|
![](../../../layout_images/leer.gif) |
Annette Sach
Wieviel Transparenz muss sein?
Fraktionen diskutieren über Regeln für
Nebeneinkünfte der Abgeordneten
In der aktuellen Kontroverse um Regelungen
für Nebentätigkeiten von Abgeordneten sind die Fraktionen
um eine gemeinsame Lösung bemüht. Ein erstes
Gespräch zwischen den Parlamentarischen
Geschäftsführern der Bundestagsfraktionen war ohne
konkretes Ergebnis beendet worden. Nach anfänglicher Kritik an
den Vorschlägen signalisierte die Opposition
Kompromissbereitschaft für weitere Gespräche. "Das Thema
eignet sich nicht zum Parteiennstreit", so CDU-Chefin Merkel.
Bislang waren Änderungen der Verhaltensregeln zwischen den
Fraktionen stets einvernehmlich beschlossen worden.
Auf Anregung von Bundestagspräsident
Wolfgang Thierse hatten die Parlamentarischen
Geschäftsführer der Fraktionen am 18. Januar beraten, wie
Nebeneinkünfte von Politikern künftig geregelt werden
könnten. SPD und Bündnis 90/Die Grünen hatten sich
mit ihrem Vorschlag für eine Verschärfung der Regeln
stark gemacht, die Union hatte den Entwurf als "nicht
praxistauglich" bezeichnet. Die Liberalen erklärten, die
bestehenden Regelungen seien ausreichend und lehnten schärfere
Auflagen für Nebeneinkünfte ab. Schon im Vorfeld des
Treffens signalisierten alle Fraktionen, dass in Zukunft bei
Verstößen gegen die Regelungen Sanktionen drohen sollen.
Einkünfte, die regelwidrig verschwiegen würden,
könnten danach beispielsweise künftig von den Diäten
abgezogen werden. Bisher kann der Bundestagspräsident, so die
Verhaltensregeln, die Abgeordneten und die Fraktionen bei
Unstimmigkeiten lediglich befragen und Verstöße in einer
Bundestagsdrucksache veröffentlichen. Letzteres hat es im
Deutschen Bundestag noch nicht gegeben Nicht nur deshalb warnt
Bundestagspräsident Thierse auch vor einem "Generalverdacht"
gegenüber seinen Kollegen.
Der Zeitplan sieht vor, dass die
rot-grüne Koalition bis Ende Februar 2005 einen Gesetzentwurf
in Sachen veröffentlichungspflichtige Nebeneinkünfte ins
Parlament einbringt. Derzeit muss jedoch noch geprüft werden,
wo sich verfassungsmäßige Grenzen bei der Offenlegung der
Einkünfte sowie bei den Sanktionsmöglichkeiten zeigen
könnten. Erwiesen sich die Vorschläge als
verfassungskonform, könnten künftig alle
zusätzlichen Einkünfte von Abgeordneten meldepflichtig
werden, egal ob sie aus einer Neben- oder einer
Berufstätigkeit stammen. Wie weit die Offenlegung allerdings
gehen soll, ist noch unklar. Bisher müssen Nebeneinkünfte
zwar angegeben werden, der Präsident ist jedoch zum
Stillschweigen über die Höhe der Angaben verpflichtet.
Ausnahmen bilden Einkünfte aus einer Berufstätigkeit
neben dem Mandat. Sie müssen nicht angezeigt werden. Auch
diese Regelung steht auf dem Prüfstand.
Ob als Anwalt oder Consultant, Vorstand einer
Firma oder Mitglied in einem Aufsichtsrat - unter
Verfassungsrechtlern herrscht weitgehend Konsens darüber, dass
deutsche Abgeordnete Nebentätigkeiten ausüben
dürfen. Auch im Bundestag ist man sich einig, dass bei allen
Tätigkeiten eins im Mittelpunkt stehen muss: das Mandat. Schon
1975 hatte das Bundesverfassungsgericht im so genannten
"Diäten-Urteil" den Status des Abgeordneten genau festgelegt -
weg vom Honoratioren-Abgeordneten hin zum "full-time"
Berufsparlamentarier mit entsprechender
Abgeordnetenentschädigung.
In der Debatte um das Vertrauen in die
Politik und um mehr Transparenz bei Einkünften von Politikern
wird in der Öffentlichkeit der Ruf nach unabhängigen
Kommissionen lauter. Nicht erst seit Einführung der
Verhaltensregeln im Jahr 1972 haben sich externe
Sachverständige in Anhörungen und Kommissionen immer
wieder mit der Frage von Nebeneinkünften, Diäten oder
Pensionsansprüchen beschäftigt. So auch die
"Kissel-Kommission", die 1993 zu dem Schluss kam, dass wegen des
Grundrechts auf Berufsfreiheit ein Verbot von Nebentätigkeiten
nicht zulässig sei.
Die jüngst veröffentlichten
Fälle von Zahlungen an Bundestagsabgeordnete ohne
Gegenleistung zeigen: Die Regeln für Nebentätigkeiten
werden offensichtlich nicht von allen Mandatsträgern gleich
ausgelegt und bewertet. Die Debatte, ob und wie mehr Transparenz
für alle erreicht werden kann, ist ein demokratischer
Drahtseilakt. Denn, so meinte Bundestagspräsident Wolfgang
Thierse: "Die Demokratie ist das Feld der Auseinandersetzung
zwischen unterschiedlichen Meinungen und Interessen. Entscheidend
ist immer, dass das offen stattfindet und nicht im Verborgenen Geld
fließt."
Zurück zur Übersicht
|