*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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2.4.1.1    Die Multilaterale und die unilaterale Währungsunion

Bei der Bildung einer Währungsunion sind Unterscheidungen zu treffen: Die volle und multilaterale Integration zu Währungsblöcken beseitigt nicht nur die Transaktionskosten beim Devisenhandel, sondern es entfallen auch die Wechselkursrisiken und mit ihnen die kurzfristige Arbitrage. Jeder Anreiz zur Währungsspekulation wird beseitigt. Die unilaterale Integration hingegen bedeutet die Bindung zumeist „kleinerer“ und schwächerer Währungen an eine „starke“ Ankerwährung.

Die Europäische Währungsunion

In Europa ist 1999 mit der Einführung des Euro eine multilaterale Währungsunion entstanden, ihre weitere Ausgestaltung ist im Flusse. Die heutige Europäische Währungsunion (EWU) bildet damit den vorläufigen Abschluss von Versuchen, innerhalb (zunächst West-)Europas einen einheitlichen Währungsraum zu etablieren, der von einer politischen Integration durch die Europäische Union (EU) flankiert wird.

Schon 1970 begannen mit dem damals von der Europäischen Gemeinschaft (EG) vorgelegten Plan zur Verwirklichung einer europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (WWU, „Werner-Plan“) erste Anläufe für eine multilaterale Währungsunion. Im Geiste keynesianischer Wirtschaftssteuerung war die WWU des Werner-Plans von dem Ziel geprägt, Ungleichheiten der wirtschaftlichen Entwicklung in Europa durch eine integrierte und aktive europäische Wirtschaftspolitik entgegenzuwirken und Wechselkursänderungen auf Dauer zu überwinden. Dazu sollten u. a. Konjunktur-, Währungs-, Haushalts- und Strukturpolitik auf europäischer Ebene harmonisiert werden. Ohne eine solche Integration, so wurde damals konstatiert, sei „die Gefahr der Entstehung von Ungleichgewichten weiterhin gegeben“ (Werner-Plan, zitiert nach Pfetsch 1997: 188).

Der sehr ambitionierte und letztlich gescheiterte Werner Plan war eine Antwort auf die sich schon im Verlauf der 60er Jahre abzeichnende Aushöhlung des Fixkurssystems von Bretton Woods. Nach dessen Zusammenbruch 1973 bildeten sich – entgegen so manchen Erwartungen – auch nach einer Suchphase auf den Märkten keine marktstabile Kursrelationen heraus. Es kam vielmehr zu häufig korrigierten Wechselkursverwerfungen, die mit den stark anwachsenden Kapitalströmen in den 70er und 80er Jahren den europäischen Binnenmarkt und die politische Integration zu gefährden drohten.

Doch ein europäischer Binnenmarkt erfordert beides: sowohl den freien Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedsländern als auch stabile Wechselkurse. Diese waren aber nur zu erreichen, indem die Mitgliedsstaaten ihre eigenständige nationale Währungspolitik aufgaben, da bekanntlich nicht zugleich Offenheit der Ökonomie (also freier Kapitalverkehr), stabile Kurse und eigenständige Währungspolitik aufrecht erhalten werden können. Nach verschiedenen Phasen der währungspolitischen Kooperation (Europäische Währungsschlange nach dem Ende des Bretton Woods-Systems 1973, Europäisches Währungssystem (EWS) ab 1979) war deshalb die Schaffung einer gemeinsamen Währungsinstitution (Europäische Zentralbank – EZB) mit einer einheitlichen Gemeinschaftswährung eine klare Antwort auf diese Herausforderungen der Globalisierung.

So lässt sich z. B. als Erfolg verbuchen, dass sich die Anfälligkeit des Euro-Raums gegenüber Krisen der globa    len (Finanz-)Märkte reduziert hat. Zwar gehen Krisen auch heute nicht spurlos an der EU vorbei und der Euro darf nicht als Instrument missverstanden werden, mit dem man sich in einer „Festung Europa“ gegenüber den Problemen anderer Regionen abschotten könnte. Ohne die strukturellen Verbesserungen, die auf dem Wege der schrittweisen Einführung der Gemeinschaftswährung seit Mitte der 90er Jahre erreicht wurden, wäre die europäische Wirtschaft jedoch stärker von den Währungskrisen des vergangenen Jahrzehnts in Mitleidenschaft gezogen worden.

