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Robert Luchs
Brillenträger wurden auf der Stelle
erschlagen
Ein internationales Tribunal in Kambodscha soll
über den Terror der Roten Khmer richten
Unvorstellbares geschieht in Kambodscha. Ein
Vierteljahrhundert nach dem Ende des Terrorregimes der Roten Khmer
und nach siebenjährigen, mehr oder weniger intensiven
Verhandlungen nimmt ein internationales Tribunal Gestalt an. Es
soll diejenigen richten, die Verantwortung tragen für die
Gräueltaten unter Diktator Pol Pot.
Unvorstellbar aber auch eine menschlich
anrührende Geschichte, die sich zeitgleich ereignet. In der am
entferntesten liegenden Provinz Ratanakiri, an der Grenze zu Laos
gelegen, kommen vier Familien aus dem Busch, in den sie 1979
geflohen waren, um sich vor den heranrückenden vietnamesischen
Truppen zu verstecken. Die Vietnamesen beendeten den fast
vierjährigen Albtraum der seelenlosen Rebellen, die alles
zerstörten, was ihrer Vision von einem Steinzeit-Kommunismus
im Wege stand.
Zu diesen Roten Khmer zählten auch die
vier Paare, die sich mit ihren damals vier Kindern in den Dschungel
von Ratanakiri verkrochen hatten. Romam Luong und Ly Moun trugen
die schwarze Uniform der Rebellen und aus Autoreifen geschnittene
Sandalen. Sie waren in ihren Dörfern rekrutiert worden, und
niemand weiß, ob und auf welche Weise sie sich schuldig
machten. Unter Pol Pot, der 1998 gestorben ist, sind 1,7 bis 2
Millionen Menschen umgebracht worden, die Intelligenz wurde
systematisch ausgerottet. Brillenträger galten von vornherein
als Feinde des Systems und wurden auf der Stelle erschlagen. Die
Roten Khmer versuchten mit brutaler Gewalt, das Land in eine
kollektive Agrargesellschaft umzuwandeln. Der Monsun wäscht
heute noch Gebeine aus dem Boden.
Romam Luong und Ly Moun mögen von den
Verbrechen gewusst haben. Waren sie Täter oder nur
Mitläufer? Es ist aber sicher, dass sie nicht zu denen
zählen, die in Phnom Penh vor das internationale Tribunal
gestellt werden. Zunächst sind sie glücklich, dass sie
ihre Verwandten wiedersehen können. Weitere Kinder wurden in
der Einsamkeit des Dschungels geboren. Als sie heranwuchsen,
mussten sie sich auf Geheiß der Eltern still verhalten,
durften nur leise reden; der vermeintliche Feind hätte sie ja
hören und entdecken können.
Ein Vierteljahrhundert danach soll Recht
gespro-chen werden in einem Land, in dem Rechtlosigkeit herrscht
und Urteile käuflich sind. Ein Vierteljahrhundert danach
tauchen Menschen auf, Zeugen einer grausamen Zeit. Sie sind der
lebende Beweis, dass die Schrecken der Roten Khmer der
Vergangenheit angehören, einer Vergangenheit, die wiederum
noch nicht so lange zurückliegt. Der frühere Soldat Romam
Luong ist heute gerade einmal 55 Jahre alt.
Kambodschas Ex-König Norodom Sihanouk,
der kürzlich sein Amt in die Hände seines Sohnes Noro-dom
Sihamoni legte, hatte mit der Unterzeichnung eines entsprechenden
Gesetzentwurfes den langen Weg zur Strafverfolgung ehemaliger
Führer der Roten Khmer geebnet. Zuvor hatte auch der
kambodschanische Verfassungsrat den Entwurf gebilligt. Dann folgten
Jahre einer Hinhalte-Taktik der Regierung unter
Ministerpräsident Hun Sen, der selbst als Regimentskommandeur
den Roten Khmer angehörte und zwei Jahre nach deren
Machtübernahme deserierte.
Ohne die Tätigkeit des
Kriegsverbrechertribunals in Den Haag würde die juristische
Aufarbeitung in dem südostasiatischen Land vermutlich immer
noch stagnieren. Den Haag übte eine Art Sogwirkung aus und
verstärkte den internationalen Druck auf die Regierung von Hun
Sen, der im vergangenen Jahr zwölf Monate nach den
Parlamentswahlen durch Ämterkauf seine Machtbasis
absicherte.
