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Volker Koop
Einseitiger Blick auf die Rendite?
"Unternehmenskultur muss auf Investitionen
setzen"
Nachrichten aus deutschen Unternehmen waren im
vergangenen Jahr häufig widersprüchlich. Auf der einen
Seite war oft die Rede von geradezu explodierenden Gewinnen -
insbesondere bei Kapitalgesellschaften. Andererseits verging kaum
ein Monat, in dem nicht irgendein Unternehmen ankündigte, in
den nächsten Jahren die Kosten drastisch reduzieren zu
müssen, nicht zuletzt und vor allem die Personalkosten.
Karstadt, Opel, VW sind nur einige Namen, die hierfür stehen.
Nicht selten verbunden mit diesen Ankündigungen war der
Hinweis, notfalls Beschäftigte entlassen, Betriebsstätten
schließen oder von Deutschland ins Ausland verlegen zu
müssen. Der Verdacht machte sich breit, dass einige
Unternehmensführungen die wirtschaftliche Situation im Lande
und die Sorge um den Arbeitsplatz nutzten - man mag auch sagen:
missbrauchten -, um die Interessen der Anteilseigner vor die der
Arbeitnehmer zu stellen. Die Rede war von einem Wandel der
Unternehmenskultur, von einem Paradigmenwechsel.
Mit Kritik an der Wirtschaft hält Werner
Schulz nicht zurück. Der Bundestagsabgeordnete von
Bündnis 90/Die Grünen verweist auf Umfragen, nach denen
die Deutschen nur noch wenig Vertrauen in Politik und Wirtschaft
haben. In keinem Land der Welt habe die Wirtschaft ein so
schlechtes Image wie in Deutschland, was "angesichts der
Einfallslosigkeit vieler Wirtschaftsfunktionäre" durchaus
nachvollziehbar sei. Es kämen immer die gleichen
Vorschläge: "Gürtel enger schnallen, Feiertage
abschaffen, Samstag arbeiten, die 40-Stunden-Woche einführen,
Löhne kürzen, Weihnachtsgeld streichen und
ähnliches." So aber komme die stagnierende Binnennachfrage
nicht in Bewegung, was aber vielen (Dax-)Unternehmen offensichtlich
mehr oder weniger egal sei. Ihre Gewinne erzielten sie im Ausland,
beim Export, und dort werde auch investiert. Schulz: "Hierzulande
dagegen wird an allen Ecken und Enden rationalisiert und gespart.
Und Subventionen einkassiert. Etwa durch BMW in Leipzig,
während das Unternehmen floriert und beste Quartalsergebnisse
bekannt gibt. Das sollte sich ändern." Der ost- und
wirtschaftspolitische Sprecher seiner Fraktion plädiert
deshalb für eine Unternehmenskultur, die auf Innovation im
eigenen Land setzt, auf den Mut, neue Wege zu gehen. Deutschland
habe immer relativ hohe Löhne gehabt, sei aber trotzdem
international konkurrenzfähig - wegen seiner
Produktivität, der Leistungsbereitschaft, der guten
Qualifikation seiner Beschäftigten und auch wegen des
Ideenreichtums seiner Unternehmer. "Wie wäre es also", fragt
der Abgeordnete, "mit weniger Lohndumping und mehr Kostensenkung
bei Material- und Energiedurchsatz? Wie wäre es, wenn
Deutschland sich an die Spitze der ?Weg-vom-Öl-Strategie' der
Industriestaaten setzt?"
Dass sich Deutschland in der schwersten
Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit mit dem höchsten Stand der
Arbeitslosigkeit seit Gründung der Bundesrepublik befindet und
gleichzeitig die Unternehmensgewinne zugenommen haben, sieht der
Unions-Abgeordnete Ronald Pofalla nur einen scheinbaren
Widerspruch. Die schwarzen Zahlen in den Betriebsbüchern
speisten sich nur zu einem kleinen Teil aus dem erfolgreichen
Absatz am deutschen Markt. Hauptursache seien vor allem der Export
und die Einbeziehung kostengünstiger Vorprodukte aus dem
Ausland. Ein Beispiel: Würde der VW-Golf vollständig in
Deutschland hergestellt, würde er rund 32.000 Euro kosten -
ein Preis, der jeden Erfolg am Markt unmöglich machte. Nur
durch Vorprodukte aus billigeren Standorten sei es möglich,
das Auto für 17.000 Euro zu verkaufen und damit
Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern. Die Konsequenz:
"Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, bleibt also
gar nichts anderes übrig, als die Produktionskosten zu
drücken, um den Bestand der Unternehmen zu sichern." Pofalla,
der als stellvertretender Fraktionsvorsitzender für die
Bereiche Arbeit und Wirtschaft zuständig ist, verkennt aber
nicht: "Richtig ist allerdings auch, dass in einigen Bereichen der
Blick auf die kurzfristige Renditeentwicklung zugenommen hat. Ich
halte das für bedenklich. Denn wir brauchen einen gesunden Mix
aus kurz-, mittel- und langfristigen Unternehmenszielen, der sowohl
die Interessen der Aktionäre als auch die der
Beschäftigten miteinander verbindet. Neid- und
Missgunstdebatten helfen dabei nicht weiter."