Auch in seiner Wirkung nach innen gibt es positive Anzeichen. So wurden mit dem Übergang zum Euro Transaktionskosten gesenkt und Wechselkursrisiken beseitigt. Spätestens seit der Euro-Bargeldeinführung am 1. Januar 2002 steigt die Preistransparenz und damit die Vergleichbarkeit von Angeboten in der Eurozone. Dies belebt den innergemeinschaftlichen Handel und stärkt die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie. Durch die Einführung des Euro wurden (grenzüberschreitende) Investitionen und Handelsbeziehungen erleichtert.

Die öffentliche Diskussion um die Rolle des Euro im internationalen Finanzsystem wurde seit seiner Einführung vor allem vom schwachen Wechselkurs des Euro gegenüber dem US-Dollar geprägt. Dabei wurden andere, aus finanzsystematischer Sicht mindestens ebenso wichtige Aspekte vernachlässigt. Zum einen stellt der Euro als Symbol der europäischen Währungsunion die Überwindung eines segmentierten Währungsraums in (West-)Europa dar. Mit der Einführung des Euro gehören nunmehr spekulative Attacken auf einzelne Währungen, wie sie in der ersten Hälfte der neunziger Jahre auf das Europäische Währungssystem unternommen wurden, zur Vergangenheit. Es besteht die Hoffnung, dass die damit erreichten Vorteile an wirtschaftlicher Stabilität den unvermeidlichen Nachteil der damit gleichzeitig abgeschafften Spielräume für nationale Geld- und Fiskalpolitik in Europa überwiegen.

Die Rolle des Euro im internationalen Finanzsystem verdient aber noch in anderer Hinsicht verstärkte Aufmerksamkeit. Mit dem Euro wird die Hoffnung verbunden, dass er als Konkurrent des US-Dollar die Bedeutung Europas in der internationalen Finanzpolitik gegenüber den USA heben könnte. Der US-Dollar ist zwar faktische Leitwährung und sollte in dieser Funktion als stabiler Bezugspunkt für andere Währungen dienen. Doch ist der US-Dollar aufgrund der unilateralen Geld-, Finanz- und Währungspolitik der USA und der hohen Volatilität von Kapitalströmen keineswegs gegen Kursschwankungen, auch nicht gegenüber einer Abwertung gesichert. Der (US-)Dollar ist paradoxerweise eher zu einer Quelle von Instabilität geworden, wie auch im „Global Financial Stability Report“ des IWF (2002) angedeutet wird. Ein wichtiges Problem des heutigen Weltfinanzmarkts ist daher nicht nur die Schwäche seines ordnungspolitischen Rahmens, sondern auch die unilaterale Dominanz des US-Dollar.

Mit dem Euro steht eine neue internationale Reservewährung zur Verfügung, die Zentral- und Geschäftsbanken sowie Unternehmen eine Alternative zum US-Dollar bietet, die vorher nur zum Teil durch die Deutsche Mark, den Französischen Franc und den Niederländischen Gulden30 geboten werden konnte. Mit dem Euro hat sich nun eine Möglichkeit aufgetan, dass es neben dem US-Dollar eine weitere zentrale internationale Handelswährung gibt, in der internationale Kontrakte denominiert und Anleihen begeben werden. Er ist daher für Kapitalanleger eine realistische Alternative zum US-Dollar.

   Eine deutlichere Wirkung nach außen setzt allerdings voraus, dass Europa mit einer Stimme spricht. Viele erhoffen sich von der einheitlichen europäischen Währung eine Stärkung der politischen Integrationsdynamik nach innen und des Gewichts nach außen, sowohl in weltpolitischen Arenen als auch auf globalen Märkten. Zu dieser Entwicklung kann der Euro sicherlich einen Beitrag leisten. Ein politisch und sozial besser integriertes Europa hätte zweifellos höhere Chancen, auf internationaler Ebene Entscheidungen mitzugestalten.

