*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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3.3.3.5    Auswirkungen der Liberalisierung

Mit Liberalisierung des Dienstleistungshandels werden häufig optimistische Erwartungen bezüglich Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigungswirkungen, Preissenkungen oder verbesserter Service-Qualität verknüpft. Studien hierüber offenbaren jedoch ein ambivalentes Bild. Die EU-Kommission legte eine Bewertung der Binnenmarktliberalisierung von Netzwerkindustrien vor, welche Leistungen der Daseinsvorsorge erbringen (Europäische Kom­ mission 2001a). Im Telekommunikationssektor, welcher in den EU-Staaten seit 1998 liberalisiert ist, sind die Marktanteile der etablierten Betriebe immer noch hoch, jedoch hat sich die Zahl der Anbieter vergrößert. Die Liberalisierung hat Fusionen und Übernahmen im Telekommunikationsmarkt stimuliert, wobei die meisten im Inland stattfanden. Positiv beurteilt die Kommission die Beschäftigungswirkungen der Liberalisierung. So habe es mit Ausnahme von Belgien und Schweden in allen EU-Staaten zwischen 1996 und 2000 einen Beschäftigungsanstieg im Telekommunikationssektor gegeben, was allerdings nicht ausnahmslos auf die Liberalisierung zurückgeführt werden kann.

Nach Angaben der EU-Kommission hat es im Elektrizitäts- und Gassektor in der Zeit von 1990 bis 1995 einen Arbeitsplatzverlust von 14 bis 17 Prozent gegeben, weitere 25 Prozent scheinen in den nächsten fünf Jahren gefährdet. Anders als in der EU führte die Liberalisierung des Telekommunikationssektors in anderen Ländern auch zu deutlichen Preissteigerungen (Consumers International 2001). Zu Beschäftigungseffekten, veränderten Qualifikationsanforderungen, wirtschaftsstrukturellen oder ökologischen Wirkungen der Liberalisierung liegen insgesamt nur wenige Erkenntnisse vor. Auch das WTO-Sekretariat stellt fest, dass die Forschung zu den Liberalisierungswirkungen noch am Anfang steht (WTO 1998b).

3.3.3.5.1  Liberalisierungseffekte in Deutschland

WTO Angaben zufolge belegt Deutschland 1999 bei den Dienstleistungsexporten mit 79,3 Milliarden US-Dollar den vierten Rang, bei den Importen den zweiten Rang. Das Defizit in der Dienstleistungsbilanz vermag Deutschland durch die traditionell hohen Überschüsse beim Güterhandel mehr als auszugleichen. Das größte und entscheidende Gewicht in der deutschen Dienstleistungsbilanz hat der Reiseverkehr. Das Defizit hierbei kann jedoch unmöglich als Beleg für Wettbewerbsschwäche interpretiert werden. Der zweitwichtigste Bereich sind die Transportleistungen, die wiederum eng mit dem Warenhandel verknüpft sind. Die Einnahmen aus Transportleistungen für ausländische Kunden machten ca. ein Viertel der Dienstleis­ tungsumsätze aus (Deutsche Bundesbank 2000a). Besondere Aufmerksamkeit wird den verschiedenen technischen Dienstleistungen geschenkt, dem Patent- und Lizenzverkehr mit dem Ausland, den grenzüberschreitenden Zahlungen für Forschung und Entwicklung sowie den Ingenieur- und Datenverarbeitungsleistungen. Seit Mitte der 80er Jahre weist die deutsche Dienstleistungsbilanz in diesen Bereichen Defizite auf. Auch bei den in ihrer Bedeutung zunehmenden Kommunikationsdienstleistungen ist Deutschland stärker als Nachfrager denn als Anbieter aufgetreten.

3.3.3.5.2  Zielregionen deutscher Dienstleistungs­ exporte

Rund die Hälfte der deutschen Dienstleistungsexporte gehen in die Länder der EU, ein knappes Drittel in Indus- trie­ länder außerhalb der EU. Die Staaten Mittel- und    Osteuropas sowie die Entwicklungsländer nehmen rund 18 Prozent der Service-Exporte auf. 56 Prozent der Dienstleistungsimporte stammen aus der EU, 25 Prozent aus den übrigen Industrieländern und wiederum 18Prozent aus Reform- und Entwicklungsländern (Lahmann, Gordaliza 2001).

