|
|
Martin Peter
"Wir werden arm sein, aber glücklich"
Fusion Berlin-Brandenburg auf das Jahr 2013
verschoben
Nun hat sich auch der Berliner Senat damit abgefunden, dass in
diesem Jahrzehnt nichts mehr aus dem gemeinsamen Bundesland
Berlin-Brandenburg wird. "Wenn der Partner nicht kommen mag, sieht
es am Traualtar ein bisschen traurig aus", stellt Berliner
Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) nach einer
gemeinsamen Kabinettssitzung von Berliner Senat und
brandenburgischer Landesregierung unter Vorsitz von
Ministerpräsident Matthias Platzeck (ebenfalls SPD) fest.
Immerhin hat Platzeck, gegenwärtig auch Präsident des
Bundesrates, einen Wunsch: "Ich möchte den dritten Teil meines
Lebens sehr gern in einem gemeinsamen Bundesland verbringen."
Platzeck ist 51, Wowereit 50 Jahre alt.
Ursprünglich war nach der geplatzten Volksabstimmung im
Jahr 1996 (die Berliner stimmten mit 53,4 Prozent für eine
Fusion, die Brandenburger aber nur mit 36 Prozent) das Jahr 2006
für eine erneute Abstimmung vorgesehen worden. Hätten
dann auch die Brandenburger einem Zusammenschluss der beiden
Länder zugestimmt, hätte dieser 2009 Rechtskraft erlangt
- mit der Landeshauptstadt Potsdam und einem
Ministerpräsidenten und aus Berlin wäre dann eine Stadt
mit einem Oberbürgermeister an der Spitze geworden.
Nun haben die beiden Landesregierungen einen neuen Termin ins
Auge gefasst, nämlich das Jahr 2013. Danach könnte die
notwendige Volksabstimmung im Jahr 2010 erfolgen. Zeitgleich mit
der Bundestagswahl. Das hätte den Vorteil, dass die
Bürger nicht zweimal zur Wahlurne gerufen würden, was
stets einer gewissen Wahlmüdigkeit Vorschub leistet. Drei
Jahre später könnte dann das neue Bundesland mit dem
Namen Berlin-Brandenburg Rechtskraft erlangen.
Ob Klaus Wowereit Interesse an dem Amt des ersten
Ministerpräsidenten von Berlin-Brandenburg hat, ist noch
völlig offen. Im kommenden Jahr muss er sich zunächst den
Berlinern zur Wiederwahl als Regierender Bürgermeister
stellen. Matthias Platzeck muss erst 2009 wieder die Brandenburger
um ihre Stimme bitten.
Platzeck hat dem Senat von Berlin noch einmal erläutert,
warum man in Brandenburg von dem Zeitplan 2006/2009 abgerückt
ist: Alle Umfragen haben ergeben, dass die von den Politikern aller
demokratischen Parteien für notwendig erachtete Fusion
gegenwärtig in Brandenburg keine Mehrheit findet. Deshalb
wäre ein erneutes Nein im Jahr 2006 ziemlich sicher gewesen.
Und dieses Nein wäre dann auch das endgültige Nein
für einen Zusammenschluss gewesen. Das haben inzwischen auch
die Berliner Politiker eingesehen, auch wenn Wowereit von einem
Zusammenschluss zum jetzigen Zeitpunkt schwärmt: "Wir werden
arm sein, aber glücklich." Ministerpräsident Platzeck hat
noch einmal deutlich gemacht, dass man nicht ohne Vorbedingungen an
den "Traualtar" treten wird. Vor allem muss Berlin bis dahin seine
Schulden im Griff haben, die sich - trotz eisernen Sparens -
inzwischen auf 60 Milliarden Euro belaufen. Für das selbst
hoch verschuldete Brandenburg einfach zu viel. Berlins Regierender
Bürgermeister hingegen hofft auf das Bundesverfassungsgericht,
das allerdings wohl erst Ende 2005 über die Klage Berlins
entscheiden wird, nach der der Bund verpflichtet werden soll, der
Bundeshauptstadt auf mehrere Jahre verteilt 35 Milliarden Euro
ihrer Schulden zu übernehmen.
Was passiert, wenn das Bundesverfassungsgericht der Berliner
Klage gegen den Bund nicht stattgibt? Die Antwort vermag
gegenwärtig niemand aus dem rot-roten Senat zu geben. Dann
allerdings wird Berlin so sparen müssen, dass es wirklich
quietscht, ja weh tut. Das hatte Klaus Wowereit bereits 2002 den
Berliner prophezeit. Die Brandenburger wollen, was
verständlich ist, für die hohen Schulden Berlins nach
einer Fusion nicht haften. Auch wenn die Fusion auf 2013 verschoben
worden ist, soll das für die Zusammenarbeit der beiden
Länder nicht gleichbedeutend mit Stillstand sein. So werden
die bereits bestehenden mehr als 20 Staatsverträge zur
Verschmelzung von gemeinsamen Einrichtungen nicht die einzigen
bleiben. So werden im Vorgriff auf die Länderfusion die
Landesversicherungsanstalten, die Luftfahrtämter und die
Statistikämter zusammengeführt. Polizeibeamte des
gehobenen Dienstes werden künftig in Oranienburg ausgebildet,
die des mittleren Dienstes in Berlin. Um die Schulen beider
Länder zu beraten, soll eine gemeinsame
"Qualitätsagentur" gebildet werden.
Wichtige Zusammenschlüsse wie die Vereinigung von Sender
Freies Berlin (SFB) und Ostdeutscher Rundfunk (ORB) zum Rundfunk
Berlin Brandenburg (RBB) sind bereits erfolgt. Auch hat man
längst eine gemeinsame Trägergesellschaft für den
Großflughafen Berlin-Brandenburg International (BBI)
gegründet, der noch vor der nunmehr ins Auge gefassten
Länderfusion in Betrieb genommen werden soll, nämlich
2010 oder 2011.
Vorerst freilich muss Brandenburg, das aus dem
"Speckgürtel" um die Bundeshauptstadt erheblichen Nutzen
zieht, an Berlin zahlen - bis 2008 insgesamt 38 Millionen Euro
für die Tatsache, dass mehr Schüler aus Brandenburg in
Berlin zur Schule gehen als umgekehrt. Und ob
Ministerpräsident Platzeck seinen Ruhestand im gemeinsamen
Land Berlin-Brandenburg verbringen kann, hängt von der
künftigen Entwicklung beider Länder ab. Immerhin wird
Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit bald schon einmal
nach Brandenburg reisen. Genauer gesagt, in die Uckermark. Denn er
dortige Landrat hat ihn eingeladen und Wowereit hat dankend
angenommen...
Zurück zur
Übersicht
|