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Der Ausschusstag fängt früh an. Morgens um acht, spätestens um neun Uhr, füllen sich Dutzende von Sitzungssälen mit Leben. Und vor den Bürogebäuden des Bundestages fahren viele Autos mit Blaulicht auf dem Wagendach vor. Denn die Fachpolitiker werden regelmäßig aus erster Hand über die Vorgänge in den Fachgebieten informiert. Die Minister, mindestens aber deren Staatssekretäre, halten die Abgeordneten auf dem Laufenden. Diese prominente Präsenz ist nicht nur der Stellung des Parlaments geschuldet. Die Regierung hat auch ein eigenes Interesse daran, die Fachausschüsse umfassend ins Bild zu setzen – schließlich werden hier die Gesetzentwürfe erörtert und oft auch verändert, auf deren Grundlage Politik funktioniert. Und nicht zuletzt: Ohne Zustimmung des Parlaments und seiner Ausschüsse kann die Regierung keinen einzigen Cent ausgeben.
Damit sich die Regierungsmitglieder unbeschwert von möglichen Reaktionen in der deutschen und internationalen Öffentlichkeit umfassend informieren können, tagen die Ausschüsse in der Regel nicht öffentlich. Einzelne Ausschüsse, bei denen besonders brisante Informationen eine Rolle spielen, wie es mitunter im Auswärtigen Ausschuss, im Verteidigungsausschuss und zuständigen Innenausschuss der Fall ist, können eine verschärfte Form der Vertraulichkeit wählen. Dann dürfen außer den Abgeordneten keine weiteren Personen, wie zum Beispiel Fraktionsmitarbeiter, an den Sitzungen teilnehmen. Besondere Geheimhaltungsvorschriften gelten auch für parlamentarische Gremien, die zum Beispiel die Nachrichtendienste kontrollieren. Auch Untersuchungsausschüsse, die zur Aufklärung eines klar definierten Themenfeldes oder Vorganges gebildet werden, nehmen ihre Kontrollfunktion nicht nur in öffentlichen Verhandlungen wahr.
Dagegen sind die Expertenanhörungen durch die Ausschüsse in der Regel öffentlich. So kann – etwa durch Übertragungen im Parlamentsfernsehen unter www.bundestag.de – dem Eindruck entgegengetreten werden, dass das Wirken des Bundestages sich im Wesentlichen auf die Reden im Plenum beschränkt. Tatsächlich ist der Bundestag schwerpunktmäßig kein Rede-, sondern ein Arbeitsparlament. Und ein Großteil dieser Arbeit wird in den Ausschüssen geleistet. Zu Beginn jeder Wahlperiode wird festgelegt, wie viele ständige Fachausschüsse gebildet werden. Einige sind vom Grundgesetz vorgeschrieben, wie der Petitions-, der Verteidigungs-, der Auswärtige und der Europa-Ausschuss. Andere ergeben sich aus anderen Vorgaben der Verfassung. So steht dem Bundestag das Budgetrecht zu, wozu er folglich einen Haushaltsausschuss benötigt. Er hat die Wahlergebnisse zu prüfen, über die Immunität der Abgeordneten zu wachen und sich selbst eine Geschäftsordnung zu geben. Viele Fachgebiete für ständige Fachausschüsse ergeben sich somit aus der Natur der Sache.
Es hat sich auch als praktisch erwiesen, zur besseren Kontrolle der Regierung deren innerer Organisation die Ausschussaufteilung spiegelbildlich gegenüberzustellen: dem Gesundheits- und Sozialministerium folglich einen Gesundheits- und Sozialausschuss, dem Wirtschafts- und Arbeitsministerium einen Wirtschafts- und Arbeitsausschuss, dem Innenministerium einen Innenausschuss und so weiter.
Aber der Bundestag ist frei, Politikbereiche, die er für seine Arbeit als herausragend wichtig betrachtet, zusätzlich mit eigenen Fachausschüssen abzudecken. Alle Ausschüsse haben einen originären Arbeitsbereich, den sie auch durch zusätzliche Unterausschüsse und Kommissionen abdecken können. Fällt ein Gesetzesvorhaben in diesen Rahmen, erhält der betroffene Ausschuss für die Fachberatungen und Vorbereitung der letzten Entscheidungen die so genannte Federführung. Andere Ausschüsse, deren Arbeitsschwerpunkt auch betroffen ist, bekommen die Funktion der Mitberatung. Aber nicht nur die Ausschüsse tagen.
