Erik Spemann
Stoiber hält am Sparkurs fest
Bayern: Winterklausuren der
Landtagsfraktionen
In Bayern spitzt sich der Streit um die Bildung
zu. Das Thema beherrschte auch über weite Strecken die
Winterklausuren der Landtagsfraktionen, die dazu sehr verschiedene
Konzepte auf den Tisch legten. Daneben entwickelten sich unter
anderem auch konträre Lösungsansätze in der
Energiepolitik. Einhellig positiv bewerteten die drei Lager
lediglich das Ergebnis einer Infratest-Umfrage im Auftrag des
Bayerischen Rundfunks zur politischen Stimmung in Bayern.
Danach erreichte die CSU bei der
Sonntagsfrage 56 Prozent - nur zwei Prozent weniger als im Juli
2004, was Parteichef und Ministerpräsident Edmund Stoiber als
persönliche Bestätigung seines Sparkurses verstand: ab
2006 ein ausgeglichener Haushalt ohne neue Staatsschulden. Die SPD
verbesserte sich um fünf Punkte auf 22 Prozent, was
SPD-Fraktionschef Franz Maget mit dem Satz kommentierte: "Wenn man
aus dem Keller kommt, ist es schon schön, zumindest wieder auf
der Treppe zum ersten Stock zu stehen." Und
Grünen-Fraktionschef Sepp Dürr wertete die zehn Prozent
für seine Partei als "hervorragende Ausgangsposition für
die nächsten Wahlen".
Im Vorfeld der Klausuren waren massive
Elternproteste über Unterrichtsausfälle an den Schulen
gestanden sowie ein brieflicher Notruf des
Bildungsausschussvorsitzenden Siegfried Schneider (CSU) an den
Ministerpräsidenten über die ungenügende
Lehrerversorgung. Stoiber reagierte mit einem Zornesausbruch (vor
unbemerkt laufender Fernsehkamera), worauf das Kultusministerium
einräumte, dass zur Sicherung des Pflichtunterrichts 818
Lehrer fehlten. Nach Angaben der Lehrerverbände fehlten sogar
1.100 Kräfte, vor allem an Gymnasien und Realschulen. Selbst
in der CSU sah man das alles als einigermaßen peinlich an,
zumal sich die Staatsregierung gern als bildungspolitischer
Spitzenreiter mit besten Pisatest-Ergebnissen
präsentiert.
Um einerseits den konsequenten Sparkurs nicht
zu verlassen, andererseits die Lehrer-Lücke zu schließen,
entwickelte Kultusministerin Monika Hohlmeier mit Finanzminister
Kurt Faltlhauser und der Staatskanzlei ein Konzept, das die
CSU-Fraktion auf ihrer Klausur in Kreuth absegnete. Es sieht ab
Herbst 500 neue Lehrer mit Jahresverträgen vor, doch nur 300
davon werden über "frisches Geld" finanziert. 200 Lehrer
finanzieren die übrigen Ressorts durch zusätzliche
Einsparungen. Und die restlichen 318 sollen sich unter anderem
durch Mehrarbeit der Referendare, Abbau von Mini-Klassen,
Kürzung so genannter Anrechnungsstunden und womöglich den
Einsatz von Beamten ergeben, die in anderen Bereichen wie der
Forstverwaltung durch die Verwaltungsreform überflüssig
werden. Fraktionschef Maget machte vorsichtshalber schon einmal
darauf aufmerksam, dass es sich bei den betroffenen Schulen "nicht
um Baumschulen" handle.
Man gehe mit diesem Konzept, das auf Grund
seiner "Richtlinienentscheidung" zustandegekommen sei, "in die
absolute Offensive", sagte Stoiber bei der Präsentation, es
stelle einen "schweren Kraftakt und einen großen solidarischen
Beitrag" dar. Dagegen reagierten Lehrer- und Elternverbände
enttäuscht und sprachen von einem Tropfen auf den heißen
Stein. Vor allem aber die Opposition zerriss das Regierungskonzept.
