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Andrea Dunai
Lebensretter aus den Wäldern
Jüdischer Partisanenkampf in
Weißrussland
Die Geschichte spielt in Weißrussland während der
deutschen Besatzung. Der charismatische und liebenswürdige
Tuvia Bielski, ein Mann mosaischen Glaubens, fühlte sich dazu
berufen, seine jüdischen Mitbürger vor dem sicheren Tod
zu retten. 1.200 Juden gelang es unter seiner Obhut, ihrem
Schicksal zu entkommen. Bielski war kein besonders gebildeter Mann,
verfügte jedoch über genügend Intuition, im
richtigen Augenblick richtig zu handeln. Er vertrat die Meinung,
dass je größer seine Gruppe ist, desto sicherer seien
ihre Überlebenschancen. Eine andere Überlegung bezog sich
auf die Konzentration der Kräfte: Einen Juden zu retten sei
viel besser, als tausend Deutsche zu töten.
Bielskis Partisanen waren Juden aus den benachbarten
Dörfern um die Nalibocka-Wälder, die dank der
Überzeugungskraft ihres Anführers den Mut besaßen,
aus dem Ghetto zu fliehen. Weder der Geheimweg zum Partisanenbunker
noch die weitere Existenz waren ungefährlich. Zum Glück
waren in den kleinen Dörfern Weißrusslands nicht alle
Einheimischen Nazi-Kollaborateure. Eine umso größere
Gefahr bedeuteten demgegenüber solche Leute, die aus
Überzeugung auf der Suche nach jüdischen oder
nichtjüdischen Widerständlern waren. In den Augen der
Partisanen waren diese Leute Verräter und verdienten den Tod.
Die erste und erfolgreiche Partisanenaktion Bielskis richtete sich
gegen einen Nazisympathisanten und Polizeichef.
Die Partisanenbewegung in Weißrussland bestand aus einer
bunten Mischung verschiedener Nationalitäten, unter anderen
Weißrussen, Polen, Russen, Slowaken und Juden. Die ersten
Gruppen fanden sich nach dem 22. Juni 1941, dem Einmarsch der
Deutschen, zusammen. Zum Höhepunkt der Partisanenbewegung im
Jahre 1944 lebten in Weißrussland 374.000 Menschen in
verschiedenen Geheimunterkünften in den Wäldern. Das
Partisanenleben der meisten Einheiten entfaltete sich unter der
Ägide des Moskauer Zentralkomitees der KP.
Die Leute um Tuvia Bielski unterschieden sich wesentlich von den
anderen Bewohnern des Waldes: In den Reihen der jüdischen
Partisanen befanden sich zahlreiche ältere Menschen, Frauen
und Kinder. Im Vorkriegspolen hatten sie mehrheitlich in
Städten gelebt und besaßen nicht die geringste Erfahrung
mit härteren Lebensbedingungen.
Die jüdischen Flüchtlinge waren von Anfang an
isoliert. Die Erkenntnis, von den russischen Partisanen keine Hilfe
zu bekommen, war für sie schmerzhaft, aber nicht neu. Die
ständigen Anschuldigungen der benachbarten Partisanen, denen
zufolge die Juden Lebensmittel raubten, brachten für Bielskis
Leute weitere Ausgrenzungen mit sich. Laut einem "Beschluss von
oben" musste sich die Nahrungsbeschaffung auf die Siedlungen Lida
und Nowogoródek beschränken. Durch diese Einigung mit dem
Anführer der russischen Partisanen, Panchenko, wurde die
Existenz von Bielskis Juden jedoch immerhin legitimiert, wodurch
das Ansehen der jüdischen Partisanen wuchs.
Spannungen untereinander
Die Zusammenarbeit zwischen den jüdischen und russischen
Einheiten verlief jedoch nicht reibungslos. Bielski musste gegen
antisemitische Äußerungen und Verhaltensweisen
ankämpfen. Dabei leistete er Überzeugungsarbeit und
wiederholte unermüdlich, dass seine "Einheit als Verteidiger
der UdSSR einen wichtigen Beitrag im Partisanenkampf" leiste. Um
dies zu beweisen, ging er mit gutem Beispiel voran. Wo immer Hilfe
benötigt wurde, war er sofort zur Stelle.
Da sich ständig neue jüdische Flüchtlinge bei ihm
meldeten, musste er sich kontinuierlich um die Logistik seines
Waldteiles kümmern. Schneider und Schuhwerkstätte, die
Schmiede, eine Wurstfabrik, der Raum zur Lebensmittelverteilung
sowie die Lazarette mussten immer besetzt sein. Der Friseurladen
avancierte zu einem Salon, in dem die neuesten Nachrichten
über den Rückzug der Deutschen ausgetauscht wurden. Von
den unüberschaubaren Verhältnissen in den verschiedenen
Partisaneneinheiten waren jedoch häufig die Frauen negativ
betroffen. Vergewaltigungen und seelische Demütigung waren
Bestandteil des Partisanentums, davon blieben auch die
jüdischen Frauen nicht verschont. Um zu überleben war man
bereit, einiges zu opfern.
Nechama Tec schildert die grausame Realität des
Partisanenlebens. Anders als in den zu Romantisierung neigenden
sowjetischen Jugendromanen beschreibt sie das Leben der Partisanen,
die komplexe Persönlichkeit Bielskis, sein Bestreben, Juden zu
retten in einem Milieu, das ganz und gar nicht in Einklang mit
einer karitativen Tätigkeit stand. Obwohl die Geschichte des
jüdischen Widerstandes in den gesamthistorischen Kontext
eingebettet ist, wird die Qualität des Erzählstils durch
die viele Tonbandinterviews vermindert. Als ob die befragten
Überlebenden ihre traurigen Erinnerungen aufsagen
würden.
Nechama Tec
Bewaffneter Widerstand.
Jüdische Partisanen im Zweiten Weltkrieg.
Aus dem Amerikanischen von Anna Kaiser.
Haland & Wirth im Psychosozial-Verlag, Gießen 2004; 324
S, 22,- Euro
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