Deutscher Bundestag
English    | Français   
 |  Home  |  Sitemap  |  Kontakt  |  Fragen/FAQ
Druckversion  |       
Startseite > DIALOG > Online-Konferenzen > 2004 > Patientenverfügungen >
[ zurück ]   [ Übersicht ]   [ weiter ]

Dr. Wolfgang Wodarg, SPD
Transkripte der Online-Konferenz zum Thema "Patientenverfügungen"

Name

Frage

Antwort

 Christa Schmidt

 Was ist mit Wachkomapatienten oder Selbstmördern, bei denen der Suizid misslungen ist, (z.B. Fall Peter Kahr)? Inwieweit ist in diesen Fällen eine Patientenverfügung als aktueller Wille anzusehen?

 Ganz klar, auch im Krankenhaus darf nicht getötet werden! Der Suizidversuch ist oft eine Kurzschlusshandlung oder gar ein Appel an die Umwelt um Hilfe.

 Jennifer Dewitz

 Was können Angehörige tun um die Patientenverfügung des Patienten zu umgehen, wenn sie dieser nicht zustimmen?

 Grundsätzlich nichts. Der Wille des Patienten ist zu respektieren. Wenn Angehörige anzweifeln, dass eine Patientenverfügung den Willen des Patienten wiedergibt, muss dieses geprüft und gegebenenfalls vom Vormundschaftsgericht entschieden werden.

 AGNES MICHTA

 Wer entscheidet ob Hr. K. weiter leben darf oder nicht?

 Wer ist Herr K und in welchen Umständen befindet er sich?

 Mathias Petereit

 Hallo wozu ist die sterbehilfe gut? in wie weit möchten sie die Selbstbestimung stärken? Ich denke aber das die Patienten selbst über sich bestimmen sollten. In wie weit könnte mann die besser verstehen zum beispiel die Patientenverfügung... weil wenn es drauf ankommt jemandem helfen zu können, dann ist es doch als arzt schwierig sich zu entscheiden in wie weit mann ihm hilft ... obwohl ihm vieleicht garnicht mehr geholfen werden will. naja viel spass noch und ich hoffe ich bekomme eine Antwort. gruß Mathias

 Wenn Menschen sterben wollen, so dass häufig nicht medizinische Gründe, hier gilt es herauszufinden, wie man den Betroffenen helfen kann und zu helfen. Wir wollen, dass die Patientenverfügung nicht gegen das Wohl des Patienten blind umgesetzt werden kann. Trotzdem soll jeder das Recht haben, im Falle einer sicher zum Tode führenden Erkrankung lebensverlängernde Behandlungen auszuschließen. Eine aktive Handlung, die das Leben verkürzt, soll verboten bleiben. In Holland und Belgien sehen wir, dass der gesellschaftliche Druck die Schwelle zum Töten im Krankenhaus immer niedriger werden läßt. Wir wollen nicht, dass schwerkranke Patienten auf diese Weise "entsorgt" werden können.

 Matthias Seibt

 Landesverband Psychiatrie-Erfahrener NRW e.V. Gußstahlstr. 33 44 793 Bochum Tel/Fax 0234 / 640 5102 Sehr geehrter Herr Wodarg, Ärzte und Ärztinnen sind zur Zeit die Herren über Leben und Tod. Diese Rolle sollte nur dem einzelnen Menschen für sein jeweils einzelnes Leben zustehen. Der Gesetzgeber muss dies durch eine radikale Stärkung der Patientenverfügung absichern. Das ist Selbstbestimmung. Hier von Euthanasie zu reden ist zynisch. Euthanasie war der ärztliche Massenmord an den schwächsten Mitgliedern der Gesellschaft. Meine Frage an Sie: Wem wollen Sie die Macht geben, den Ärzten oder den betroffenen Menschen? Matthias Seibt, Vorstandsmitglied der Psychiatrie-Erfahrenen NRW e.V.

 Ihre Frage trifft nicht das ganze Problem, grundsätzlich bestimmen was Ärzte machen sollen und was nicht. Es geht um die Probleme die bei einer Vorausverfügung auftreten. Wer eine Verfügung ausstellt, weiss erfahrungsgemäß nicht wie er sich fühlt wenn es ernst wird. Immer wieder wird von Pflegekräften und Ärzten berichtet die nonverbale Äußerungen des Lebenswillen sehen und den Widerspruch zwischen einer irgendwann einmal niedergelegten Verfügung und den nonverbalen Willensäußerungen spüren. Wir sind uns einig das Ärzte nicht Instrumente für Tötungen werden dürfen, egal wer sie verfügt. Deshalb, wenn der Patient ohnehin sterben wird, kann er verfügen, dass bestimmte Maßnahmen unterbleiben müssen, aber nicht, dass man ihn direkt und indirekt tötet.