Maget sah darin "reine Augenwischerei", nachdem mit dem
Doppelhaushalt 2005/2006 wieder 1200 Lehrer eingespart würden
und die Stellenzahl insgesamt zurückgehe. Dagegen forderte die
SPD-Fraktion auf ihrer Klausurtagung im schwäbischen Kloster
Irsee eine "Bildungsmilliarde" zur nachhaltigen Verbesserung von
Unterrichtsversorgung und Unterrichtsqualität (Titel:
"Für ein gescheites Bayern"). Maget plädierte für
einen "bildungspolitischen Aufbruch", der von der Kinderbetreuung
bis zu den Hochschulen reiche.
Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause
kritisierte das CSU-Lehrerkonzept als "peinliches Notprogramm" und
"Fortsetzung der bisherigen Stümperei". Bause und Dürr
schlugen vor, aus dem Verkauf der staatlichen Eon-Anteile die
Hälfte des Erlöses von insgesamt zwei Milliarden Euro zur
Schuldentilgung herzunehmen und dann mit jährlich rund 50
Millionen Euro gesparten Zinsausgaben bis zu 800 Dauer-Lehrstellen
zu finanzieren.
Opposition gegen
Studiengebühren
Heiß diskutiert wurde bei den Klausuren
auch über die Hochschulpolitik. Die CSU-Fraktion beschloss ein
von der Staatsregierung initiiertes "Innovationsbündnis
Hochschule 2008", das Stoiber als "einen der wichtigsten
Meilensteine in der bayerischen Bildungs- und Hochschulpolitik in
dieser Legislaturperiode", als "landespolitisches Glanzlicht" und
"Quantensprung" pries. Im Mittelpunkt steht die finanzielle
Planungssicherheit der Hochschulen, deren Etat bis 2008 trotz
Sparkurs nicht unter das Niveau von 2004 fallen soll.
Zusätzlich rechnet die Staatsregierung mit jährlichen
Mehreinnahmen für die Hochschulen in Höhe von 250
Millionen Euro, wenn das Bundesverfassungsgericht grünes Licht
für Studiengebühren gibt.
Studiengebühren freilich lehnt die
Opposition vehement ab. Maget bezeichnete den freien Zugang zu
allen Bildungseinrichtungen als ein "hohes Gut, an dem wir
festhalten wollen". Allein der Abschreckungseffekt der bisherigen
Kosten eines Studiums treffe schon heute eine immer breitere
Bevölkerungsschicht, der Anteil der Kinder aus Familien mit
niedrigem Einkommen liege mit fallender Tendenz bei 13 Prozent. Die
Grünen-Hochschulpolitikerin Ulrike Gote nannte das
Hochschulbündnis einen "großen Bluff" und "Quantensprung,
bei dem man auf einem niedrigeren Niveau landet", weil der
Ausgangspunkt 2004 den Hochschulen bereits eine fünfprozentige
Etat-Kürzung gebracht habe. Bei den Hochschulen habe Bayern
den Weg in die Bedeutungslosigkeit eingeschlagen.
Ebenso wenig wollte sich die Opposition mit
dem bei der CSU-Klausur unternommenen Vorstoß anfreunden, den
dort als verhängnisvoll bezeichneten Ausstieg aus der
Kernenergie zu revidieren. Die CSU sei mit dieser Auffassung "auf
dem Holzweg zurück zur atomaren Vergangenheit", urteilte
Maget. Bause kritisierte, mit solchen Beschlüssen verbreite
man Unsicherheit in der Wirtschaft für künftige
Investitionen und behindere eine Entwicklung, die weg von der
Abhängigkeit von Öl und Uran führen
müsse.
CSU-Fraktionschef Joachim Herrmann
räumte bei seiner Schlussbetrachtung der Klausuren die
Bedenken der Opposition zur Seite. Energieversorgung müsse
preiswert bleiben, damit Arbeitsplätze im harten
Konkurrenzkampf nicht weiter in andere Länder abwanderten,
außerdem dürfe die Umwelt durch neue Kohle- oder
Gaskraftwerke nicht weiter belastet werden. Er halte das Abschalten
von sicher arbeitenden und funktionsfähigen Kernkraftwerken
für "schlichtweg dumm".
Herrmann kreidete es der Opposition auch an,
höhere Ausgaben für die Bildung zu fordern und
gleichzeitig gegen Kürzungen in fast allen anderen Bereichen
zu sein. Die CSU wolle der Bildung Priorität einräumen,
"aber das muss mit der heutigen Finanzkraft finanziert werden".
Deshalb müsse woanders gespart werden.
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