3.3.3.5.3  Ausländische Direktinvestitionen

Für viele Service-Unternehmen ist die Niederlassung im Ausland eine notwendige Voraussetzung zur Markterschließung. Dies gilt besonders für Banken, Versicherungen und Anbieter unternehmensbezogener Dienste. Nach Angaben von UNCTAD wuchsen die ausländischen Direktinvestitionen bis 1999 auf einen Wert von 800 Milliarden US-Dollar (UNCTAD 2001a) an. Sie fließen zu mehr als 50 Prozent in die Dienstleistungsindustrie. Im Jahr 1999 hielten deutsche Unternehmen Direktinvestitionen im Ausland mit einem Gesamtwert von 405 Milliarden Euro, davon 213 Milliarden Euro in Dienstleis­ tungssektoren (Deutsche Bundesbank 2001e: 40).

3.3.3.5.4  Vorleistungen für die Güterproduktion

Da die Datenlage zur Analyse der Exportorientierung von deutschen Dienstleistungen mangelhaft ist, sind in den letzten Jahren Studien vergeben worden, die versuchen, den Stand und das Potenzial für Dienstleistungen zu analysieren. Weit größer ist das Gewicht der Dienstleistungen, die als Vorleistungsbezüge in der Warenausfuhr enthalten sind. Laut der DIW Input-Output-Berechnung haben Dienstleistungen “an der von der deutschen Ausfuhr erzeugten Wertschöpfung einen Anteil von 41 Prozent; bei der damit verbundenen Beschäftigung sind es gut 36 Prozent und bei der Bruttoproduktion gut 30 Prozent” (Schultz, Weise, 2000: 31). Obgleich die Dienstleis­ tungsbilanz einen negativen Saldo zu verzeichnen hat, kann es dennoch sein, dass in den Jahren mit einem hohen Überschuss im Warenhandel die deutschen Unternehmen mit Dienstleistungen einen Überschuss im Außenhandel erzielt haben (Stille 2000: 9).

3.3.3.5.5  Deutsche Wettbewerbsposition

Die Stärke der deutschen Industrie wird umgekehrt auch als ein Grund für die relative Schwäche der Position v.a. bei den unternehmensnahen und technischen Dienstleis­ tungen angesehen. Die enge Verbundenheit von Dienstleistungen mit der industriellen Exportwirtschaft stellt beim Trend zur Spezialisierung und Ausgliederung unternehmensnaher Dienstleistungen einen Wettbewerbsnachteil gegenüber den auf den spezialisierten Märkten bereits etablierten Unternehmen dar (Schultz, Weise 2000: 36, Baethge u. a. 1999: 17). Entsprechend gering werden die Exportchancen für deutsche unternehmensnahe Dienst­ leister bei weiteren Liberalisierungen dieser Märkte eingeschätzt. Eine Untersuchung des DIW kommt zu dem Schluss: „die Vermutung, dass deutsche Beratungsgesellschaften bei ausgewählten Wissens- und Hochtechnikdienstleistungen einen Wettbewerbsvorsprung haben, der zunehmende Dienstleistungsexporte in die westlichen Industrieländer der EU erwarten lässt, hat sich in der Befragung nicht bestätigt“ (Gornig, von Einem 2000: 70, Stille 2000: 16). Aufgrund der in Branchen unterschiedlichen Wettbewerbsposition der Dienstleister ist fraglich, ob die deutsche Dienstleistungsbranche insgesamt von weiteren Liberalisierungen der Märkte profitiert.