Die mit der Einführung des Euro verbundenen fiskalischen Richtwerte für die Fiskalpolitik („Konvergenzkriterien von Maastricht“) haben bisher aber auch den Eindruck erweckt, dass der Euro einer aktiven Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik eher entgegensteht. In Teilen der Öffentlichkeit wird der Euro daher eher als Zwang zur Haushaltssanierung und weiteren Privatisierung bisher öffentlicher Aufgaben (Soziale Sicherung, öffentliche Daseinsfürsorge etc.) wahrgenommen. Neben seinen Verdiensten bei der Überwindung von Wechselkursschwankungen bekommt der Euro durch die Konvergenzkriterien auch den Ruf eines sozial und regional polarisierenden Faktors.

Die Wahrnehmung des Euro als Synonym für den Sparzwang in öffentlichen Haushalten kann nur dadurch korrigiert werden, dass die europäische Tradition des auf sozialen Ausgleich und Inklusion gerichteten Wohlfahrtsstaats als zentrales Element der europäischen Integration betont wird. Dies wird aber nur gelingen, indem neben der wirtschaftlichen Integration die Entwicklung einer handlungsfähigen und sozial orientierten politischen Union in Eu­ ­ ­ ropa stärker vorangetrieben wird, die auch aktive Wachstums- und Beschäftigungspolitik zur Leitlinie erhebt. In Fragen der Beschäftigungspolitik gibt es europäische Ansätze, die aufgegriffen und weiterentwickelt werden sollen. So wurde im Amsterdamer Vertrag ein Beschäftigungskapitel aufgenommen, auf dessen Grundlage in der Folge drei Säulen der europäischen Beschäftigungspolitik entwickelt wurden:

–    „Luxemburger Prozess“ (Benchmarking im Bereich der Arbeitsmarktpolitik),

–    „Cardiff Prozess“ (Beseitigung von Hemmnissen auf den Arbeits-, Kapital- und Gütermärkten),

–    „Kölner Prozess“ (makroökonomischer Dialog).

Gerade der makroökonomische Dialog des „Kölner Prozesses“ könnte die Chance bieten, eine Verknüpfung von Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik voranzutreiben. Allerdings wird eine aktive Arbeitsmarktpolitik, deren Relevanz angesichts der hohen strukturellen Arbeitslosigkeit unbestritten ist, nur möglich sein, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) auch den Auftrag erhält, mit den ihr möglichen währungs- und geldpolitischen Instrumenten Wachstums- und Beschäftigungspolitik stärker als heute zu unterstützen. Statt dessen hat die EZB in den ersten drei Jahren ihres Bestehens eine außerordentlich restriktive Geldpolitik betrieben. Dies hat das Wirtschaftswachstum im Euroraum gebremst und zum Anhalten der hohen Arbeitslosigkeit beigetragen. Die Politik und Konstruktion der EZB sind daher unter verschiedenen Gesichtspunkten zu kritisieren und bedürfen der Korrektur:

Erstens      ist die durch die Europäische Zentralbank gesetzte Obergrenze von zwei Prozent für die hinnehmbare Inflation so niedrig wie bei keiner anderen großen Zentralbank der Welt. Sie bewirkt, dass die EZB zu früh restriktive Maßnahmen ergreift und damit konjunkturelle Erholungsphasen verzögert oder verhindert und das Wachstum insgesamt bremst. Problematisch ist auch, dass die EZB nicht verpflichtet ist, das niedrige Inflationsziel einer unabhängigen wissenschaftlichen Überprüfung auszusetzen oder in öffentlicher Diskussion zu verteidigen und gegebenenfalls zu revidieren.