Das Präsidium des Bundestages bespricht die wichtigen Angelegenheiten, die für den Bundestag als Ganzes zu entscheiden sind. Die Parlamentarischen Geschäftsführer (PGF) aller Fraktionen kommen zusammen, um die Feinabstimmung für die Abläufe in der aktuellen und der nächsten Sitzungswoche zu organisieren. Die Verständigung gelingt nicht immer auf Anhieb. Es ist ein Geben und Nehmen und ständiges Austarieren der unterschiedlichen Interessen, und manchmal sind auch mehr als zwei PGF-Runden pro Woche nötig.
Zwischen, vor und nach den Ausschusssitzungen nutzen weitere Gremien die verbleibende Zeit, um in ihrer Arbeit weiterzukommen. So etwa die Parlamentariergruppen, die sich für einzelne Länder oder Regionen auf der Welt intensiver interessieren und den Kontakt zu den dortigen Parlamentskollegen und Regierungsvertretern pflegen.
Der Mittwoch ist zudem regelmäßig der erste Plenarsitzungstag der Woche. Es geht los mit der Regierungsbefragung im Anschluss an die Kabinettsitzung. Ein oder mehrere Bundesminister oder Staatssekretäre unterrichten das Hohe Haus am Mittag über die Beschlüsse, die von der Bundesregierung am Vormittag getroffen worden sind. Dabei können die Abgeordneten auch gezielt nachfragen – deshalb die Bezeichnung „Regierungsbefragung“. Es folgt zumeist die Fragestunde, bei der schriftliche Anfragen der Abgeordneten von Regierungsvertretern beantwortet werden und ebenfalls Nachfragen möglich sind – für rund zwei Stunden. An jedem Sitzungstag gibt es sodann die Möglichkeit, eine Aktuelle Stunde in den Sitzungsablauf einzubauen und die ersten regulären Tagesordnungspunkte aufzurufen, also gewissermaßen das Routine-Geschäft der öffentlichen Debatten zu starten.
Einen der Schlusspunkte des Tages setzen die Obleute, also die für jedes Arbeitsgebiet von den Fraktionen benannten Verantwortlichen, die untereinander besprechen, wie weit Gesetzesvorhaben gediehen sind.
Text: Gregor Mayntz
Fotos: Phalanx Fotoagentur
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Immunität: Sie dient dem Schutz der Parlamentarier vor ungerechtfertigter Strafverfolgung und soll die Arbeitsfähigkeit aufrecht erhalten. Ein Abgeordneter kann ohne förmliche Aufhebung seiner Immunität nicht verhaftet werden oder Ziel strafrechtlicher Ermittlungen sein. Es sei denn, er wird bei Begehung einer Tat oder am darauf folgenden Tag festgenommen. Auf Verlangen des Bundestages müssen Verfahren eingestellt werden.
Federführung: Ein Gesetzentwurf wird nach der Einbringung und ersten Lesung zur Detailberatung in Fachausschüsse verwiesen, die von der Materie berührt werden. Einer davon wird mit der Federführung betraut. Er muss nicht nur selbst alles zeitnah unter die Lupe nehmen und etwa Fachleute zu Anhörungen einladen, sondern auch die Stellungnahmen der anderen Ausschüsse rechtzeitig entgegennehmen, anmahnen und bei seiner Empfehlung berücksichtigen.
Präsidium: Das Bundestagspräsidium besteht aus dem Präsidenten und seinen Stellvertreterinnen und Stellvertretern (einer je Fraktion). Es berät über Angelegenheiten, die die Leitung des Hauses betreffen. Das Präsidium tagt in jeder Sitzungswoche und wirkt unter anderem an Personalfragen und beim Abschluss wichtiger Verträge mit. Auch bespricht es zum Beispiel Fragen der Öffentlichkeitsarbeit. Das Präsidium ist für die gesamte Wahlperiode gewählt.