Nachgefragt
Interview mit dem Holocaust-Überlebende
Paul Niedermann
Der Holocaust-Überlebende Paul Niedermann, Jahrgang
1927, in Karlsruhe geboren, nahm als Zeitzeuge an der
Internationalen Jugendbegegnung anlässlich des Gedenktages
für die Opfer des Nationalsozialismus teil.
Das Parlament:
Warum haben Menschen das Bedürfnis, Gedenkstätten zu
bauen?
Paul Niedermann: Ich sage immer: Denkmäler sind
nicht auf uns Überlebende "gemünzt". Ich selbst brauche
das alles, was ich erlebt habe, nicht noch einmal in einem Museum
vor Augen geführt zu bekommen. Ich könnte es auch nicht
ertragen, heute in Auschwitz an meine verstorbenen Eltern erinnert
zu werden.
Das Parlament:
Was empfinden Sie, wenn Sie über Ihre Erfahrungen
sprechen?
Paul Niedermann: Ich habe lange Jahre darüber nichts
gesagt, auch nicht in meiner Familie. Ich hatte einfach nicht die
Worte dafür. Im Barbie-Prozess in den späten 1980ern, wo
ich als Zeitzeuge ausgesagt habe, sprach ich zum ersten Mal
über meine Erinnerungen. Es hat lange gedauert, bis ich nachts
keine Albträume mehr hatte. Jetzt finde ich, sollten wir in
der Lage sein, das Geschehene von einer höheren Warte aus zu
betrachten.
Das Parlament:
Wie sollten Jugendliche mit der Vergangenheit umgehen?
Paul Niedermann: Man kann der jungen Generation keinen
Vorwurf mehr über die Taten ihrer Großväter machen.
Aber man darf auch nicht vergessen. Deshalb heißt mein Motto
gegenüber der Jugend immer: "Jetzt seid ihr dran!" Statt sie
zu belasten, sollte allen klar sein, dass nur sie künftig
Schlechtes verhindern können.
Die Fragen stellte Elizabeth Reiche
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