Zweitens   ist die ausdrückliche Weigerung der EZB nicht akzeptabel, sich mit den anderen wirtschaftspolitischen Akteuren hinsichtlich eines für    Wachstum und Beschäftigung optimalen Policy-Mix unter Berücksichtigung der währungs- und geldpolitischen Leitlinien abzustimmen. Dies widerspricht sogar ihrer im EU-Vertrag festgelegten Verpflichtung, die allgemeine Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft zu unterstützen, „soweit dies ohne Beeinträchtigung des Zieles der Preisstabilität möglich ist“ (Art. 105, Ab­ ­ s. 1, EUV).

Drittens     ist es im Prinzip problematisch, der Zentralbank jegliche Verantwortung für Beschäftigung und Wachstum abzunehmen und sie ausschließlich auf das Ziel der Preisstabilität zu verpflichten. Denn die verschiedenen wirtschaftspolitischen Ziele stehen in einem engen Zusammenhang (dies wird beispielsweise im deutschen „Stabilitäts- und Wachstumsgesetz“ von 1966 ausdrücklich anerkannt) und können nicht unabhängig voneinander verfolgt und erst recht nicht erreicht werden. Da von keiner Seite – auch von der EZB nicht – bestritten wird, dass Geldpolitik erhebliche Wirkungen auf die Beschäftigung, die Einkommen und den Wohlstand hat, muss dieser Einfluss auch bei den Diskussionen und Entscheidungen der für die Geldpolitik verantwortlichen Organe berücksichtigt werden. Die Zentralbank sollte, wie es auch bei der amerikanischen und englischen Zentralbank der Fall ist, eine wesentliche Mitverantwortung für die wirtschaftliche und soziale Gesamtentwicklung in der EU übernehmen und dazu in die wirtschaftspolitische Koordination eingebunden werden.

Viertens    spielt die Fähigkeit von Zentralbanken, kurzfristig in Schieflage geratenen Banken Liquidität zur Verfügung zu stellen, um eine Sys­ temkrise abzuwenden (sog. Lender of Last Resort), eine sehr wichtige Rolle für die Funktionsfähigkeit eines Finanzsystems. Das Fehlen einer Bestimmung über die Aufgabe der EZB als „Lender of Last Resort“ im Falle einer Finanzkrise mit akuten Liquiditätsproblemen stellt daher eine Lücke im Regelwerk der Europäischen Währungsunion dar, die sich im Notfall als verhängnisvolles Hindernis bei der Überwindung einer solchen Krise erweisen könnte. Dieser Mangel wird derzeit noch dadurch überdeckt, dass die nationalen Zentralbanken zwar viele Funktionen an die EZB abgetreten haben, jedoch im extremen Fall einer finanziellen Notlage die Funktion des Lenders of Last Resort wahrnehmen können. Wenn freilich ein integrierter europäischer Kapitalmarkt hergestellt sein wird, wäre die Rolle der EZB in dieser Hinsicht zu stärken.

                   Dieses Defizit wird u. a. auch vom IWF moniert (Prati, Schinasi 2000). Die verheerenden Folgen der Weltwirtschaftskrise 1929 sind das historische Beispiel dafür, wie sehr das Fehlen eines „Lender of Last Resort“ von einer Finanzkrise in eine soziale und politische Kata­ ­ strophe führen kann.

So wie das „Weißbuch“ der Kommission der EU zu „Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung“ von 1993 dezidiert den in Maastricht beschlossenen rein monetären Konvergenzkriterien soziale, ökologische und beschäftigungspolitische Ziele an die Seite gestellt hat, wäre aus Gründen der Glaubwürdigkeit des europäischen Integrationsprojekts daran unbedingt festzuhalten, dass der Euro dem Ziel eines sozialen Europas verpflichtet ist. Dass ein sozialstaatliches Bekenntnis zudem nicht nur eine ethische Kategorie, sondern ein durchaus dem europäischen Modell zugehöriger Wirtschaftsfaktor ist, darf dabei nicht übersehen werden. Das mit betrieblicher Mitbestimmung, Tarifautonomie und „sozialem Frieden“ umschriebene Modell gesellschaftlicher Teilhabe spiegelt sich gerade in den nach wie vor international wettbewerbsfähigen Lohnstückkosten in Europa wieder. Ohne diese Teilhabe drohen zukünftige Produktivitätsfortschritte und die Innovationsfähigkeit erheblich zu leiden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, das sich die EWU und Europa insgesamt in der Zielvorstellung vom angelsächsisch-atlantischen Kapitalismusmodell unterscheiden. Um den politischen Konsens und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu erhalten und zu verbessern, sollte die EU gerade im Hinblick auf die Finanzmärkte zu einem kooperativen, demokratischen und sozialen Akteur bei der aktiven Gestaltung der Globalisierung werden.