Der Unterschied zu dem Haager Tribunal
besteht allerdings darin, dass deren Richter ziemlich genau wissen,
wen sie aufgrund welcher Verbrechen abzuurteilen haben. Anders in
Phnom Penh: In Haft sind seit über fünf Jahren lediglich
der frühere Militärbefehlshaber Ta Mok ("der
Schlächter mit dem Holzbein") und Kang Kek Ieu, der das
berüchtigte Foltergefängnis Tuol Sleng in Phnom Penh
leitete. In der so genannten Abteilung S-21 kamen rund 16.000
Menschen unter schrecklichen Umständen ums Leben.
Andere ranghohe Führer der Roten Khmer,
etwa der frühere Staatschef im "Demokratischen Kampuchea",
Khieu Samphan, und der Chefideologe Nun Chea leben nach
Vereinbarungen mit der Regierung seit Jahren unbehelligt in Pailin
an der Grenze zu Thailand. Auch Ieng Sary, als damaliger
Außenminister die "Nummer drei" in der Hierarchie der Roten
Khmer, kann sich im Land frei bewegen und Verwandte in seiner nahe
der russischen Botschaft gelegenen Villa in Phnom Penh besuchen.
Jetzt, wo das Tribunal näher rückt, beruft sich Ieng Sary
auf seine Amnestierung durch Ex-König Sihanouk. Die Absolution
hatte er erhalten, als er sich rechtzeitig mit seinen
Guerillakämpfern von Pol Pot lossagte. Dabei gehört er zu
den Hauptverantwortlichen der Mordmaschine: 148 von ihm
heimgerufene Diplomaten und Elitekader starben im
Foltergefängnis Tuol Sleng.
Wolfgang Meyer, der Repräsentant der
Konrad-Adenauer-Stiftung in Phnom Penh, geht von sieben bis neun
führenden Köpfen der Roten Khmer aus, die sich den
Richtern stellen müssten. Wer zur Verantwortung gezogen werden
kann, ist auch deswegen so schwer zu beantworten, weil viele
ehemalige Offiziere und Befehlshaber ihren Wohnsitz gewechselt
haben und oft unter falschem Namen untergetaucht sind. Selbst wenn
sie in abgelegenen Provinzen bekannt sein sollten, werden sie aus
Angst vor Racheakten den Behörden nicht gemeldet. Die
dämonischen Kräfte der Vergangenheit sind nach
buddhistischem Glauben unberechenbar, es ist gefährlich, sie
zu reizen.
Steve Heder, einer der besten Kenner der
jüngsten kambodschanischen Vergangenheit und Autor mehrerer
Bücher darüber, schätzt die Zahl der noch lebenden
Hauptverantwortlichen auf zehn und im weiteren Sinn noch einmal auf
50, die sich dem Tribunal stellen müssten. Größte
Sorge bereitet dem amerikanischen Journalisten und Dozenten Heder
aber die Entschlossenheit einflussreicher kambodschanischer
Politiker, die vor Beginn des Tribunals dringend erforderliche
Schulung einheimischer Richter zu verhindern. Für die
politische Elite in Kambodscha stellten unabhängige Juristen
eine Gefahr dar; je besser deren Ausbildung sei, desto
gründlicher könnten sie den Politikern auf die Finger
sehen und womöglich korrupte Machenschaften
anprangern.
Schließlich sei politische Einflussnahme
- unter Umständen auch durch Diplomaten anderer Regierungen -
auch dann zu befürchten, wenn das Tribunal seine
Tätigkeit aufgenommen habe.
Kurz vor Jahresende traf erneut eine
UN-Delega-tion in Phnom Penh ein, um gemeinsam mit der
kambodschanischen Seite letzte Details zu besprechen. Unter der
Leitung des Ägypters Mohamed Said ging es vor allem um die
Kosten für das Tribunal, die über 56 Millionen Dollar
betragen sollen - "peanuts", wie Said vor der Presse betont, im
Vergleich zu den Kosten anderer internationaler Tribunale, wie in
Ruanda oder Sierra Leone. Bisher haben lediglich Japan drei und
Australien rund zwei Millionen Dollar zugesagt, Frankreich will
angeblich eine Million beisteuern. Damit ist das Tribunal, für
dessen Tätigkeit drei Jahre veranschlagt werden, erst zu zehn
Prozent finanziert.