 Elli

 Haben Sie für sich selbst eine Patientenverfügung verfaßt? Warum?

 Nein, ich werde das auch nicht tun. Ich werde mit meinen Nächsten über mögliche Situationen am Lebensende sprechen und mich darauf verlassen, dass sie und die verantwortlichen Pflegekräfte und Ärzte in meinem Sinne entscheiden werden.

 rene

 also sollen medizinisches Personal bestimmen wann ein blinzeln als ja oder als nein gedeute werden soll? Damti haben sie genua das von Herrn seibt benannte Problem bestätigt

 Als Arzt, der lange auf einer Intensivstation gearbeitet hat, weiß ich, dass es sehr wohl Möglichkeiten gibt, wie auch aus dem was Nahestehende mitteilen, genügend Hinweise gibt, die einen mutmaßlichen Willen in vielen Fällen sichtbar werden lassen. Es ist wichtig, dass alle Informationen in einem konsil zusammengetragen werden. Durch Vorlage beim Vormundschaftsgericht, sollte ein umsichtiges Verfahren sichergestellt werden.

 SMASHER

 Mit welcher Begründung wird es den betroffenem Menschen verboten über sein eigenes Schicksal zu entscheiden?Dann könnte man die Patientenverfügung oder besser gesagt den letzten Willen ja gleich abschaffen!

 Der Patient soll über sein Schicksal entscheiden, wenn er nicht andere dabei zu Tötungshandlungen mißbraucht. Probleme entstehen dann, wenn angezweifelt wird, dass die schriftliche Verfügung auf die kokrete Entscheidungssituation noch zu trifft.

 Elli

 Und wenn Sie mit Ihren Verwandten besprochen haben, Sie möchten nicht an Gerätschaften künstlich beatmet werden und sie sollen veranlassen, dass die Geräte abgeschaltet werden. Haben die dann das recht dazu ohne solch eine Patientenverfügung?

 Ja, wenn ich sterbenskrank bin und meine Verwandten schriftlich bevollmächtigt habe, solche Entscheidungen für mich zu fällen.

 Matthias Seibt

 Sehr geehrter Herr Wodarg, Was bedeutet, der Patient kann nicht verfügen, dass man ihn indirekt tötet? Ich verstehe unter Ihrer Aussage, dass Ärzte alle lebensverlängernden Maßnahmen durchführen. Auch die gräßlichsten Schmerzen, auch die entwürdigendste Prozedur muss erduldet werden, damit Ärzte ihrem "Heil"auftrag nachkommen. Matthias Seibt

 Zum Bsp., dass man Schmerzmittel zu hoch dosiert, ihn verhungern oder verdursten lässt. Wenn die Medizin nicht mehr den Tod verhindern kann, soll der Patient verfügen können, dass künstliche Lebensverlängerung unterbleibt. Weder aktive Tötung noch Tötung durch Entzug der Basisversorgung, soll von Ärzten und Pflegepersonal verlangt werden dürfen.

 D. Nolar

 Ich verstehe Ihre Sorge, dass Menschen bestimmte Lebensphasen, die durch schweres Leid und Aussichtslosigkeit geprägt sind, gering schätzen. Was aber sagen Sie den Menschen, die für sich bewusst und überlegt entscheiden, eben nicht weiterbehandelt werden zu wollen, auch wenn das Grundleiden nicht zum Tode führt? Die persönliche Wertschätzung solcher Lebenssituationen ist das eine; den Umgang damit für alle restriktiv regeln zu wollen ist das andere. Die von der Enquetekommission geforderte Reichweitenbeschränkung hat ehrenwerte Motive, ist aber nichts anderes als der elende alte Paternalismus. Meinen Sie ernsthaft, Sie wissen es besser als die Betroffenen, was diese wollen und was gut für sie ist?