Die unilaterale Währungsunion durch „Dollarisierung“

In Lateinamerika haben einige Länder entweder die nationale Währung zu Gunsten der Einführung des US-Dollar aufgegeben (Panama, Ecuador, Guatemala, El Salvador) oder die nationale Währung fest (über ein „Currency Board“) an den US-Dollar gebunden (Argentinien bis Ende 2001). Dieser Prozess der unilateralen Integration in den US-amerikanischen-Währungsraum wird als volle bzw. (im Fall des Currency Board) unvollständige „Dollarisierung“ bezeichnet. Länder, die diesen Schritt unternehmen, geben dadurch ihre geld- und währungspolitische Souveränität weitgehend (bei fixer Dollarbindung) bis vollständig (wenn der US-Dollar als nationale Währung übernommen wird) auf. Der Schritt zurück ist schwierig, zumal dann, wenn die Dollarisierung vorgenommen wurde, um gegenüber externen Kreditgebern um Vertrauen in die Wertstabilität der Schulden des jeweiligen Landes zu werben.

Eine Abkehr von der Bindung an den US-Dollar würde mit Sicherheit eine Abwertung der bislang fixierten Währung auslösen und daher eine Steigerung externer Schulden bewirken. Etwas anderes als die gesetzliche Bindung ist die faktische Rolle des US-Dollar in vielen Ländern: In nahezu allen lateinamerikanischen Ländern (selbst auf Kuba) gilt der US-Dollar als die Währung, in der größere Kontrakte abgewickelt werden (z. B. Immobiliengeschäfte) oder die zur Vermögenshaltung Verwendung findet.    Das war mit der D-Mark bzw. ist mit dem Euro in einigen süd­ ost- und osteuropäischen Ländern nicht anders.

Bei der unilateralen Währungsintegration gibt es eine Fülle von Problemen für alle Beteiligten, wobei die der USA bzw. der EU (im Falle einer „Euroisierung“) noch die geringsten wären. So lange nur vergleichsweise kleine Länder ihre Währung „dollarisieren“bzw. „euroisieren“, ist der Effekt auf die Geldmenge und den Wechselkurs der Starkwährungsländer zu vernachlässigen. Die dollarisierten bzw. „euroisierten“ Länder hingegen verlieren ihre geld- und währungspolitische Souveränität vollkommen – mit gravierenden Konsequenzen für andere Bereiche der Wirtschaftspolitik (von der Fiskalpolitik bis zur Arbeitsmarktpolitik). Auch stellen sich Fragen nach der Aufteilung von Seignorage-Gewinnen im größeren Währungsraum, sowie die ganz grundsätzliche Frage nach der Rücksichtnahme der Zentralbankpolitik (der FED, der EZB) auf die ökonomische Lage in den dollarisierten (bzw. euroisierten) Ländern.

Die Erfahrungen sind noch zu kurz, als dass stringente Antworten gegeben werden könnten. Historische Untersuchungen zeigen jedoch, dass die unilaterale Übernahme einer starken Währung dann positive Wirkungen hat, wenn auf diese Weise der Handel zwischen natürlichen Handels­ partnern intensiviert wird. Doch sind Ecuador oder Argentinien und die USA „natürliche Handelspartner“?

