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Beim PISA-Test schnitten deutsche Schüler schlecht ab, auch die neueste OECD-Studie übt Kritik an unserem Bildungssystem. Es sei zu undynamisch und zu unflexibel und im europäischen Vergleich nur Mittelmaß. Überbezahlt, überaltert und unmotiviert seien die Lehrer, unterdurchschnittlich die Leistungen der Schüler. Experten bemängeln die stiefmütterliche Behandlung der Bildungspolitik in Deutschland. Problemzone Nummer eins: das Schulsystem.
Zuständigkeiten im Bildungssystem zu definieren, ist nicht ganz einfach. Nach Artikel 7 des Grundgesetzes fallen Schulen unter die Aufsicht des Staates. Schulrecht ist allerdings ausschließlich Ländersache. Der Bund hat in den Klassenzimmern nichts zu sagen, er kann nur gemeinsam mit den Ländern über Ziele beraten und entscheiden. Die Länder bestimmen über Lehrpläne, Lehrerbedarf und Ausstattung der Schulen.
Bildung ist in Deutschland in vier verschiedene Phasen unterteilt: der Elementarbereich, der Primarbereich, der Sekundarbereich, der Tertiärbereich und der Bereich der Erwachsenenbildung.
Der Elementarbereich ist die vorschulische Bildung, also der Kindergarten. Der Primarbereich umfasst die Grundschule, die für ihre Schüler nach dem Kindergarten eine Vorbereitung auf die weiterführenden Schulen sein soll. Die Grundschulzeit dauert in der Regel vier Jahre, in Berlin und Brandenburg sechs. Im Jahr 2003/2004 besuchten über 3,1 Millionen Kinder eine Grundschule.
Die nächste Phase der Schulbildung ist der Sekundarbereich. Er wird noch einmal in zwei einzelne Abschnitte unterteilt. Nach der Grundschule wechseln die Schülerinnen und Schüler in eine Schule im Sekundarbereich I. In den meisten Ländern sind dies die Hauptschule, die Realschule, das Gymnasium und die Gesamtschule.
Die Hauptschule vermittelt ihren Schülerinnen und Schülern in meist fünf Schuljahren eine grundlegende Allgemeinbildung, an deren erfolgreichen Abschluss sich in der Regel eine Berufsausbildung anschließt.
Die Realschule dauert sechs Jahre von der fünften bis zur zehnten Klasse und führt zu einem mittleren Schulabschluss, der zum Eintritt in weiterführende schulische Bildungsgänge berechtigt, zum Beispiel in spezielle Berufsfachschulen, in die Fachoberschule oder auch in die gymnasiale Oberstufe.
Der zumeist neun Jahre dauernde Besuch des Gymnasiums vermittelt eine vertiefte allgemeine Bildung. Die gymnasiale Oberstufe, mit der der Sekundarbereich II einsetzt, umfasst in der Mehrheit der Länder die Jahrgangsstufen elf bis 13 (in einigen Ländern die Jahrgangsstufen zehn bis zwölf oder elf und zwölf). Den Abschluss der Oberstufe bildet die Abiturprüfung, nach deren Bestehen die Schüler das Zeugnis der allgemeinen Hochschulreife erwerben. Das Zeugnis berechtigt zum Studium aller Fachrichtungen an den Hochschulen, ermöglicht aber auch den Weg in eine berufliche Ausbildung.
Eine weitere Schulform im Anschluss an die Grundschule ist die Gesamtschule. Sie fasst die drei sonst getrennten weiterführenden Schulen in der Sekundarstufe I zusammen und bietet die Abschlüsse der Haupt- und der Realschule an. Verfügt die Gesamtschule über eine gymnasiale Oberstufe, kann an ihr auch das Abitur erworben werden.
An die Sekundarstufe II schließt sich die vierte Phase der Bildungskarriere, der Tertiärbereich, an. Hierzu zählen Universitäten, Fachhochschulen und Privatuniversitäten. Die Erwachsenenbildung ist eine weitere Phase mit Volkshochschulen, Abendschulen und Programmen zum lebenslangen Lernen.
Im Jahr 2003/2004 besuchten insgesamt etwa 5,25 Millionen Jugendliche eine Schule im Sekundarbereich. Etwa 21 Prozent gingen davon auf eine Hauptschule, 25 Prozent auf eine Realschule und zehn Prozent auf eine Gesamtschule. Mit 44 Prozent besuchten fast die Hälfte aller Schüler ein Gymnasium. Durchschnittlich sitzen in Deutschland 22 Schüler in einer Klasse des Primarbereichs und 25 im Sekundarbereich I. Im Vergleich mit anderen Staaten liegt Deutschland damit im Mittelfeld. Nachholbedarf besteht dagegen beim zahlenmäßigen Schüler-Lehrkräfteverhältnis. Laut der kürzlich veröffentlichten OECD-Studie liegt Deutschland im Primar- und Sekundarbereich jeweils über dem Mittel, das heißt, dass eine Betreuungsperson im Schnitt für mehr Kinder zuständig ist als in anderen untersuchten Staaten.
Weitere Bildungsbaustelle: In keinem anderen Industriestaat entscheidet die soziale Herkunft so sehr über den Schulerfolg und die Bildungschancen wie in Deutschland. Schüler, deren Eltern ein Universitätsstudium abgeschlossenes haben, schneiden im Mathematikvergleich wesentlich besser ab als Kinder von Eltern ohne Hochschulabschluss. Auch lieferten Schüler, deren Eltern im Inland geboren wurden, sowie Schüler, die mit beiden Elternteilen zusammenleben, in Leistungstests deutlich bessere Ergebnisse.
Bund und Länder suchen nun den Weg aus der Bildungsmisere. Um die Qualität des Unterrichts, das Lernumfeld und die individuelle Förderung aller Schülerinnen und Schüler zu verbessern, will die Bundesregierung die Einrichtung und den Ausbau von Ganztagsschulen fördern. Umsetzen müssen dieses Vorhaben jedoch die Bundesländer.
Damit sich Bund und Länder einig werden, gibt es die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK). Derzeit steht vor allem die Einrichtung von bundesweit geltenden Bildungs- und Leistungsstandards auf der Tagesordnung. Auch die von Bundestag und Bundesrat eingesetzte Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung, die so genannte Föderalismuskommission, berät über mögliche Veränderungen der Zuständigkeiten in der Bildungspolitik zwischen Bund und Ländern.
Hier ist Streit vorprogrammiert, denn die Länder beanspruchen diesen Politikbereich vollständig als ihre originäre Kompetenz. Jedoch kann schon allein auf Länderebene von trauter Eintracht keine Rede sein. In der Kultusministerkonferenz, in der sich die Bundesländer untereinander über bildungspolitische Themen abstimmen, herrscht Krisenstimmung: Niedersachsen hat jüngst wegen mangelnder Effektivität seinen Ausstieg aus dem Gremium erklärt.
Text: Birte Betzendahl
Foto: picture-alliance
Erschienen am: 11. Oktober 2004