 Das Gebot "Du sollst nicht töten" schützt vor allem Schwächere. Wer nicht mehr weiterleben will, weil er krank ist, braucht Hilfe. Ziel dieser Hilfe muss sein, dass Leben wieder als lebenswert zu empfinden und nicht das Tötungsverbot außerkraft zu setzen. In der Schweiz kommen "Sterbehelfer" gegen Gebühr zum Lebensmüden und bleiben am Bett sitzen, bis die tötliche Dosis gewirkt hat. Aus vergleichenden Versuchen in Kanada weiß man, dass nur die Hälfte der Patienten die Tabletten auch schlucken, wenn der "Sterbehelfer" den Patienten vorher allein läßt. Die Patienten in der Schweiz scheinen sich verpflichtet zu fühlen, den bestellten Tod auch abzunehmen. Was wäre, wenn jemand käme, der ihnen eine neue Lebensperspektive nähme oder ihr Leid auch nur mindern würde?

 Jens

 Wenn man Patientenverfügungen durch ein Gesetz absichert, wie will man vrhindern, dass dieses Instrument von bösen Angehörigen aus eigennützigen Motiven missbraucht wird? Ich habe von mehreren Fällen, in denen altersdemente Menschen von ihren Angehörigen "ferngesteuert" werden. Nicht jeder, der - aus welchen Gründen auch immer - geistig nicht mehr auf der Höhe ist, ist deswegen in ärztlicher Behandlung, so dass das Krankenhauspersonal u.U. nicht erkennen kann, dass einem z.B. altersdementen Menschen einen Patientenverfügung untergeschoben wurde. Ich sehe die reale Gefahr, dass böse Menschen ihre Alten auf diese Weise "aus dem Weg§ schaffen können.

 Das ist ein wichtiger Grund, weshalb eine Patientenverfügung nicht blind umgesetzt werden darf. Sie muss in der konkreten Situation von Ärzten und Angehörigen und Pflegepersonal überprüft werden, die einen Verfahrensvorschlag machen, der vom Vormundschaftsgericht überprüft wird.

 rene

 Herr Wodarg merken sie eingentlich noch, wie sie AUSSCHLIESSLICH die Ärztliche Machtposition verteidigen? Also genau der Profession, die für den systematischen MASSENMORD von 1939-1948 verantwortlich war. Ihr zitat wie sei willkürlich entshcieden können wollen: "Als Arzt, der lange auf einer Intensivstation gearbeitet hat, weiß ich, dass es sehr wohl Möglichkeiten gibt, wie auch aus dem was Nahestehende mitteilen, genügend Hinweise gibt, die einen mutmaßlichen Willen in vielen Fällen sichtbar werden lassen." Sie wissen wass mutmaßlich gewollt ist- Das ist ein logischer widerspruch in sich! Merken sei da noch?

 Ich glaube das Pflegepersonal und Angehörige ggf. Widersprüche zwischen erklärtem und aktuellem Wille besser spüren, als Ärzte. Deshalb müssen sie einbezogen werden. Ärzte dürfen nicht aus Ehrgeiz oder finanziellen Gründen den Patienten belasten oder unnötig behandeln. Sie dürfen aber auch nicht Patienten töten. Wenn wir selbst unseren Willen nicht äußern können, sind wir auf andere so oder so angewiesen. Es ist unmöglich, vorher zu wissen, wie wir in konkreten Situationen reagieren, deshalb darf die Patientenverfügung nicht "blinden Gehorsam" zur Folge haben.

 Jennifer Dewitz

 Wie lange ist eine Patientenverfügung gültig?

 Frage ist beantwortet.

 schafika stomann

 Ab welchem Alter darf man eine Pateintenverfügung erstellen???

 Einwilligungsfähigkeit liegt vor, sobald die Person Bedeutung, Umfang und Tragweite der Erklärung beurteilen kann, dann kann auch jemand eine Patientenverfügung erstellen.

 Alexander Kille

 Guten Tag, ich habe zwei Punkte im Bezug auf die Patientenverfügungen. Punkt 1: Ich selbst bin als Rettungsassistent im Rettungsdienst tätig. Wir stehen, im Gegensatz zu der Intensivstation, oftmals in einer kurzen Zeit vor der Entscheidung, eine lebenserhaltende Maßnahme oder gar eine Reanimation einzuleiten oder nicht. Wie wird hier eine Rechtssicherheit für das nicht-ärztliche Personal bzw. für den Notarzt geschaffen, wenn eine Patientenverfügung nicht schriftlich vorliegt (beispielsweise Einsatzort nicht in der Wohnung des Patienten)? Punkt 2: Kann ich mich in einer Patientenverfügung auch gegen den Willen meiner Angehörigen aussprechen und was zählt dann? Beispielsweise angenommen, ich möchte ab einem bestimmten Zustand dialysiert werden, kann dies aber nicht mehr selbst äußern, meine Angehörigen bestehen aber auf eine Fortführung der Behandlung. Vielen Dank für die Antwort, einen schönen Gruß aus Baden-Württemberg Alexander Kille

