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Brigitta Voigt
Grenzschützer im Einsatz
Gegen illegale Einwanderer
Michael F. sieht in die vor ihm stehende Menschenreihe. Die
meisten der Wartenden nehmen die Anstellerei gelassen in Kauf. Nur
am Schluss steht ein jüngerer Mann, der sich nervös
umschaut und ständig seine Stirn mit dem Taschentuch abwischt.
Es ist heute wirklich wieder schwül, denkt Michael und schenkt
dem Mann weiter keine Beachtung.
Erst, als dieser der Lufthansa-Mitarbeiterin seinen Pass und
sein Ticket zeigt, fällt Michael auf, dass er am ganzen
Körper nassgeschwitzt ist. Angstschweiß? Michael
lässt sich den Pass zeigen. Der junge Mann ist verunsichert,
versucht, ihm das Dokument wieder zu entreißen, will seinen
Koffer schnappen und nur noch weg. Doch die herbeigerufene
Flughafenpolizei nimmt ihn mit. Michael gibt ihnen den Pass und
weist sie auf die äußerst geschickte Fälschung
hin.
So hätte es sein können! Michael F. war als
Dokumentenberater des Bundesgrenzschutzes (BGS) in Accra (Ghana)
tätig und hat so manche eben beschriebene Situation erlebt. In
Länder, in denen Bevölkerungswachstum, wirtschaftliche
Perspektivlosigkeit, Verelendung, Angst vor Unruhen sowie ethnische
oder religiöse Konflikte Ursache für legale, aber auch
illegale Migration nach Deutschland sind, entsendet der
Bundesgrenzschutz (BGS) auf Ersuchen von Luftfahrtunternehmen
Beamte, um vor Ort illegale Einreisen auf dem Luftweg zu
unterbinden. Das hat dazu geführt, dass die Zahlen der
unerlaubten Beförderungen durch deutsche und ausländische
Fluggesellschaften drastisch gesunken sind. Besonders spürbar
am Frankfurter Flughafen. Ergänzend zu diesen Maßnahmen
im Ausland stehen BGS-Mitarbeiter Luftfahrtunternehmen auf sieben
deutschen Flughäfen beratend zur Seite. Dokumentenberater
unterstützen gleichzeitig auch die Visastellen deutscher
Botschaften und Konsulate im Ausland; mittlerweile in 18
Ländern.
Doch Dokumentenberater sind beileibe nicht die einzigen
BGS-Beamten, deren Tätigkeitsfeld sich im Ausland befindet.
Über 400 Leute schickt der BGS ins Ausland, ob als Betreuer
für die Lufthansa, zum Botschaftsschutz, als Verbindungsbeamte
oder für Projekte der Europäischen Union, wo es um den
Aufbau oder die Ausbildung von Grenzschutzbeamten des jeweiligen
Landes geht, beispielsweise in Bukarest, Tiflis oder Sofia.
Wolfgang H., Polizeihauptmeister im BGS, hat beispielsweise
zusammen mit einem Kollegen Fahrzeuge für die aufzubauende
Polizei nach Afghanistan gebracht und mitgeholfen, eine Werkstatt
für Polizeifahrzeuge einzurichten. Verkehrsüberwachung,
Strafverfolgungsmaßnahmen, Gefangenentransport und
Observation, all das ist erst möglich geworden dank deutscher
praktischer Hilfe. Mittlerweile gibt es in Kabul auch eine
Polizeiakademie, wo örtliche Führungskräfte
ausgebildet werden. BGS und Polizei aus Deutschland arbeiten
zusammen, ähnlich, wie bei anderen Projekten, wenn neue
Polizeistrukturen im Entstehen sind, wenn es um Ausbildung und auch
operative Maßnahmen geht.
Anti-Terror-Paket
Auch der Schutz deutscher Auslandsvertretungen nimmt immer mehr
Raum im Aufgabenfeld des BGS im Ausland ein. Zu den etwa 240
Leuten, die für den Schutz der Vertretungen vom BGS abgestellt
sind und im normalen Dienst des BGS in Deutschland fehlen, kommen
BGS-Beamte hinzu, die gemäß Anti-Terror-Paket von
Innenminister Otto Schily nach den Terrorakten am 11. September
2001 für mehr Sicherheit im Ausland sorgen sollen.
Eine besondere Rolle spielen die grenzpolizeilichen
Verbindungsbeamten des BGS. Ähnlich wie beim Bundeskriminalamt
oder dem Bundesnachrichtendienst entsendet auch der BGS Beamte ins
Ausland, die vor Ort eine enge Beziehung zum jeweiligen Partner
aufbauen. "Das ist auch ein Weg", kennzeichnet Bodo Karping seine
Tätigkeit als grenzpolizeilicher Verbindungsbeamter von
September 2002 bis November 2003 in Moskau, "um präventiv
außerhalb der Grenzen Deutschlands wirksam zu werden". Derzeit
in 14 Staaten aktiv, ist es das Ziel dieser BGS-Leute, in
Ländern, die entweder Transitland, Herkunftsland oder auch
Zielland für Migration sein können, Informationen aus
diesen Ländern zu bekommen oder solche aus Deutschland
weiterzuleiten.
Bodo Karping nennt eines der beliebtesten Beispiele: Viele junge
Leute aus Afrika haben in Moskau studiert und werden nunmehr als
Schleuser tätig. Beispielsweise Äthiopier kommen nach
Moskau, erhalten dort von den als Schleuser tätigen
Landsleuten neue Papiere sowie einen Studiennachweis, buchen dann
eine Rückreise nicht etwa im Direktflug Moskau-Addis Abeba,
sondern über Frankfurt/Main, beantragen in der deutschen
Botschaft ein Transitvisum und landen dann in Frankfurt ohne
Reisepass, was ihnen zu einem Aufenthalt in Deutschland verhilft.
Der Verbindungsbeamte in Moskau aber kann, aufgrund der Papiere
für Personen, denen ein Transitvisum erteilt wurde, diese
Informationen nach Frankfurt weiterleiten, so dass der Trick mit
den nicht vorhandenen Papieren kein Erfolg bei der versuchten
Einreise nach Deutschland erzielen wird. Das ist sicher nur ein
Betätigungsfeld, aber ein wichtiges.
Die Tätigkeit ist beileibe nicht unproblematisch, weil
immer wieder Kompetenzrangeleien zwischen dem Auswärtigen Amt
und dem Innenministerium zu Reibungen und Missstimmungen
führen. "Wir als BGS sehen die Einreise von Leuten unter dem
Sicherheitsaspekt und würden bei Visaerteilungen viel
länger prüfen als das Auswärtige Amt, bei dem
verständlicherweise primär die Reisefreiheit im
Vordergrund steht", kommentiert Josef Scheuring, Vorsitzender der
Gewerkschaft der Polizei/Bezirk BGS, diese Tatsache. "Das
führt ganz natürlich zu Mißverständnissen".
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