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Ursula Homann
Zeugen und Werkzeuge des erbarmungslosen
Massenmords
Das jüdische Sonderkommando in
Auschwitz
Auschwitz - und kein Ende"? Das fragt sich gewiss mancher, wenn
er Titel und Thema des hier vorzustellenden Buches erfährt.
Gleichwohl ist auch dieses Buch, so deprimierend und beklemmend es
stellenweise ist, dass man es nicht in einem Zug durchlesen kann,
wichtig und notwendig, stellt es doch eine Gruppe vor, die noch
heute oft dämonisiert wird und von deren Leiden und Qualen
bisher wenig bekannt ist.
Es geht um jene jüdischen Häftlinge, aus denen die
SS-Führer im Konzentrations- und Vernichtungslager
Auschwitz-Birkenau ein spezielles Arbeitskommando gebildet hatten.
Ihm gehörten zwischen 1942 und 1945 über 2.000
Männer an. Nur etwa 100 von ihnen haben die schlimme Zeit
überlebt. Denn auch diese Häftlinge, die die SS zu
grauenhaften Taten missbraucht hatte, waren hilflose Opfer. Als
Arbeitsklaven mussten sie mit dazu beitragen, dass im
Vernichtungslager der Massenmord an Männern, Frauen und
Kindern immer perfekter ablief.
Es war zwar die SS, die mordete, aber alle anderen Arbeiten, die
mit der vollständigen Beseitigung der Leichen verbunden waren,
mussten die Häftlinge des Sonderkommandos verrichten.
Außerdem hatten sie die Aufgabe, die zum Tod bestimmten
Menschen vor den Gaskammern zu empfangen und ihnen beim Auskleiden
behilflich zu sein. Nicht wenige mussten mitansehen, wie ihre
Familienangehörigen, die eigenen Eltern, die eigene Frau und
die eigenen Kinder ins Gas getrieben wurden. Wer Widerstand
leistete oder zu fliehen versuchte, wurde erschossen oder von
Hunden zerfleischt. Im Oktober 1944 wagte das Sonderkommando sogar
einen Aufstand, der indes - wie könnte es anders sein - blutig
niedergeschlagen wurde.
Die Häftlinge des Sonderkommandos waren Zeugen und hilflos
ausgelieferte Werkzeuge der Massenvernichtung und lebten
ständig mit dem Gedanken, dass auch sie eines Tages von den
Deutschen ermordet würden. Sie irrten sich nicht. Gegen Ende
des Krieges, als das Lager aufgelöst wurde und ihre
Arbeitskraft nicht mehr gebraucht wurde, ereilte viele von ihnen
dieses Schicksal.
Einige der Überlebenden dieses Kommandos haben nach dem
Krieg über ihre Leidenszeit als Arbeitssklaven im
Konzentrationslager Zeugnis abgelegt - in Interviews, Büchern
und Prozessen. Andere Häftlinge hatten schon vorher im Zentrum
der Vernichtung ihre Erlebnisse heimlich zu Papier gebracht und
ihre Aufzeichnungen bei den Krematorien vergraben.
Wer überlebte, wurde oft bis ins hohe Alter von
Schamgefühlen heimgesucht. Immerhin war ihnen in
Auschwitz-Birkenau die Erfahrung aufgezwungen worden, dass der
Mensch im Kampf um das eigene Überleben zu unmenschlichen und
brutalen Handlungen fähig ist, die jenseits aller
Vorstellungskraft liegen.
Eric Friedler, Barbara Siebert und Andreas Kilian beschreiben
detailliert Aufbau und Einrichtung des Lagers und die "Erfindung"
des Massenmords mit Zyklon B. Sie schildern, wie der Mord am
laufenden Band in Birkenau funktionierte, sowie viele andere
Ungeheuerlichkeiten und belegen alles mit genauen Daten. Sie
erzählen ferner davon, wie sich SS-Hauptsturmführer Karl
Fritzsch damit brüstete, die Methode mit Zyklon B zur
gleichzeitigen Ermordung hunderter Menschen "erfunden" zu haben,
und wie sich Lagerkommandant Höß geradezu erleichtert
zeigte, als das Problem einer geeigneten Mordmethode durch eine
"humane" Tötungsart endlich gelöst war.
Wie zynisch und kaltschnäuzig die SS vorgegangen war, sieht
man auch daran, dass bei den Erschießungen stets darauf
geachtet wurde, dass die Menschen sich vor der Ermordung auszogen.
Denn die Kleidung sollte weiter verwertet werden und daher
keinesfalls durch Blut verschmutzt oder durch Einschusslöcher
unbrauchbar werden.
Während nur wenige Häftlinge aus dem Sonderkommando
die Todesmärsche gegen Ende des Krieges überstanden
haben, lebten im Mai 1945 noch etwa 6.300 ehemalige
SS-Angehörige, die in Auschwitz eingesetzt waren. Nicht mehr
als 15 Prozent von ihnen wurden vor ein Gericht gestellt. Doch
keiner wurde von Schuldgefühlen geplagt, im Gegenteil, die
meisten fühlten sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Aber
woher sollte das Unrechtsbewusstsein auch kommen bei Menschen, die,
wie sich Eichmann später erinnerte, auf der Wannsee-Konferenz
"fröhlich" ihre Zustimmung zum Judenmord gegeben hatten und
froh darüber gewesen waren, sich an der "Endlösung der
Judenfrage" beteiligen zu dürfen?
Eric Friedler, Barbara Siebert, Andreas Kilian
Zeugen aus der Todeszone.
Das Jüdische Sonderkommando in Auschwitz.
zu Klampen Verlag, Lüneburg 2002; 412 S., 25,-
Euro
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