 Im Zweifelsfall haben Sie alles zu tun, um den Patienten am Leben zu halten. Als Notarzt habe ich erlebt, dass man hier häufig vor kaum lösbaren Problemen steht und das Gespräch mit erfahrenen Kollegen hilfreich sein kann.

 Peter Schneider

 Sie, Herr Wodarg, nehmen für sich das das Recht in Anspruch, auf eine Patientenverfügung zu verzichten und es Nahestehenden zu überlassen, für Sie zu entscheiden. Weshalb wollen Sie denjenigen, die auf Selbstbestimmung bestehen -- und zwar in JEDEM Fall, unabhängig davon, was andere Personen über Ihre Entscheidung denken -- dieses Recht streitig machen, indem Sie eine Stärkung der Patientenverfügung verhindern? Diese Haltung liesse sich m.E. nur dadurch rechtfertigen, dass Ihnen die Macht des fürsorglichen Staates und medizinische Fürsorge auch durch Zwang und Anwendung von Gewalt wichtiger ist, als ein freies und selbstbestimmtes Individuum, wie es das Ideal einer bürgerlichen Gesellschaft ist, und das auch das Recht für sich in Anspruch nimmt, Fragen von Leben und Tod und Zugriffe auf seinen Körper selbst zu entscheiden und für diese Entscheidungen die Verantwortung zu übernehmen. Wenn der informed consent Grundlage einer medizinischen Behandlung ZUM WOHLE DES BETROFFENEN sein soll, dürfte die Anerkennung einer Patientenverfügung eigentlich überhaupt kein Diskussionsthema, sondern selbstverständlich sein.

 Auch bei einer Bevollmächtigung Nahestehender kann ich nicht mehr deligieren, als durch eine Patientenverfügung. Ich vertraue Menschen, die mich gut kennen mehr als der Wirkung eines Schriftstücks, welches der konkreten Situation oft nicht gerecht wird.

 SMASHER CASHER & USHER

 könnte man die aktive Sterbehilfe nicht zulassen so wie z.BSp. Holland o. Belgien.da funktioniert das doch auch.wenn bestimmte Auflagen erfüllt sind dann ist es doch kein Verbrechen(rechtlich),die moralische Seite der Geschichte sei dem ausführendem Organ überlassen.

 Gerade in Holland und Belgien zeigt sich, dass "Sterbehilfe" leicht missbraucht werden kann und das dabei von Dritten der mutmaßliche Wille des Betroffenen instrumentalisiert wird. Inzwischen werden dort auch Menschen aktiv getötet, die nie so etwas geäußert haben.

