*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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2.4.3       Reform der Internationalen Finanzinstitutionen38

Die Bretton Woods Institutionen (Internationaler Währungsfonds und Weltbank) stehen seit geraumer Zeit, aber verstärkt seit den Finanzkrisen der 90er Jahre unter Reformdruck. Es geht darum, ihre Kernaufgaben neu zu bestimmen, also sowohl das Ziel der Entwicklung und eine darauf bezogene Strategie, als auch die Aufgabenteilung zwischen den Institutionen von Bretton Woods und nationalen Regierungen festzulegen. Dies wird inzwischen unter dem Aspekt einer Balance zwischen der Konditionalität der internationalen Finanzmarktinstitutionen bei der Kreditvergabe und „Ownership“, d. h. dem Ausmaß, in dem sich Gesellschaften die notwendigen Maßnahmen zur Krisenüberwindung und Stimulierung von    Entwicklung zu eigen machen, international diskutiert. Der Vorwurf der mangelnden Transparenz, einer ein­ seitigen Gläubigerorientierung und einer ausufernden Konditionalität (so Dr. Horst Köhler, Geschäftsführender Direktor des IWF auf einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung des Deutschen Bundestages am 2. April 2002 in Berlin; Deutscher Bundestag 2001b: 21) hat bereits zu Veränderungen der Politik des Währungsfonds geführt. Die ursprünglichen Mandate von Bank und Fonds werden also verändert werden müssen. Eine klare Arbeitsteilung zwischen IWF und Weltbank ist dabei wünschenswert.

Der IWF hat eine Debatte über eine stärkere Einbindung der Gläubiger in die Bewältigung der Finanzkrisen begonnen, die zu begrüßen ist. Die umfangreichen Stützungskredite des IWF in der Vergangenheit müssen künftig begrenzt werden. Die mit jeder Finanzkrise in den vergangenen beiden Jahrzehnten höheren finanziellen Engagements des IWF und anderer Institutionen haben häufig dazu gedient, Forderungen der Gläubiger zu bedienen und diese vor den Belastungen der Krisenbereinigung zu schützen (vgl. hierzu die Aussage von Joseph Stiglitz zur Russlandkrise in einem Interview39 anlässlich der Vorstellung seines Buches in Berlin am 16. April 2002) und weniger dazu, Schuldnern aus einer Liquiditätskrise zu helfen, bevor diese in eine Solvenzkrise umschlägt.

Der Währungsfonds hat als Reaktion auf die Krisen der neunziger Jahre die Prävention von Finanzkrisen in den Mittelpunkt seines Mandats gestellt. Um diese Funktion zu erfüllen, will der Fonds seine Überwachungsfähigkeit (Surveillance) – u. a. durch zeitnahe Daten- und Informationsflüsse und eine bessere Analyse des Finanzsektors in Schwellen- und Entwicklungsländern – optimieren. Ob ihm dies bislang gelungen ist, darf nach den Erfahrungen mit der Türkei- und Argentinienkrise im Jahre 2001 bezweifelt werden. Hier wird sich auch zeigen müssen, inwieweit die Konditionalität bei der Kreditvergabe einem „Post-Washington-Konsens“ bereits Rechnung trägt und geeignet ist, diesen weiterzuentwickeln.

Der IWF gelangt mehr und mehr zu der Erkenntnis, dass strukturelle Änderungen in verschuldeten und von einer Finanzkrise betroffenen Ländern nicht erzwungen werden können, wenn sie auf massiven Widerstand aus der Gesellschaft stoßen. Die Konditionalität bedarf vielmehr einer Verankerung, eines Minimalkonsenses in den betroffenen Gesellschaften („Ownership“). Noch ist jedoch nicht erkennbar, welche Konditionen auch weiterhin den Kern von IWF-Programmen bilden. Überlegt wird eine Konditionalität, die sich im Wesentlichen auf die finanzielle und fiskalische Dimension von Krisenüberwindungsprogrammen beschränkt und der Eigeninitiative bei den sozialen, politischen, ökologischen Implikationen von Strukturanpassung mehr Spielraum lässt.

Unerlässlich ist also

Erstens      eine Berücksichtigung sozialer und ökologischer Folgen von Strukturanpassungsprogrammen, wie sie sich in der sog. HIPC-Initiative abzuzeichnen beginnt (siehe unten). Der IWF muss

Zweitens   sicherstellen, dass die Kredite nicht in „dunklen Kanälen“ verschwinden und die Vorkehrungen gegen Missbrauch verstärken.

Drittens     Daher ist die Einrichtung einer Evaluationsabteilung („Evaluation Office“), deren Aufgabe eine transparente Bewertung von Erfolgen und Misserfolgen sein sollte, vom Ansatz her zu begrüßen.