Mohammed Said stellt klar, dass das Gericht
erst dann mit seiner Arbeit beginnt, wenn die Finanzierung
gesichert ist. Es gibt bisher keinen Hinweis darauf, dass die USA
mit ihrer ausgeprägten Skepsis gegenüber internationalen
Gerichten auch nur einen Dollar hinlegen werden. In Berlin wird
noch geprüft, ob ein deutscher Richter vorgeschlagen werden
soll. Europäische diplomatische Kreise in Phnom Penh
plädieren für ein stärkeres Engagement der
Deutschen. Gerade auf Grund seiner jüngeren Geschichte sollte
Deutschland dazu beitragen, dass politische Verbrechen nicht
straflos bleiben.
Sean Visoth, Sprecher der kambodschanischen
Ar-beitsgruppe, spricht von einem "überfälligen Prozess"
und zeigt sich zugleich optimistisch, dass das Tribunal in der
ersten Hälfte 2005 endlich damit beginnen kann, die Schuldigen
des - seit der Vernichtung der europäischen Juden -
generalstabsmäßig organisierten Massenmords zu
überführen. Visoth überrascht die UN-Diplomaten, die
bereits zum dritten Mal nach Phnom Penh gereist sind, mit dem
Vorschlag, das Tribunal nicht, wie ursprünglich vorgesehen, im
Chaktomuk-Theater stattfinden zu lassen, sondern im Hauptquartier
der kambodschanischen Streitkräfte nahe dem
Pochen-tong-Flughafen. Dort sei die größtmögliche
Sicherheit gewährleistet, betont der Generalsekretär der
Arbeitsgruppe. Außerdem könnte auf diese Weise noch
einmal eine Million Dollar eingespart werden.
Befürchtungen von Journalisten, ob nicht
Verhand-lungen vor einem internationalen Tribunal in un-mittelbarer
Nähe Tausender von Soldaten auf Zeugen und Anwälte
gleichermaßen einschüchternd wirken müssten, weist
Visoth als unbegründet zurück. Die Vorteile eines solchen
Standorts würden eindeutig überwiegen - schon aus
logistischen Gründen. Das Tribunal würde seine Arbeit
völlig unabhängig von den Operationen der Armee leisten
können.
Wie weit aber ist die Tatsache, dass es nach
Jahren der Ungewissheit nun doch zu einem Tribunal gegen die
Massenmörder kommen soll, von den vielfach noch heute
traumatisierten Kambodschanern registriert worden? Und sollte das
der Fall sein, haben sie - in einem der ärmsten Länder
der Welt lebend - bei ihrem täglichen Existenzkampf nicht ganz
andere Sorgen, als die dunkle Vergangenheit aufzuarbeiten? Da gibt
es nicht wenige, die nicht länger von den Roten Khmer sprechen
wollen, sondern nur noch von der Gemeinschaft der Khmer. Ein
nationaler Gedanke also, der zur Versöhnung in einem Land
führen soll, dem noch gewaltige Anstregungen sowohl
wirtschaftlicher wie auch politischer Art bevorstehen.
Auch die Kirche bietet Versöhnung an,
"aber diese setzt Gerechtigkeit voraus," macht sich der Bischof von
Phnom Penh, Emile Destombes, zum Fürsprecher des Tribunals. Im
Jahre 1989 war er der erste Priester, der in Phnom Penh die Arbeit
wieder aufnahm. Destombes erinnert sich noch genau: Ostern 1990
hielt er eine Messe in einem Kino, und das Unerwartete geschah.
1.500 Menschen drängten sich in dem überfüllten
Saal, umarmten sich und ließen ihren Gefühlen freien
Lauf. Diese Messe habe wie eine spontane Befreiung von 30 Jahren
Bürgerkrieg und Selbstzerfleischung gewirkt. Die Horden der
Roten Khmer hatten alle Pagoden und Kirchen vernichtet und die
Mehrzahl der buddhistischen Mönche umgebracht. Auch viele
katholische Priester, Ordensleute und Laien mussten
sterben.