3.3.3.5.6  Beschäftigungseffekte der Liberalisierung

Heute macht der Dienstleistungsbereich ca. 64 Prozent der Beschäftigung in Deutschland aus. Es fehlen aber Studien über die Auswirkungen des internationalen Dienstleistungshandels (Barth 1998: 43). Einige Einsichten liefern allerdings die vom DIW vorgenommenen Input-Output-Rechnungen zur Exportorientierung der Dienstleistungsbeschäftigung (Schultz, Weise 2000). Während die Zahl der von der Ausfuhr abhängigen Warenproduzenten konstant geblieben ist, stieg die Zahl der für die Ausfuhr tätigen Dienstleister seit den 80er Jahre beständig an. Beschäftigungsfolgen der Dienstleistungseinfuhr sind bislang unzureichend untersucht worden. Neben den gesamtwirtschaftlich positiven Auswirkungen der Einfuhr günstiger Dienstleistungen wäre zu analysieren, inwiefern es in den einzelnen Sektoren zu Verdrängungen heimischer Beschäftigung kam. Für Deutschland wird außerdem festgestellt, dass Prognosen über die Beschäftigung in der Medien-, Informations- und Kommunikationswirtschaft spezifische Risiken außer Acht lassen (Baethge u. a. 1999: 8ff.). Es wird vermutet, dass mit einer weiteren Handelsliberalisierung in diesem Bereich die Wettbewerbsvorteile von Niedriglohnanbietern, insbesondere bei intensiverer Nutzung des elektronischen Handels, steigen können.

Während der Dienstleistungssektor bis in die 80er Jahre den Beschäftigungsabbau in anderen Bereichen mehr als ausgleichen konnte, gelingt dies seitdem nicht mehr (Zimmermann 2000: 78). Auch Dienstleistungen sind vor Rationalisierung nicht sicher, so dass sich insbesondere die Beschäftigungsaussichten für Geringqualifizierte verschlechtern. Die Zunahme flexibilisierter Erwerbsstrukturen wie Teilzeitarbeit, geringfügige oder befristete Beschäftigung, Mehrfachbeschäftigung und Scheinselbst­ ständigkeit ist hier besonders ausgeprägt (Baethge u.a. 1999: 4ff.).43

3.3.3.5.7  Zukünftige Auswirkungen der GATS-Liberalisierung

Für Deutschland stellt sich die Frage, inwieweit die zukünftige GATS-Liberalisierung auf die nationale Regulierungsebene durchgreifen kann, insbesondere vor dem Hintergrund der weit vorangeschrittenen europäischen Binnenmarktliberalisierung.

GATS eröffnet Exporteuren außerhalb der EU Zugangsmöglichkeiten zum europäischen Markt. Nicht oder nur teilweise liberalisierte Bereiche können durch Drittstaaten herausgefordert werden – so geschehen während der    GATS-Verhandlungen über Mindestquoten europäischer Länder für heimische Medienprodukte. Die EU übernahm damals keine Verpflichtungen, was z.B. die Filmförderung oder die Länderkompetenzen bei der Rundfunkgesetzgebung absichert. Die mögliche Marktöffnung für Bildungsdienstleistungen kann ebenfalls unabhängig von Binnenmarktbestimmungen erfolgen. In der EU sind Grundfreiheiten und Wettbewerbsregeln nicht auf staatliche Bildungssysteme anwendbar, solange die Erbringung der Bildungsdienstleistungen keinem wirtschaftlichen Zweck folgt (Europäische Kommission 2000b: 13). Das heißt, dass es den EU-Mitgliedern nicht möglich ist, verstärkt private Anbieter z.B. der Erwachsenenbildung oder der beruflichen Weiterqualifizierung aus Drittstaaten auf den Markt zu lassen.

Die multilaterale Ebene des GATS kann durch nationale Akteure strategisch eingesetzt werden, um nationale Regelungen herauszufordern. Die Forderungen deutscher, europäischer, US-amerikanischer und japanischer Dienstleistungskonzerne zu grenzüberschreitenden Personen­ bewegungen gleichen sich weitgehend. Dabei können sich Dienstleistungsunternehmen sämtlicher Regu­ lie­ rungs­ ­ ebenen bedienen. Zudem kann ein auf nationaler und EU-Ebene nicht lösbarer Interessenkonflikt, z.B. regierungsseitige Wünsche zur Lockerung bestehender Arbeitsnormen, durch das Eingehen entsprechender Liberalisierungsverpflichtungen im Rahmen des GATS „gelöst“ werden.