Die jetzige Zusammensetzung des Exekutivdirektoriums des IWF wird den ökonomischen Entwicklungen zunehmend weniger gerecht. Die Anteile der Länder und Regionen am Weltsozialprodukt verändern sich. Auch entstehen – nicht nur in Europa – regionale Integrationsblöcke. Daher ist zu erwägen, ob die Verteilung der Stimmrechte den gewandelten Bedingungen angepasst werden sollte.

Das Problem der Zusammenarbeit zwischen Weltbank und Währungsfonds ist erkannt aber nicht gelöst. Die Weltbank ist von ihrer Selbstverpflichtung und ihrer Geschichte her die bedeutendste internationale Entwicklungsinstitution. Darum sollte sie die führende Rolle bei der Armutsbekämpfung spielen. Ihr selbst beschriebenes Ziel ist die Vision einer Welt ohne Armut.40 Doch das Profil der Bank scheint momentan unscharf. Die Vielzahl von Aufträgen, Aufgaben und Mandaten der Bank lässt eine klare Richtung – so eine häufige Kritik – vermissen.

In der Tat hat die Bank in den letzten Jahren versucht, „neue Themen“ zu besetzen. So will die Bank eine führende Rolle bei der Überwindung der sog. digitalen Spaltung („Digital Divide“) zwischen Nord und Süd spielen. Sie will einen entscheidenden Anteil an der Bereitstellung sog. Globaler Güter („Global Public Goods“) haben. Sie wird sich darum bemühen, unter ihrem „Dach“ den auf dem G8-Treffen in Genua beschlossenen globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Malaria und Tuberkulose anzugliedern.

Mit der Vielzahl der Aufgaben vergrößern sich die Schwierigkeiten ihrer angemessenen Finanzierung; auch die damit verbundenen organisatorisch-strukturellen Probleme („Internal Structure“) sind gewachsen. Zur Finanzierung ist von verschiedener Seite der Vorschlag gemacht worden, auf Sonderziehungsrechte zurückzugreifen. Es geht dabei um die Bereitstellung internationaler Liquidität jenseits von nationalen oder supranationalen, regionalen Währungen –    ein Vorschlag, der von Keynes schon vor über einem halben Jahrhundert gemacht wurde, und der unter anderen von Joseph Stiglitz wieder aufgegriffen wurde (Handelsblatt 20. März 2002: Mit globalen Greenbacks gegen die Armut in der Welt) und auch von George Soros – vor allem als ein entwicklungspolitisches Instrument (Soros 2002) – vertreten wird.

Einige weitere Fragen und Probleme können hier nur angedeutet, müssten jedoch vertieft behandelt werden; so die Frage der Kriterien, an denen der Erfolg der Kreditvergabe der Bank gemessen werden kann, oder die Frage, ob in bestimmten Sektoren die Bank stärker mit Zuschüssen als mit Krediten arbeiten müsste. Weitere Themen, die momentan in der Weltbank diskutiert werden, sind die stärkere Konzentration auf bestimmte Länder und Sektoren, die Kooperation zwischen Weltbank und regionalen Entwicklungsbanken und die Zusammenarbeit der Weltbank mit dem Privatsektor (vgl. für einen Teil dieser Fragen Kapitel 2.4.6 über „Entwicklungsfinanzierung“).



38 Vgl. hierzu das Minderheitenvotum der FDP-Fraktion in Kapitel 11.2.2.2.3.

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39 Joseph Stiglitz, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der ColumbiaUniversity und ehemaliger Chefökonom und Vize-Präsident der Weltbank, sagt in diesem Interview: „Russland hat 1998 einen Kredit bekommen. Diese fünf Milliarden Dollar flossen ins Land – und am nächsten Tag schon wieder hinaus auf Schweizer Bankkonten. Denn die Gläubiger, deren Forderungen die russische Regierung mit dem Geld begleichen sollte, brachten ihr Kapital natürlich schnell in Sicherheit. Sie waren in Russland hohe Risiken eingegangen, weil sie wussten, der IWF wird sie nicht im Stich lassen. Stellen Sie sich vor: Eine westliche Gläubigerbank rief beim IWF an und fragte, mit wie viel Geld dieser Russland helfen werde, damit das Land ihnen ihre Kredite zurückzahlen kann“ (taz, 16. April 2002:„Die Welt ist keine Bilanz“).

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40 Am Internet-Portal der Weltbank ( http://www.worldbank.org) wird der Besucher mit dem Motto begrüßt: „Our Dream is a World Free of Poverty“.

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