Aber den Steinzeit-Kommunisten war es nicht
gelungen, den Glauben der Menschen - zu 95 Prozent Buddhisten - zu
töten. "Dass wir heute eng mit der buddhistischen Gemeinschaft
zusammenarbeiten, liegt in den Wurzeln der jüngsten
Vergangenheit," sagt der Bischof, der in der Diözese Phnom
Penh rund 13.000 Katholiken betreut. Nur schrittweise werde es
gelingen, meint Destombes, die moralischen und ethischen Werte in
einem Volk wieder zu verankern, das bis in die jüngste
Vergangenheit brutalsten Formen der Gewalt und Rechtlosigkeit
ausgesetzt gewesen sei.
Mehr als noch vor wenigen Jahren bemühen
sich so genannte "Offene Foren", Menschenrechtsorganisationen und
die Universitäten, das Rechtsbewusstsein bei den Jugendlichen
zu stärken. Cheang Sokha leitet ein Entwicklungsprogramm
für Jugendliche (YRDP), vor allem Studenten, und bemüht
sich seit einiger Zeit, mit ihnen auch über das internationale
Tribunal zu diskutieren. Seine These: Soziale Gerechtigkeit kann
nur durch absolute Gewaltlosigkeit erreicht werden. Das Jahr 2004
neigt sich dem Ende zu, als Sokha 50 Studenten und zwei Experten
einlädt, Am Sokhim vom kambodschanischen Dokumentationszentrum
(DC-Cam) und den Juristen Long Panhavuth, bestens vertraut mit der
Vorgeschichte des Tribunals gegen die Roten Khmer. Es ist
überzeugend, wie wichtig die Arbeit solch kleiner
Organisationen wie YRDP ist, die von der katholischen
Hilfsorganisation "Misereor" unterstützt wird.
Skeptische Fragen der Studenten begleiten die
Vor-träge. Steht die Regierung überhaupt hinter dem
Tribunal oder benutzt sie es nur als Alibi-Veranstaltung? Eine
Studentin äußert den Verdacht, Ministerpräsident Hun
Sen wolle nur erreichen, dass das Kapitel Rote Khmer mit der
Aburteilung einiger Sündenböcke so schnell wie
möglich beendet wird. Kritisch merken die Jugendlichen an,
dass die Regierung nichts tue, um die Bevölkerung über
das Tribunal zu informieren. In der Hauptstadt nicht und auf dem
Lande schon gar nicht. Worauf die Referenten die Studenten in die
Pflicht nehmen: Ihr müsst euch gründlich informieren,
dann dieses Wissen an die Bevölkerung weiter geben und darauf
drängen, dass die Öffentlichkeit während der
Verhandlungen gewährleistet ist. "Ihr alle seid das Tribunal!"
ruft Long Panhavuth den Jugendlichen zu.
Peter Köppinger, Leiter des
Asien-Referats der Konrad-Adenauer-Stiftung, wiederum fragt, ob ein
Tribunal das richtige Mittel ist, die furchtbaren Verbrechen der
Roten Khmer aufzuarbeiten. "Manches spricht dafür, dass eine
Wahrheitskommission, wie nach dem Ende der Apartheid in
Südafrika, ein besseres Mittel gewesen wäre." Denn das
Tribunal könne nur eine Handvoll Hauptschuldiger richten, gibt
Köppinger zu bedenken. "Aber was ist mit den vielen
Zehntausenden, die sich - oft auch aus freien Stücken - an den
Gewaltorgien und Morden beteiligt haben und heute überall in
Kambodscha an Orten leben, wo man ihre Herkunft und ihr Tun
während der Schreckensjahre nicht kennt?"
Ganz anders beurteilt Andrea Behm die
Situation: "Die kambodschanische Seele ruft nach Aufarbei-tung",
ist die Juristin überzeugt, die im Khmer Institute of
Democracy gemeinsam mit einem halben Dutzend kambodschanischen
Mitarbeitern eine Umfrage gestartet hat. Diese förderte
erstaunliche Ergebnisse zutage und widerlegt die Behauptung, man
solle die Toten ruhen lassen und die Dämonen ja nicht
verärgern. Eine überwältigende Mehrarbeit von 96,8
Prozent der 536 befragten Kambodschaner im Alter von mindestens 30
Jahren spricht sich rückhaltlos für das Tribunal aus.
