Alexander Weinlein
Aufgekehrt...
Auf das richtige Timing kommt es eben an: Während sich in
Berlin die Pforten zur Grünen Woche - dem Eldorado der
Jünger des lukullischen Genusses, öffneten, verdunkelten
schwere Gewitterwolken bereits wieder den strahlenden
Gourmet-Himmel. Der Republik droht einmal mehr ein
Lebensmittelskandal - diesmal mit Dioxin in deutschen Eiern. Und es
sind nicht irgendwelche Eier, nein das Gift hat sich
heimtückisch ausgerechnet in die Produkte unserer politisch
und ökologisch korrekt gehaltenen Freilandhühner
eingeschlichen. Pfui!
Welch Ironie des Schicksals. Kaum war der Feldzug von
Bundesverbraucherschutzministerin Renate Künast zur Befreiung
der schändlich versklavten Käfighühner ins Rollen
gekommen, kaum hatte das Bio-Ei seinen triumphalen Einzug auf
deutschen Frühstücks-tischen gehalten, da werden die
bundesrepublikanischen Geschmacksnerven erneut auf das
unappetitlichste traktiert.
Der Verbraucher vor dem Lebensmittelregal reibt sich einmal mehr
verwundert die Augen, muss sich selbst die Frage "Welches Ei
hätten's denn gerne?" beantworten: aus Freiland-, Boden- oder
Käfighaltung? Was ist höher zu veranschlagen, die eigene
Gesundheit oder doch die Freiheit der Hühner?
Der innenpolitische Flurschaden ist unübersehbar: Schon
sammeln sich tausende empörter Osterhasen zu
Protestmärschen auf die Hauptstadt, drohen mit Bummelstreiks,
sollte das hochgiftige Dioxin nicht bis zum Osterfest aus all ihren
bunten Ostereiern verbannt sein.
Und die Politik reagiert wie gewohnt: Die Opposition nutzt die
Gunst der Stunde, um Renate Künast kunstgerecht in die Pfanne
zu hauen. Die Verbraucherschutzministerin, wahrlich kein Weichei,
wenn es um den Tierschutz geht, warnt im Gegenzug vor
übertriebener Panikmache - das übliche Rumgeeiere
eben.
Auch auf internationaler Ebene könnten die deutschen
Gift-Eier katastrophale Entwicklungen heraufbeschwören. Im
Oval Office - nomen est omen - des Weißen Hauses in Washington
wetzt George W. Bush bereits die Messer. Endlich hat der
US-Präsident die ungeliebten Germans erwischt: geheime
Bio-Waffen-Anlagen in Deutschlands Hühnerhöfen, gut
getarnt vor allen UN-Inspekteuren. Diesmal gibt es kein Entrinnen:
Condy Rice wird auf einer Sitzung des Weltsicherheitsrates
unwiderlegbare Beweise vorlegen: Satellitenaufnahmen,
ungenießbare deutsche Frühstückseier - eine Gefahr
für die gesamte freie Welt - und verseuchte Bodenproben aus
dem alten Europa. Deutschlands Eierfarmen gehören zur "Achse
des Bösen" - und die packt die "Koalition der Willigen" jetzt
an den Eiern.
In Guantanamo Bay errichten die amerikanischen Streitkräfte
zur Stunde bereits gigantische Käfiganlagen, in denen die
deutschen Bio-Gift-Hühner interniert werden sollen -
garantiert dioxinfrei.
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