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Das Parlament
Nr. 12 / 21.03.2005

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Helmut Merschmann

Grenzüberschreitende Ästhetik löst sich von Traditionen

Das Berliner Haus der Kulturen der Welt zeigt eine Ausstellung "Über Schönheit" in der Kunst

Über Geschmack lässt sich trefflich streiten. Über Schönheit nicht. Seit dem antiken Goldenen Schnitt hat in der westlichen Kultur ein fester Schönheitsbegriff alle Zeiten und Wenden überdauert. Weder die moderne Kunst mit ihrer Destruktion alles Schönen, noch die unselige Renaissance des griechischen Ideals im Nationalsozialismus oder seine Negation im Zuge der 68er-Generation konnten dem Schönheitsdiskurs wahrhaft etwas anhaben. Allen Anfeindungen zum Trotz existiert er weiter. Heute allerdings ist Schönheit keine Gottesgabe mehr, sondern mehr eine Frage von Geld und Chirurgie. Vor allem die Massenmedien reproduzieren unablässig ästhetische Idealvorstellungen, die bis tief in die Psyche wirken. In der Werbung, auf den Modelaufstegen, in Musikvideos und Seifenopern vermitteln sich Bilder des perfekten Menschen: jung, dynamisch, anmutig. So will jeder sein. Sich gegen diese Bilder zur Wehr zu setzen, erscheint beinahe aussichtslos.

Auch die zeitgenössische Kunst feiert eine Wiederkehr des Schönen. In der Berliner Ausstellung "Über Schönheit" präsentieren 24 internationale Künstler einen vielgestaltigen Blick auf die Schönheit in Zeiten ihrer Kommerzialisierung durch eine bildmächtige visuelle Kultur. Dass der westliche Schönheitsbegriff nicht auf der ganzen Welt gilt, zeigen die Arbeiten asiatischer Künstler, die mit einer grenzüberschreitenden Ästhetik ihre eigenen Traditionen unterlaufen, zugleich die westlichen ablehnen. Zum westlichen Schönheitsbegriff wiederum gehört, dass er von ganzen Künstlergenerationen als diskriminierend empfunden wurde. "Eines Abends nahm ich die Schönheit auf meinen Schoß. Und ich fand sie bitter", lauten Arthur Rimbauds dunkle Worte. Zum hiesigen Bildungskanon gehört eine ausgesprochene Skepsis gegenüber dem Schönen als solchen.

Ist Schönheit nun eine universalistische Eigenheit jenseits des Geschmacks? So haben viele Philosophen das Phänomen beschrieben. Oder ist Schönheit eine soziale Konstruktion, die bestimmte gesellschaftliche Funktionen erfüllt, aber nicht ewig und allerorten gültig ist? Die Ausstellung versucht, das gesamte mögliche Spektrum zwischen Affirmation und Verweigerung auszuloten. Nicht allein die bildende Kunst, sondern auch Fotografie, Architektur, Multimedia und Musik haben sich mit Schönheit befasst und finden sich in der Ausstellung wieder. Vertreten sind Künstler wie Matthew Barney, Nam June Paik, Shirin Neshat oder Zhuang Hui. Ein Begleitprogramm umfasst Tanz und Performance, Künstler- und Podiumsgespräche, Filme sowie die Konferenz "The Re-Turn of Beauty".


"Über Schönheit", Ausstellung im Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin, bis 15. Mai 2005.

Im Internet: www.ueber-beauty.com

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