Friedhelm Wolski-Prenger
Was will die große Volkspartei?
CDU-Positionsen zu Wirtschaft, Sozial- und
Gesellschaftspolitik
Die CDU-Politiker Friedrich Merz und Hermann-Josef Arentz
prägten noch vor wenigen Monaten die finanz- und
sozialpolitischen Debatten in ihrer Partei und weit darüber
hinaus. Inzwischen ist es stiller um sie geworden; Merz hat sich
aus dem Fraktionsvorstand der Union zurückgezogen, Arentz
musste nach Vorwürfen zu Position und Geld von seinen
einflussreichen Ämtern zurücktreten. Gleichwohl sind ihre
Bücher wichtig, sind sie doch Positionsbestimmungen zur
Diskussion in der CDU, die aufgrund der jüngsten politischen
Entwicklungen allgemeines Interesse beanspruchen können.
Verblüffend die biografischen Parallelen zwischen Arentz
und Merz. Beide sind nahezu gleichaltrig, verfügen über
akademische Abschlüsse, kommen aus Nordrhein-Westfalen, sind
Familienväter römisch-katholischen Bekenntnisses,
langjährige Parlamentarier, waren CDU- Spitzenpolitiker (beide
zeitgleich im Parteipräsidium vertreten); beide haben fast
zeitgleich ein themenähnliches Buch geschrieben. Und beide
sind einander in herzlicher politischer Abneigung verbunden. Kaum
zu glauben, dass diese beiden Autoren derselben Partei
angehören.
Merz verfügt über ein solides Selbstbewusstsein. Als
erfolgreicher Jurist kann er überzeugend plädieren. Als
ebenso erfahrener wie gefürchteter Debattenredner kennt er
alle rhetorischen Mittel, um der eigenen Position zum Durchbruch zu
verhelfen. Für ein Buch ist diese Methode jedoch wenig
geeignet. "Nur wer sich ändert, wird bestehen" wirkt wie eine
überlange Parlaments- oder Parteitagsrede. Lange Passagen
erweisen sich als inhaltsleer, wenngleich blendend formuliert.
Bei einer Lektüre fallen zudem innere Widersprüche
eher auf als bei einer beifallsumbrandeten Philippika gegen die
Sozialdemokratie oder "Sozialbetrüger". Das Buch ist voller
solcher Widersprüche. Merz beklagt ausführlich die
schlechte deutsche Stimmungslage, allfälliges Gejammere und
lähmende Zukunftsängste, um anschließend
Deutschlands Gegenwart und Zukunft in den schwärzesten Farben
zu malen. Er bedauert die Entmachtung des Bundestages durch
Talkshows und diverse Komissionen und empfiehlt sodann, dass die
Parlamentarier wirtschaftspolitisches Denken einstellen mögen,
da doch die "Fünf Weisen" viel besser Bescheid
wüssten.
An eine Parlamentsrede erinnert das Buch auch, weil Hinweise auf
das geistige Eigentum anderer nahezu durchgängig fehlen. Alles
liest sich wie selbst erdacht. Dabei sind geistige Anleihen
allerorten erkennbar. So schließt sich der Autor der
Konstruktion der "Basar-Ökonomie" an, ohne dies (bis auf die
Nennung von Hans-Werner Sinn unter "Ausgewählte Literatur") zu
kennzeichnen oder gar zu belegen. Ernsthafte Ökonomen haben
Sinns These zwischenzeitlich widerlegt. Hinsichtlich der
demografischen Entwicklung und der "Überalterung des Ostens"
wird kennzeichnungslos Meinhard Miegel referiert.
Dass die neoliberale pressure-group "Initiative Neue Soziale
Marktwirtschaft" Friedrich Merz als "Reformer des Jahres 2004"
preiswürdig fand, lässt sich nach Lektüre seines
Bekenntnisbuches gut verstehen. Die metallarbeitgeberfinanzierte
"Manipulationsmaschine" (Thomas Leif vom "Netzwerk Recherche") fand
vor allem die Steuerreform-Vorschläge des vormaligen finanz-
und wirtschaftspolitischen Sprechers der Unions- Bundestagfraktion
lobenswert. Dieser verzichtet nicht darauf, das Konzept in ganzer
Länge zu einem Kapitel seines Buches werden zu lassen.
