stärker beachtet wird.

 Silvio

 Wenn man Patientenverfügungen durch ein Gesetz absichert, wie will man vrhindern, dass dieses Instrument von bösen Angehörigen aus eigennützigen Motiven missbraucht wird?

 Nach unserer Auffassung sollten der Arzt und der gesetzliche Vertreter (Betreuer, Bevollmächtigter) bei Vorliegen einer Patientenverfügung den Willen des Patienten ermitteln. Werden sie sich nicht einig, muss das Vormundschaftsgericht angerufen werden. Auch muss gesichert werden, dass jeder (auch die Pflegenden und nicht bevollmächtigte Angehörige) von sich aus das Gericht zur Überprüfung anrufen kann. Liegt keine Patientenverfügung vor, so muss die Entscheidung des Betreuers oder des Bevollmächtigten stets vom Gericht überprüft werden. Das sollte als Sicherung ausreichen. Zudem kann jeder, der eine Patientenverfügung verfasst, schon heute eine Sicherung einbauen: indem er selbst einen Bevollmächtigten benennt, dem er vertraut, seine Verfügung durchzusetzen. Das müssen ja nicht die Familie oder die Erben sein.

 MalsoreShafika

 Im Schlussbericht werden unter "Fragen der Sterbebegleitung" Maßnahmen zur Verbesserung der Situation Sterbender angesprochen. Ist es nicht ein wenig weltfremd, so etwas, was Kosten verursachen würde, zu diskutieren, wenn gleichzeitig in deutschen Kranken häusern sogar an Schmerz- und Betäubungsmitteln bei Operationen gespart wird? Können wir uns ein humanes Sterben überhaupt noch leisten?

 Die Humanität einer Gesellschaft zeigt sich daran, wie sie mit ihren Sterbenden umgeht. Gute leidmindernde Medizin (die sog. Palliativmedizin) wird mehr Geld kosten, als bisher. Aber das ist eine Frage der Gewichtung innerhalb des Gesundheitswesens. Bei zahlreichen Behandlungen in der Alltagsmedizin können wir auf mehr Eigenverantwortung der Menschen setzen. Menschenwürdiges Sterben darf aber nicht am Geld scheitern. Zudem verursacht die tradierte Haltung mancher Ärzte "Heilversuch bis zu letzt" mehr Kosten als ein zum richtigen Zeitpunkt einsetzende leidmindernde Behandlung.

 R. Valenta

 Wie erklären Sie sich als FDP-Politiker, dass die Sprecher/innen anderer Parteien in der Enquetekommission im Unterschied zu Ihnen jegliches Vertrauen vermissen lassen, dass Menschen in unserem Land (selbst)verantwortlich mit diesen sie existentiell betreffenden Wertefragen umgehen können? Sonst heißt es doch immer, dass ein positives Menschen- und (vor allem auch im christlichen Sinne) Familienbild bestehen sollte - woher also dieses abgrundtiefe Misstrauen in die vernünftige und sinnvolle Gestaltungskraft der Menschen, ihrer Angehörigen und Ärzte?

 Wer in allen anderen Lebensbereichen auf Eigenverantwortung und Autonomie des Menschen setzt, kann nicht in den existenziellsten Fragen auf Fremdbestimmung setzen. Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen sehr wohl den Wunsch haben, später evt. anstehende Entscheidungen über Therapien und evt. Behandlungsabbruch selbst zu treffen. Ich bin oft genug fassungslos über die Haltung, die manche Politiker und Sachverständige gerade in der Enquete-Kommission in Blick auf das Selbstbestimmungsrecht des Menschen an den Tag legen. Leider hat nur die FDP hier eine durchgängige Position für die Selbstbestimmung. Gerade CDU und Grüne in der Kommission stellen die staatliche oder ärztliche Fürsorge in den Mittelpunkt. Die Menschen seien nicht in der Lage, die Zukunft zu überblicken. Die SPD ist in dieser Frage sehr gespalten. Dahinter steckt oft ein unterschiedliches Menschenbild: ist der Mensch in der Lage, selbst existenzielle Entscheidungen zu treffen oder nicht? Im Zweifel entscheide ich mich als Liberaler da für die Selbstbestimmung.

Quelle: http://www.bundestag.de/dialog/Konferenzen/2004/patient/01_fdp_trans
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