 Adelheid von Stösser

 Sehr geehrter Herr Dr. Wodarg Ihrem Statement stimme ich weitgehend zu, vor allem jedoch der Forderung nach Ausbau der Palliativmedizin und grundlegender Reform der Pflege. Dabei sollte jedoch folgendes Bedacht werden: In den Vorzug der Palliativmedizin oder Hospizbetreuung kommen heute vornehmlich jüngere Patienten, im Endstadium einer Krebserkrankung. Wenn die Medizin kapituliert und dem Krebs oder Aids oder .... nichts mehr entgegen zusetzen weiß, konzentrieren Medizin und Pflege sich auf Schmerztherapie und andere symptomlindernde Maßnahmen sowie auf die mentale Unterstützung des Kranken, um dessen Leiden und Sterben zu erleichtern. Die überwiegende Mehrzahl der Menschen, die in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sterben, erfahren heutzutage nicht die mindeste Form von Sterbebegleitung oder Erleichterung. Das liegt zunächst daran, dass bei Herzerkrankungen, Stoffwechselerkrankungen, Schlaganfall, Demenz und den multimorbiden Erkrankungen an denen vor allem chronisch kranke, alte Menschen leiden, weniger klar gesagt werden kann, wann der Zeitpunkt da ist, an dem man sich auf leidenslindernde und sterbeerleichternde Maßnahmen konzentrieren sollte. Ich möchte hier nur ganz kurz ein Beispiel geben, wie es sich in 2004 zugetragen hat. Es ist die Leidensgeschichte einer 90jährige Frau, die seit 1995 als Alzheimerdemente in ein Pflegeheim kam, zunächst recht mobil und selbstständig war, dann mit Neuroleptika ruhig gestellt wurde, seit 1997 nur noch sitzen konnte, nicht einmal mehr alleine einen Becher alleine zum Mund führen konnte, seit 2000 per PEG Sonde künstlich ernährt wurde, Kontakturen an allen Gelenken hatte, mehrere Druckgeschwüre entwickelte, so dass ihr in 2002 beide Beine bis zu den Oberschenkeln amputiert werden mussten/worden sind (akute Sepsisgefahr). Sie konnte nicht mehr sprechen, nicht klingeln, war jedoch ansprechbar und reagierte auf vertraute Personen intuitiv. In diesem Jahr stellten sich nun zunehmend Probleme mit der Sondenernährung ein, so dass sie insgesamt 7 mal wegen schwerer Aspiration und Lungenentzündung im Krankenhaus stationär behandelt werden musste. Bei ihrem letzten Aufenthalt Anfang August ist sie dann schließlich verstorben, und zwar unbemerkt, in der Nacht. Weder Ärzte noch Pflegekräfte hatten auch nur mit einem Wort angedeutet, dass die Patientin die Krise diesmal wohl nicht würde überstehen können, trotz Antibiotika und allem was immer wieder gemacht wurde. Diese Frau wurde zu keinem Zeitpunkt als Sterbende behandelt. Ihr Siechtum war so langsam und schleichend, dass das Finalstadium als solches nicht einmal wahrgenommen wurde. Und ich versichere Ihnen, dies ist kein Einzelfall. Bis zum letzten Atemzug wird in solchen Fällen die künstliche Ernährung weitergeführt. Denn die Ärzte fühlen sich dem Leben verpflichtet und können das Sterben schwer akzeptieren. Das ist das Problem. Nicht alleine die Pflege, vor allem die Medizin bedarf an dieser Stelle einer grundlegenden Reform. Was gedenkt die Politik zur Lösung dieses Problems zu tun? Im Moment hat es den Anschein als würde von den wenigsten noch nur als Problem gesehen. Mit freundlichen Grüßen Adelheid von Stösser

 Vielen Dank für Ihre Beispiele. Sie haben Recht, so mancher Patient würde keinen Sterbewunsch äußern sondern an jeder Lebeminute hängen, wenn es uns gelänge, ihm Schmerzen und Angst zu nehmen, dass ist die durchgehende Erfahrung in der Palliativmedizin.

 rene

 Gegen angeb. "blinden Gehorsam" gegenüber dem dem äußerten Willen des Patienten setzen sie die ärztliche Willkür - also die medizinische Allmacht. Wie können Sie diesen Machtwahn mit Ihrem Gewissen vereinbaren?

 Das tue ich nicht. Ich möchte, dass wir uns alle Mühe geben, vor einer lebenswichtigen Entscheidung herauszufinden, wie der Patient in der aktuellen Situation wohl entschieden hätte. Das berührt nicht das Tötungsverbot auch für Ärzte.

 D. Nolar

 Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Im übrigen halte ich Ihre Verquickung des Behandlungsverzichts mit der Tötung auf Verlange für geschmacklos und unfair. Ich bin strikt gegen aktive Sterbehilfe. Ich bin ebenso wie Sie für eine Verbesserung der Sterbebegleitung durch Palliativmedizin und Hospizarbeit. Aber wir können doch nicht Menschen, die ernsthaft, frei und bewusst für sich eine medizinische Behandlung in bestimmten Situationen ausschließen möchten, sagen: "Tja, leider wissen wir aber besser, was für sie gut ist." Was Sie anstreben, Herr Wodarg, ist ins Gesetz gegossener Utilitarismus.

 Keiner will es besser Wissen und was verfügt wurde, ist wichtig und soll zur Geltung kommen. Passive und aktive Tötungen dürfen nicht verfügt werden, dass ist die einzige jedoch wesentliche Einschränkung.

