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Duale Ausbildung wird flexibler
Reform des Berufsausbildungsgesetzes
Bildung und Forschung. Die berufliche Ausbildung
in Deutschland wird neu geregelt. Dies hat der Bundestag am 27.
Januar bei Enthaltung der FDP mit großer Mehrheit beschlossen.
Die Novelle des aus dem Jahr 1969 - der Zeit der großen
Koalition - stammenden Gesetzes ist die umfassendste Reform der
Berufsausbildung seit 1977. Wichtige Eckpunkte des Kompromisses
zwischen der Koalition und der Union sind die Verbesserung der
Ausbildungsqualität mit einer gesetzlich verankerten
Qualitätssicherung, größere Durchlässigkeit
zwischen den Bildungsstufen mit Möglichkeiten zur Anrechnung
von Vorqualifikationen auf Ausbildungszeiten, ein moderneres
Prüfungswesen, flexiblere Ausbildungsregelungen und eine
internationale Ausbildung. Das Gesetz bedarf der Zustimmung des
Bundesrates, der sich voraussichtlich am 18. Februar damit befassen
wird.
Sollte die Länderkammer der
Kompromisslösung aus dem Bundestag zustimmen, könnte das
neue Gesetz bereits am 1. April in Kraft treten und ab dem neuen
Schuljahr gelten.
Im Einzelnen sieht die Novelle vor, dass
Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz haben und deswegen
staatliche Sonderprogramme oder Maßnahmen der Bundesanstalt
für Arbeit absolvieren, die dort erworbenen Qualifikationen in
eine sich anschließende Lehre einbringen können.
Ausbildungsabschnitte im Ausland können in Zukunft in die
Gesamtausbildung integriert werden. Die Länder erhalten die
Möglichkeit, schulische Ausbildungszeiten in
Ausbildungsberufen genauso anzurechnen wie betriebliche
Ausbildungszeiten.
Um praktisch begabte Jugendliche stärker
zu fördern, wird in der Novelle die Stufenausbildung forciert.
Das Gesetz sieht vor, dass alle neuen Berufsbilder
regelmäßig darauf überprüft werden, ob die
Ausbildung stufenweise organisiert werden kann. Dies soll
nachträglich auch für bestehende Berufe gelten. Die
Probezeit für Auszubildende wird auf vier Monate
verlängert, um den Betrieben ausreichend Zeit für eine
Beurteilung zu geben.
Neu ist auch, dass Lehrlinge, die ihre
Ausbildung nicht im Betrieb, sondern nur in der Berufsschule
abgeschlossen haben, einfacher zu Prüfungen vor der
zuständigen Kammer zugelassen werden. Damit sollen die
Startchancen dieser jungen Menschen auf dem Arbeitsmarkt verbessert
werden, da die Kammerprüfung als ein besserer
"Türöffner" in den Beruf gilt.
Erstmals wird es auch möglich,
Abschlussprüfungen in zwei Teilen abzulegen. Die Reform
stärkt ferner die Kooperationsformen betrieblicher und
schulischer Ausbildung. Gesetzlich verankert wird - auch dies ein
Novum - die Verbundausbildung, also die Kooperation mehrerer
Betriebe, von denen jeder wegen seiner Größe oder
Spezialisierung allein nicht alle Ausbildungsinhalte anbieten kann.
Diese Regelung soll mehr Betriebe und Unternehmen zur Schaffung von
Ausbildungsplätzen motivieren.
Langer Weg der Beratung
Der Reform ist ein langer Weg der
parlamentarischen und außerparlamentarischen Beratungen
vorausgegangen. So hatte die FDP-Fraktion bereits 2001 einen Antrag
eingebracht, um ein duales und zugleich modulares
Berufsausbildungssystem einzuführen. Der rot-grüne
Koalitionsvertrag sah ebenfalls eine Reform der Berufsausbildung
vor. Im März 2003 brachte dann die Union Eckpunkte für
eine Novellierung des Berufsausbildungsgesetzes und ein Jahr
später einen konkreten, nun mit den Stimmen der Koalition
abgelehnten Gesetzentwurf (15/2821) in den Bundestag ein. Es
folgten zwei Gesetzentwürfe der FDP (15/3042, 15/3325); der
erste davon wurde in der Schlussdebatte für erledigt
erklärt, der zweite bei Enthaltung der Union von der Koalition
abgelehnt. Die Bundesregierung zog mit einem eigenen Gesetzentwurf
(15/3980) im Oktober vergangenen Jahres nach. Auch der Bundesrat
legte im Herbst 2004 einen Gesetzentwurf (15/4112) vor, der nur bei
den Oppositionsfraktionen Zustimmung fand.
Die am 27. Januar verabschiedete Reform
basiert auf dem Regierungsvorschlag, in den Änderungen und
Vorschläge vor allem der Union, aber auch der FDP eingeflossen
sind. Ähnlich wie bereits bei der abschließenden Beratung
im Ausschuss zeigten sich auch im Plenum vor allem die
Kompromisspartner - die Regierungsfraktionen und die Union - mit
dem Ergebnis und der vorangegangenen Zusammenarbeit im Ausschuss,
mit dem Bildungsministerium, den Ländern und den
Sozialpartnern zufrieden.
Der Kompromiss knüpfe an die
bewährten Strukturen der beruflichen Bildung an, intergriere
aber auch die Erkennnissse aus über 30 Jahren
Berufsausbildungsforschung und aus der Entwicklung der vergangenen
zwei, drei Jahrzehnte, unterstrich Bildungsministerin Edelgard
Bulmahn (SPD) in der Debatte. Für Monika Lazar von den
Bündnisgrünen ist diese Reform ein gutes Beispiel
dafür, "dass der Föderalismus in unserem Lande im
Bildungsbereich durchaus vernünftig funktionieren kann". Diese
Reform könne aber nicht das letzte Wort sein.
Die CDU/CSU-Fraktion bewertete vor allem den
Kompromiss in der Frage der Verbundausbildung positiv. Hier habe
die Union ihr Ziel erreicht. Als "Herzblutthema" seiner Fraktion
bezeichnete Uwe Schummer die Aufwertung der Stufenausbildung von
einer Ausnahme zu einer gleichwertigen Option.
Die FDP lobte das Erreichte zwar als einen
guten Einstieg. "Trotzdem ist Ihr Berufsbildungsreformgesetz nur
ein halber Schritt", rief die Bildungsexpertin der Liberalen und
neue Vorsitzende des Forschungsausschusses, Cornelia Pieper, in
Richtung der übrigen Fraktionen. Sie monierte unter anderem,
dass die Reform keine Flexibilisierung der
Ausbildungsvergütung vorsieht.
Dies kritisierte auch der Wirtschaftsminister
von Sachsen-Anhalt, Horst Rehberger (FDP). Durch eine flexiblere
Regelung der Ausbildungsvergütung könnte die Zahl der
Lehrstellen, vor allem in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit,
deutlich gesteigert werden. Der Bundesrat schlage daher vor,
anstelle der bisherigen Regelung nur noch eine Untergrenze der
Vergütung festzulegen, die bei etwa 180 Euro in den alten und
bei 150 Euro in den neuen Ländern liegen sollte.
Kritik in diesem Punkt hatte auch die
Wirtschaft geübt: Im Sinne des Bundesrates äußerten
sich sowohl die Bundesvereinigung der Deutschen
Arbeitgeberverbände als auch der Deutsche Industrie- und
Handelskammertag.
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