   Es wäre auf jeden Fall von Nutzen, die Lehren der deutsch-deutschen Währungsunion von 1990 in die internationale Debatte um die Dollarisierung einzubringen. Die hohen Produktivitätsunterschiede in einem Wäh­ rungsraum können nur durch entsprechende Lohn­ dif­ ferenziale wett gemacht werden – oder die Wettbewerbsfähigkeit geht verloren. Zum Ausgleich der Einkommensunterschiede werden hohe Transferleistungen in das weniger produktive Land notwendig. Eine enge Bindung an eine starke Währung kann zwar für Anleger attraktiv sein, kann aber für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes fatale Folgen zeigen (wenn es nicht, wie im deutschen Fall, zu anhaltend hohen Transferzahlungen kommt).

Daher ist die Enquete-Kommission der Auffassung, dass die Dollarisierung viele Gefahren für die jeweiligen Länder mit sich bringt, vor allem einen Verlust der wirtschafts- und geldpolitischen Souveränität, ohne sicher sein zu können, dass die geldpolitischen Instanzen des jeweiligen Hart- und Leitwährungslandes auf die Belange eines „dollarisierten“ Landes Rücksicht nehmen. Besonders nachteilig ist der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit, wenn durch einen hohen Dollarkurs Exporte erschwert und Importe erleichtert werden. Dies hat über kurz oder lang eine defizitäre Leistungsbilanz zur Folge, die nur durch Kapitalimport, also externe Verschuldung finanziert werden kann.

Die in Argentinien 2001 und 2002 gemachten Erfahrungen bestätigen die grundsätzlichen Bedenken gegen eine Dollarisierung. Die harte Dollarbindung des Peso (über ein „Currency Board“, das die Peso-Geldmenge an die Dollar-Deviseneinnahmen bindet) hat zu einer den ökonomischen Verhältnissen Argentiniens nicht entsprechenden Aufwertung geführt und dazu beigetragen, dass die Handelsbilanz hoch defizitär (insbesondere im Handel mit dem wichtigsten Partner des Mercosur, mit Brasilien) geworden ist. Kapitalimporte konnten das Leistungsbilanzdefizit trotz hoher Renditen argentinischer Papiere nicht kompensieren.

Als dann offizielle Kredite der Bretton Woods-Institutionen verweigert wurden, schrumpfte (wegen des Currency Board) die umlaufende Geldmenge in einem Ausmaß, dass die Bevölkerung oftmals gezwungen war, (Internet-basierte) geldlose Tauschringe zu entwickeln und dass Ersatzwährungen geschaffen wurden. Schließlich musste am Jahresende 2001 die Dollarbindung mit Hilfe des Currency Board aufgegeben werden. Die Währungsabwertung konnte zunächst in Grenzen gehalten werden, doch hat sich aus der Währungskrise eine Finanzkrise, eine Bankenkrise, eine Wirtschaftskrise und schließlich eine schwere politische Krise entwickelt. Die Parallelwährungen erschweren eine Kontrolle der Geldmenge seitens der geldpolitischen Instanzen, so dass Argentinien nicht in der Lage ist, die Konditionalität für internationale Kredite zu erfüllen.

Anders als die Dollarisierung sind pluri- oder multilaterale regionale Währungssysteme zu bewerten. Innerhalb eines regionalen Währungssystems – wie es in der Gestalt des EWS von 1979 bis 1999 bestand – verpflichten sich die beteiligten Zentralbanken, die Schwankungen ihrer Währungen in bestimmten Bandbreiten (im Falle des EWS zunächst +/– 2,25 Prozent; später bis zu +/– 15 Prozent) zu halten und zu diesem Zwecke notfalls auf den Devisenmärkten zu intervenieren. Der Versuch, noch vor Ausbruch der Asienkrise 1997 einen „Asiatischen Währungsfonds“ zu etablieren, der zu einem regionalen Währungssystem hätte weiter entwickelt werden können, ist allerdings gescheitert. Ein regionales Währungssystem wird nur so lange stabil bleiben, wie die beteiligten Regierungen und Zentralbanken zu einem Mindestmaß an Koordination der Geld-, Währungs- und Finanzpolitik bereit und in der Lage sind.



30 Dies sind die drei Euro-Währungen, in denen Währungsreserven gehalten wurden (IWF 2001: 103).

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Abbildung 2-14







































































































































































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