GATS und die Dienstleistungsliberalisierung der EU können als sich ergänzende Liberalisierungsebenen verstanden werden. So können Lücken bei der Binnenmarktliberalisierung über den Weg der GATS-Verhandlungen unter Druck geraten. Etwaige nationale Forderungen nach Rücknahme von Liberalisierungen können durch Verweis auf GATS-Verpflichtungen abgewiesen werden. Eine wesentliche Funktion dieses Abkommens wird daher auch darin gesehen, Liberalisierungsfortschritte, die auf bilateraler oder regionaler Ebene erzielt wurden, zu multilateralisieren. Die Wiedergewinnung staatlicher Regelungskompetenzen ist nach erfolgter Festschreibung im Prinzip nicht vorgesehen. Im Gegenteil: Das GATS-Konzept der fortschreitenden Liberalisierung sieht eine sukzessive Ausweitung von Marktöffnungsverpflichtungen vor.

Wie das European Services Forum im Zusammenhang der grenzüberschreitenden Personenbewegungen feststellte, könnten entsprechende Regelungen wechselseitige Überprüfungsprozesse (sog. „Peer-Pressures“) zwischen den WTO-Mitgliedern vorschreiben, die letztlich innenpolitische Handlungsspielräume begrenzen können. Ein erster Schritt wurde mit den Länderlisten spezifischer Verpflichtungen geschaffen. Diese legen das nationale Außenhandelsregime offen. Wird das Außenhandelsregime durch Gesetzesnovellierungen restriktiver ausgestaltet, liegt ein völkerrechtlicher Verstoß vor (Koehler 1999: 236). Hinzu kommen die Notifizierungsanforderungen des GATS, die dazu führen können, dass nationale Regelungen schon im Entwurfsstadium mit interessierten WTO-Mitgliedern diskutiert werden müssten. Zweifelhaft ist, ob Restriktionen für die nationale Regulierungsebene durch spezifische Schutzmechanismen verhindert werden können. Ob von Gewerkschaften geforderte Schutzklauseln bei Markt- oder Arbeitsmarktstörungen im Konfliktfall angewendet würde, hängt von Bedingungen ab. Zudem verlangt die nationale Anwendung einer Schutzklausel das Einvernehmen mit den EU-Staaten. Für die EU-Mitgliedstaaten kommt als Problem hinzu, dass sich die hohe Binnenmarktliberalisierung mancher Sektoren in den GATS-Verhandlungen als Risiko erweisen kann. Wenn die Kommission mit Verweis auf eigene Liberalisierungsfortschritte hohe Forderungen an Drittstaaten stellt, werden diese weitreichende Begehrlichkeiten gegenüber der EU formulieren. Ferner stellt das GATS einen Rahmen dar, der auch bi- und plurilaterale Abkommen ermöglicht. Plurilaterale Abkommen zu Basistelekommunikation und Finanzdienstleistungen wurden v.a. von wettbewerbsstarken Ländern vorangetrieben.

3.3.3.5.8 Folgen der Dienstleistungs­ liberalisierung in Entwicklungsländern

Vorbehalte der Entwicklungsländer gegenüber einer forcierten Dienstleistungsliberalisierung bedeuten keineswegs, dass sie nicht auch Chancen mit diesem Bereich verbinden. So wünschen sie sich ebenfalls bessere Marktzugangsmöglichkeiten. Jedoch artikulieren sie das Interesse, ihre inländischen Anbieter vor zu starker Konkurrenz aus dem Norden zu schützen. Daher ist ihre Haltung durch einen differenzierten Ansatz geprägt, der ebenso Exportchancen wie auch den Schutz nicht wettbewerbsfähiger Anbieter beinhaltet.

3.3.3.5.9  Exportchancen

Für viele Länder stellt der Service-Bereich eine der wenigen Möglichkeiten dar, ihre Exportpalette zu diversifizieren. Potenzielle Exportchancen werden den Ländern des Südens v.a. in sechs Service-Bereichen attestiert, in denen ihre Wettbewerbsvorteile jedoch häufig von der Möglichkeit grenzüberschreitender Arbeitskräftebewegungen bestimmt werden (UNCTAD 1999):

–    Professionelle und Unternehmensdienstleistungen, v.a. im EDV- und Back-Office-Bereich;

–    Gesundheitsdienstleistungen;

–    Tourismus;

–    Bauwesen;

–    Audiovisuelle Dienstleistungen und

–    Transport.

