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Claudia Heine
Wahlhilfe aus dem Äther
"Election Monitor Iraq" auf Sendung
Bei dem Szenario würde so mancher Radiomacher hierzulande
heiße Füße bekommen: In einem Internetcafé
einer kleinen irakischen Provinzstadt sitzt ein junger Journalist
und speist gerade seine gesammelten O-Töne in den Computer
ein, schneidet und komprimiert sie, schickt sie ab und ist damit
kurze Zeit später auf Sendung. Heiße Füße
bekommen auch die 20 jungen irakischen Korrespondenten, die
täglich aus allen Provinzen des vom Krieg geplagten Landes
ihre Berichte auf diese Weise nach Berlin schicken. Nur der Grund
ist ein anderer: "Es ist noch immer eine sehr gefährliche
Arbeit und mehr denn je ein Sicherheitsproblem für
Journalisten, wenn sie mit dem Westen zusammenarbeiten", berichtet
Klaas Glenewinkel. Zusammen mit Anja Wollenberg hat er das
Radioprojekt mit dem etwas umständlichen Namen "Election
Monitor Iraq" entwickelt. Seit Ende Dezember produziert das Team
unter ihrer Leitung in einem kleinen Studio in der Berliner
Kulturbrauerei eine politische Informationssendung für den
Irak, an fünf Tagen pro Woche. Ihr Thema: Die ersten freien
Wahlen des Landes, die am 30. Januar stattfanden.
Was auf den ersten Blick thematisch sehr eingegrenzt wirkt,
offenbart auf den zweiten eine große Vielfalt an Themen. Denn
über diese Wahl zu berichten schließt die Aufklärung
über einen gesellschaftlichen Wandlungsprozess ein, dessen
sichtbarster Ausdruck zwar die Wahlen sind. Seine Folgewirkungen
für die Iraker reichen jedoch weit darüber hinaus. "Wir
verstehen uns nicht als Wahlwerbesendung, sondern legen sehr
großen Wert auf eine kritische Begleitung dieses Prozesses",
erklärt Anja Wollenberg das Ziel der 30-minütigen
Sendung, die ausschließlich in arabischer Sprache produziert
wird. Das Problem einer möglichen Verschiebung der Wahlen
spielte deshalb eine genauso herausragende Bedeutung in der
Berichterstattung wie die Frage ihrer Legitimität.
Bandbreite der Meinungen
Ob Interviews mit Wahlbeobachtern, Reportagen,
Straßenumfragen oder Berichte zur Parteienfinanzierung: "Die
ganze Bandbreite der Meinungen kommt hier wirklich in einem Kontext
zur Sprache", so Wollenberg. In Berlin werden außerdem die
wichtigsten irakischen Zeitungen in einem Pressespiegel
ausgewertet, der zu jeder Sendung dazugehört. Eine
Besonderheit des Projektes, das noch bis Ende Februar läuft,
ist das ungewöhnlich dichte Korrespondentennetz. So ist es
möglich, sich nicht nur auf die Krisenherde zu konzentrieren.
Dabei sind die Mitarbeiter im Irak mehr als nur Korrespondenten.
Sie liefern nicht einfach aus Berlin gewünschtes Material ab:
"Wir können dort nicht einfach etwas bestellen, weil wir ja
von Berlin aus oft schwer feststellen können, welche
Entwicklungen im Irak welche Bedeutung haben", beschreibt Anja
Wollenberg die Arbeitspraxis. So sind es also oft die
Korrespondenten selbst, die durch ihre Geschichten der Sendung erst
ihre Gestalt geben.
Auch wenn es nicht um Wahlwerbung geht: Eine Werbesendung ist es
in gewissem Sinn doch, was da in Berlin produziert und über
fünf Radiostationen innerhalb des Irak, über einen
Satelliten in Europa, Nordafrika sowie im Nahen und Mittleren Osten
und schließlich über das Internet weltweit gesendet wird.
"Election Monitor Iraq" symbolisiert allein durch seine Existenz
jene positive Seite einer von Gewalt dominierten Neuordnung der
irakischen Gesellschaft. Wenn auch nicht ganz risikolos, so
können die jungen irakischen Journalisten doch unabhängig
über die Geschehnisse in ihrem Land berichten. Das ist
einerseits eine völlig neue Radioerfahrung, nicht nur für
die Macher, sondern auch für die Hörer. Andererseits
setzt sich hier eine Kontinuität fort: "Die Iraker sind ein
sehr radiofreundliches Volk, weil das Radio lange Jahre die einzige
Möglichkeit war, kritische Informationen zu bekommen - nur
kamen die vorher nicht aus dem Land selbst", sagt Klaas
Glenewinkel.
Diese Radiofreundlichkeit und die Tatsache, dass das Internet
wenig verbreitet und Fernsehformate teuer sind, begünstigten
die Entstehung von "Election Monitor Iraq" als
Hörfunkprogramm. Mit Hilfe der Friedrich-Ebert-Stiftung in
Jordanien und einer Finanzspritze des Auswärtigen Amtes von
170.000 Euro konnte im vergangenen Dezember zunächst ein
mehrwöchiger Workshop in Amman das Projekt einleiten.
Über Aushänge an Universitäten machten die
Initiatoren Werbung dafür. Aus den 65 Bewerbungen, darunter
viele von Journalistik-Studenten, wurden die Korrespondenten
ausgesucht und von Trainern der Friedrich-Ebert-Stiftung, der
Deutschen Welle und Radio France International auf ihre Arbeit
vorbereitet.
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