95,1 Prozent fordern öffentliche Verhandlungen. Mit dem
Mindestalter der Befragten soll sichergestellt werden, dass sie das
Regime noch erlebt haben. Die Interviews mit Vertretern aller
Schichten fanden im August 2004 in zehn Provinzen statt. Um ein
möglichst objektives Bild zu erhalten, sparten die Interviewer
Hochburgen der Roten Khmer wie Pailin und Anlong Veng
aus.
Gegen Forderungen, die schreckliche
Vergangen-heit ruhen zu lassen, sprechen sich auch die 89,1 Prozent
aus, die sich immer noch mit dieser Zeit beschäftigen. Sie
sind entweder darüber verärgert, dass die Anführer
von damals frei herumlaufen, sie werden nach wie vor von
Angstzuständen geplagt, sind unglücklich oder wollen
einfach, dass die nächste Generation über die
Vergangenheit Bescheid weiß. 23 Prozent der Befragten werden
von Albträumen geplagt, wenn sie über das Regime der
Roten Khmer sprechen. Über 60 Prozent haben damals ein bis
fünf Familienmitglieder verloren, bei 13 Prozent sind es sogar
sechs bis zehn Familienangehörige. Immerhin 7,6 Prozent ist
der Meinung, ein Prozess könnte erneut Kämpfe im Land
provozieren, und 55,8 Prozent wollen genaue Informationen über
den Ablauf des Gerichtsverfahrens.
Andrea Behm, seit fast drei Jahren im Land,
geht von einer fünf- bis sechsjährigen Prozessdauer aus.
Zunächst müsse festgelegt werden, wer angeklagt wird. In
dem entsprechenden Gesetz ist von den "senior leaders" des Regimes
die Rede, also der Führung des Zentralkomitees, und "those who
were most responsible for the crimes", jenen also, die die
größte Verantwortung für die Verbrechen tragen. Eine
recht schwammige Formulierung, die noch manche Auseinandersetzung
zwischen den zuständigen Richtern erwarten lässt. Wobei
von den sieben kambodschanischen Richtern nur drei die juristischen
Voraussetzungen für ein internationales Verfahren dieser Art
mitbringen. Ein deutscher Volljurist, so Behm, brauche allein ein
Jahr, um sich mit dem internationalen Strafrecht vertraut zu
machen.
Sorge bereitet der deutschen Beraterin vor
allem die offensichtliche politische Einflussnahme. Ein geradezu
kurioses Beispiel: Der Supreme Council of Magistracy, die Oberste
Justizverwaltung, der unter anderem der König, der
Justizminister, der Präsident des Obersten Gerichtshofes und
der Präsident des Berufungsgerichts angehören,
schlägt als Kandidaten für die zweite Kammer des
Tribunals quasi sich selbst vor. In der Vorschlagsliste für
die in Frage kommenden Richter tauchen nämlich wieder die
Namen des obersten Richters Dith Munty und des Vorsitzenden des
Berufungsgerichts, Ly Vouch Leng, auf. Wie das Tribunal unter
dieser Voraussetzungen unabhängig agieren soll, fragen sich
nicht nur ausländische Berater. Ebenso skandalös ist die
Tatsache, dass der oberste Richter Dith Munty sowohl Pol Pot als
auch Ieng Sary im Prozess 1979 als Verteidiger vertreten hat. Das
schreit geradezu nach Befangenheit.
Kek Galabru, eine der angesehensten
Menschen-rechtlerinnen in Kambodscha, weiß um die eklatanten
Schwächen des Rechtssystems. Sie begrüßt zwar die
Fortschritte beim Zustandekommen des Tribunals. Für sie ist es
allerdings "völlig unverständlich," wie Richter und
Staatsanwälte juristisch einwandfrei arbeiten sollen, die
unter dem Einfluss der regierenden Partei CPP stehen und nicht
selten sogar von ihr bezahlt werden.
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