Im EDV- und Back-Office-Bereich geht man von einer geringen Zahl potenzieller Anbieter auf Seiten von Entwicklungsländern ausgegangen. Daneben sind Industrie­ länder nur geringe Marktöffnungsverpflichtungen bei Gesundheitsdiensten eingegangen. Im Bauwesen sind mehr Verpflichtungen bei der Niederlassungsfreiheit (Mode 3) eingegangen worden als bei der für Entwicklungsländer besonders relevanten Erbringsart 4, den befristeten Arbeitsaufenthalten im Ausland. Was den Seetransport angeht, profitieren sie von der Praxis des Ausflaggens (WTO 1999, UNCTAD 1999).

   Weitere Marktzugangshindernisse legen sich Dienstleis­ tungsanbietern aus dem Süden durch die subventionierten Konkurrenten aus dem Norden in den Weg. So können sie nicht mit Baufirmen konkurrieren, die durch Exportfördermaßnahmen und Ausfallbürgschaften subventioniert werden. Desweiteren gelten preisbasierte Maßnahmen als Zutrittsbarrieren, wie Visa-, Lande-, Lizenzgebühren, Hafensteuern etc. Hinzu kommen technische Standards, mangelnder Zugang zu Informations- und Vertriebskanälen, kaum Zugang zu öffentlichen Aufträgen und fehlende Möglichkeiten, die Finanzierungspakete für größere Projekte mitzuliefern (UNCTAD 1999). Bei den grenzüberschreitenden Bewegungen natürlicher Personen (Mode 4) sind kaum Zugeständnisse gemacht worden. Die Beschränkungen der Erbringungsart 4 können in Form restriktiver Visa- oder Lizenzauflagen und mangelnder Anerkennung von Berufsqualifikationen auftreten. Hierbei ist auch die Frage des „Brain Drain“ zu berücksichtigen, welcher besonders bei qualifizierten Arbeitskräften auftreten kann.

3.3.3.5.10  Risiken der Marktöffnung

Die Öffnung der Märkte für ausländische Dienstleistungen bringt spezifische ökonomische, soziale und ökologische Risiken mit sich. Im Mittelpunkt stehen Befürchtungen, den Einfluss auf bestimmte öffentliche Versorgungsleis­ tungen zu verlieren. Ferner bestehen starke Vorbehalte hinsichtlich einer Liberalisierung der öffentlichen Auftragsvergabe. Anders als im GATT sind keine Sonder­ behandlung für arme Länder enthalten. Es gibt keine verbindlichen Regelungen über die zeitlich befristete Rücknahme von Liberalisierungsverpflichtungen in Notlagen. Zwar schreibt Artikel X Verhandlungen zu Notstandsmaßnahmen vor, bis heute ist es zu keiner Einigung gekommen (WTO Reporter 2000).

Künftig relevant wird der mögliche Druck auf staatliche Regulierungen (v.a. Artikel VI). Die in Verhandlungen u.U. geforderten Beschränkungen für innerstaatliche Regulierungen lassen sich möglicherweise nur bei schon vorhandenen regulatorischen Strukturen und Kompetenzen abwehren. Die Erbringungsart 3 („Mode“ 3) verlangt spezifische inländische Auflagen, um die ausländischen Direktinvestitionen in entwicklungsförderliche Bahnen zu lenken. Dazu gehören Bestimmungen zur Höhe ausländischer Beteiligungen, Einstellungsquoten einheimischer Arbeitskräfte, zur Verwendung inländischer Vorprodukte, zur Einhaltung bestimmter Gesetze zum Arbeits- oder Umweltschutz sowie Handels- und Zahlungsbilanzauflagen. Letztere sollen sicherstellen, dass keine außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte durch hohe Importe oder hohe Devisenausgaben entstehen. Die Befürchtung der Entwicklungsländer ist, dass nach dem gescheiterten Multilateralen Abkommen über Investitionen, mit dem GATS ein weiterer Versuch unternommen wird, global verbindliche Regelungen zugunsten von Investoren zu etablieren, die die nationale Investitionslenkung unterminieren (Hochuli 2000).



43 Vgl. hierzu auch Kapitel 3.1.4.

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