 Hannelore Thomas

 Meine Mutter liegt seit über 4 Jahren nach einem Schlaganfall rechtsseitig gelähmt und unfähig zu sprechen in einem Pflegeheim. Sie ist aber in der Lage zu verstehen was man sagt. Sie wird gezwungen zu trinken obwohl sie nicht will oder sie bekommt eine Infusion. Sie hat keine Patientenverfügung, aber früher immer wieder geäußert, dass sie so ein langes Leiden nicht will. Was kann ich als Betreuerin tun? Ist Flüssigkeitszufuhr absolute Pflicht?

 Wenn Ihre Mutter versteht was man sagt, kann sie vermutlich auch äußern, was sie will. Dafür bedarf es keiner Patientenverfügung. Ihre Mutter ist nicht gezwungen im Heim zu leben. Dafür braucht sie natürlich Unterstützung. Nur weil niemand ihr helfen will oder kann, darf man sie in ihrer Verzweiflung nicht verhungern oder verdursten lassen.

 Dr. med. Meinolfus STrätling

 Sehr gehehrter Herr Kollege Wodrag, Sie fordern, die Umsetzung von Patientenverfügungen und Entscheidungne am Lebensende einer relativ rigiden vormundschaftsgerichtlichen Kontrolle zu unterziehen; ansonsten fürchten Sie den berühmten "Dammbruch" hin zur "aktiven Sterbehilfe". Wie kommentieren Sie die der Enquete ebenfalls vorliegenden medizinischen und rechtstatsächlichen Daten, die belegen, dass die Gerichte realistischerweise hierzu niemals auch nur ansatzweise in der Lage sein werden ? Wie äussern Sie sich weiterhin dazu, dass es z.B. in den USA und Großbritannien bisher offenkundig nicht zu dem gefürchten "Dammbruch" gekommen ist, obwohl dort die Rahmenbedingungen der so genannten passiven und indirekten Sterbehilfe (ausdrücklich auch in Bezug auf Patienten mit schweren Demenzen und im PVS) im Wesentlichen denen entsprechen, die - im Gegensatz zu Ihnen - Frau Bundesministerin Zypries jetzt mit ihrem Gesetzentwurf anstrebt ? Mit freundlichem, kollegialen Gruß,

 Wenn sogar Wohnungskündigungen dem Vormundschaftsgericht vorgelegt werden müssen, halte ich die vorgeschlagene Lösung für zumutbar. Die Beurteilung der Prozesse in GB und USA kann ich auf die schnelle nicht liefern, da die Online-Konferenz jetzt ausläuft. Herzlichen Dank für Ihre Fragen, die ausstehenden Antworten werde ich per eMail nachholen.

 Elli

 Aber es wäre doch schöner den Verwandten eine solche Entscheidung abzunehmen. Für diese ist es doch viel schwerer für Sie zu entscheiden, als Sie für sich selbst?!

 Da ich meine eigene Reaktion in derartig extremen Situationen selbst kaum sicher abschätzen kann, ist es natürlich für Angehörige schwierig, für mich zu entscheiden. Ich muss viel mit ihnen über meine Vorstellungen gesprochen haben und bin dann auf sie angewiesen, wie ich es schon als Säugling war.

 Dr. med. B. Sedemund-Adib

 Sehr geehrter Herr Kollege Wodarg, Meine Frage an Sie lautet: Ist Ihnen bekannt, dass Sie - durch viele Studien belegbar - mit Ihren Positionen tatsächlich nur für eine sehr kleine Minderheit sprechen ? Nicht nur die breite Mehrheit der Patienten lehnt die "unbedingte" Durchführung von Maßnahmen, die Sie so vehemenet verteidigen ab; auch die breite Mehrheit der Ärzteschaft würden diese für sich selbst oder Ihre Angehörigen verweigern. Dass diese Massnahmen trotzdem eher regelhaft angeboten werden, ist dem gegenüber auf weit verbreitete rechtliche und psychisch-emotionale Unsicherheiten sowie Wissensdefizite im Bereich der Palliativmedizin zurück zu führen. Unter die letztgenannten fallen ausdrücklich auch die von Ihnen perpetuierten Behauptungen zu Ernährungstherapie bei Patienten mit schwersten Demenzen und therapierefraktären apallischen Syndromen.

 Sie haben mich offenbar missverstanden, ich empfehle Ihnen deshalb die Lektüre der von mir mitbeschlossenen Empfehlung der Enquete-Kommission. Sie ist im Internet unter www.bundestag.de/medizin abrufbar.

Quelle: http://www.bundestag.de/dialog/Konferenzen/2004/patient/01_spd_trans
Seitenanfang [TOP]
Druckversion Druckversion