Lösungsansätze sieht er in wirtschaftspolitischen
Rahmenbedingungen, die mehr Produktion in Deutschland lukrativ
machen. Würden die Voraussetzungen für
Unternehmensgewinne verbessert, würde sich auch die Debatte um
Firmenverlagerungen erübrigen.
Für eine Unternehmenskultur, die stets -
und gerade im stärker werdenden globalen Wettbewerb - für
einen Interessenausgleich zwischen Investoren und
Beschäftigten sorgt, plädiert Rainer Brüderle,
stellvertretender FDP-Fraktionsvorsitzender. Möglichst hohe
Löhne für möglichst viele Beschäftigte
dürften wohl das Ziel aller sein, doch dafür brauche es
wettbewerbsfähige Unternehmen. Diese seien aber nicht nur auf
gute Mitarbeiter angewiesen. Sie brauchten auch risikobereite
Investoren, um die technische Ausrüstung der
Arbeitsplätze zu finanzieren. Diese Investoren erwarteten
ebenfalls einen Lohn, nämlich eine gewisse und möglichst
hohe Verzinsung, also Gewinne. Investor sei jeder Einzelne, der
spare, sei es mit dem Sparbuch, einer Lebensversicherung oder einer
Riester-Rente. Klar müsse aber sein: "Der Lohn muss sich an
der Arbeitsproduktivität orientieren. Es ist nur der
Arbeitsplatz dauerhaft sicher, der nicht mehr kostet, als er dem
Unternehmen einbringt. Keine Firma überlebt, wenn sie
Löhne systematisch zu Lasten der Gewinne erhöht, da sich
dann die Kapitalgeber abwenden." Andererseits gelte aber auch, dass
es in flexiblen Märkten dauerhaft nicht möglich sei,
Gewinne zu Lasten der Löhne zu erhöhen. Brüderle:
"Unternehmen müssen entsprechend der Arbeitsproduktivität
bezahlen. Sonst verlieren sie ihre Mitarbeiter an Firmen, die
höher, nämlich produktivitätsorientiert und damit
immer noch rentierlich entlohnen. Aber solchen Marktmechanismen zu
vertrauen, ist nicht die Sache der Gewerkschaften. Ihre
beschäftigungsfeindliche Tarifpolitik hat viele
Arbeitsplätze unrentierlich gemacht." In diesen Fällen
hätten die Firmen dann häufig lieber in Maschinen
investiert, als Löhne zu erhöhen.
"Unternehmensgewinne müssen zu
Investitionen führen", hebt der wirtschafts- und
arbeitsmarktpolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion Klaus
Brandner hervor. Deutsche Unternehmen verdienten wieder mehr, und
2004 seien die Gewinne aus Unternehmertätigkeit und aus
Vermögen um 10,7 Prozent gestiegen. Diese Entwicklung zeige
doch, dass man in Deutschland durchaus Geld verdienen könne.
"Die ständig Jammernden über Standortnachteile und
über mangelnde Wettbewerbsfähigkeit sollten sich diese
positiven Zahlen einmal verinnerlichen", regt er an. Insbesondere
die internationale Presse und internationale Manager lobten die
weitgehenden Reformen in Deutschland. Mit der Agenda 2010 habe man
einen Aufbruch geschafft, der in eine längere Phase
nachhaltigen Wachstums führe. Der Anstieg der
Erwerbstätigenzahl 2004 um 128.000 gebe die Richtung vor.
Voraussetzung für eine weitere erfolgreiche Entwicklung sei
aber: "Unternehmensgewinne dürfen auch in Zeiten der
shareholder-values nicht nur für die Finanzmärkte
erwirtschaftet werden. Wenn schon Arbeitnehmer und Gewerkschaften
ein sehr hohes Maß an Flexibilität beweisen, wenn schon
die Bundesregierung mit ihren Strukturreformen vielen vieles
abverlangt, dann muss man erwarten können, dass die
Unternehmen die erzielten Gewinne in Investitionen umsetzen." Der
Anstieg der Ausrüstungsinvestitionen um 1,2 Prozent im
vergangenen Jahr ist für ihn ein ermutigendes Zeichen, dem
jedoch weitere folgen müssen: "Unternehmensgewinne sind kein
Selbstzweck. Sie müssen sich auch immer an gesellschaftlichen
Zielen messen lassen. Nur so ist das Ziel zu erreichen, Wohlstand
für alle zu mehren und soziale Gerechtigkeit in Deutschland
dauerhaft zu ermöglichen."
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