Mittelmäßiges politisches Personal
Als radikaler Reformer versteht sich Merz ganz offenbar auf
vielen Feldern. Er kritisiert, dass die deutsche politische Kultur
zu sehr von Konsensdenken geprägt sei. Auch deswegen will er
das bundesdeutsche Mischwahlsystem abschaffen und durch das
angelsächsische Mehrheitswahlsystem ersetzen. Die von Merz
bemängelte parteiübergreifende Mittelmäßigkeit
des politischen Personals käme dadurch an ihr Ende und die
inhaltlichen Fronten würden dadurch klarer. Was wohl die FDP
davon hält?
Merz lässt keine Zweifel, wo er seine Gegner sieht -
überall dort, wo das Hohe Lied der freien Marktwirtschaft
nicht hinlänglich laut gesungen wird. Wer es etwa, wie die
Globalisierungsskeptiker und Tobinsteuer-Befürworter von
"attac", wagt, auf negative Auswirkungen ungeregelten
Kapitalverkehrs hinzuweisen, wird zum "gewaltbereiten" und
polizeilich zu bekämpfenden Problem erklärt.
Aber auch in der eigenen Partei sieht Merz Bremser am Werk. Die
suchen eher den Konsens mit "den Sozialdemokraten" als mit ihm.
Einer von ihnen, Hermann- Josef Arentz, hat sich aufgrund der
"Gehaltsaffäre" von seiner politischen Karriere verabschieden
müssen. Als sozialpolitisches Gewissen der CDU hat Arentz
ausgedient, - eine "Katastrophe für die Arbeitnehmerbewegung",
bedauert Karl-Josef Laumann, sein Nachfolger im
Parteipräsidium, als designierter Arbeitsminister in
Nordrhein- Westfalen und voraussichtlich auch im Amt des
Vorsitzenden der CDA.
Vor seinem Fall war Arentz als Vorsitzender des
Arbeitnehmerflügels (CDA) innerorganisatorisch unumstritten.
Sein Buch dürfte daher über sein persönliches
Schicksal hinaus von Interesse sein. Seine Position steht der von
Merz diametral entgegen, worauf Arentz mehrfach unter Nennung des
Kontrahenten verweist. "Von Gerechtigkeit kann keine Rede sein,
wenn ... der Finanzexperte der Union, Friedrich Merz, den
Missbrauch der Sozialhilfe öffentlich lauter anprangert als
die fünfhundertmal so große Steuerhinterziehung in
Deutschland."
Arentz belegt seine Argumentation mit korrekten Zitaten, stellt
den - von ihm als Errungenschaft verstandenen - Sozialstaat
allerdings etwas einseitig als Werk allein der Unionsparteien dar.
Gerade die sozialen Sicherungsmechanismen, die für Merz
Ursache allens Übels sind, stellen für Arentz die
notwendigen Leitplanken für unumgängliche
ökonomische Veränderungen dar. Und während Merz die
"Funktionärsherrschaft" der Gewerkschaften
zurückdrängen will, empfiehlt Arentz der CDU, in die
wegen Hartz-IV aufgebrochene Lücke zwischen DGB und SPD zu
stoßen und das Verhältnis zu den Gewerkschaften zu
verbessern.
Leser beider Werke dürfen keine wissenschaftlich
abgesicherte Argumentation erwarten. Die Einblicke in das
gegensätzliche Denken der christdemokratischen
Parteiflügel lassen aber spannende Auseinandersetzungen
für den Fall der Regierungsübernahme dieser Partei
erwarten. Von "Einheit" in der Union kann jedenfalls nach der
Lektüre der beiden Bücher von Friedrich Merz und
Hermann-Josef Arentz nicht die Rede sein.
Friedrich Merz
Nur wer sich ändert, wird bestehen.
Vom Ende der Wohlstandsillusionen -
Kursbestimmung für unsere Zukunft.
Herder- Verlag, Freiburg/Br. 2004; 223 S. 19,90 Euro
Hermann-Josef Arentz
Sozialstaat im Härtetest.
Droste- Verlag, Düsseldorf 2004; 224 S., 16,95
Euro
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