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K. Rüdiger Durth
CDU gewinnt an Rhein und Ruhr
Norhein-Westfalen - Vier Jahrzehnte
SPD-Vorherrschaft gebrochen
Eigentlich hätte die SPD in
Nordrhein-Westfalen am Abend des 22. Mai 2005 ganz zufrieden sein
können. 3.053.000 Bürger des mit 18 Millionen Menschen
größten Bundeslandes hatten ihr und ihrem inzwischen
durchaus populär gewordenen Ministerpräsidenten Peer
Steinbrück ihre Stimme gegeben. Lediglich 84.000 weniger als
im Jahr 2000. Damals wurde Steinbrücks Vorgänger Wolfgang
Clement wiedergewählt. Nicht an der Zahl der absoluten Stimmen
für die SPD lag es also, dass Steinbrück im Gegensatz zu
Clement abgewählt wurde, sondern an der höheren
Wahlbeteiligung, die von 56,7 Prozent im Jahr 2000 auf 63 Prozent
anstieg und vor allem der CDU zu gute kam.
Jürgen Rüttgers hingegen, der am 8.
Juni bei der konstituierenden Sitzung als strahlender Sieger in den
Düsseldorfer Landtag einziehen wird, konnte sich am Wahlabend
über 3.696.000 Stimmen freuen, knapp eine Million mehr als bei
der letzten Landtagswahl. Schon damals wollte er in das
Düsseldorfer Stadttor einziehen, dem aus Glas und Stahl
bestehenden Amtssitz des nordrhein-westfälischen
Regierungschefs. Forsa-Chef Manfred Güllner hat
herausgefunden, dass dieser Stimmengewinn nicht nur auf
enttäuschte Sozialdemokraten zurückzuführen ist,
sondern vor allem auf die große Mobilisierung der
Unions-Anhänger.
Im Jahr 2000 hatte Rüttgers,
promovierter Jurist und ehemaliger "Zukunftsminister" unter
Bundeskanzler Helmut Kohl, vor allem gegen die Spendenaffäre
der eigenen Partei anzukämpfen. Diesmal mussten sich die
Sozialdemokraten im Jahr 2005 mit Hartz IV herumschlagen, aber eben
auch mit mehr als einer Million Arbeitslosen allein in
Nordrhein-Westfalen. Allerdings blieben diesmal viele
SPD-Anhänger nicht der Wahlurne fern, sondern stimmten
für die CDU. Die Union hingegen konnte nicht zuletzt mit ihrem
Slogan "39 Jahre sind genug" viele Wähler mobilisieren. Aber
auch viele Menschen, die vor fünf Jahren dem damaligen
FDP-Landesvorsitzenden Jürgen W. Möllemann ihre Stimme
gegeben hatten, kehrten zur Union zurück.
7,9 Prozent mehr für die CDU
In Prozentzahlen sieht das Ergebnis der Wahl
an Rhein und Ruhr, die auch gern als "kleine Bundestagswahl"
bezeichnet wird, so aus: CDU 44,8 ( plus 7,9 ) Prozent), SPD 37,1
(minus 5,7) Prozent, Grüne 6,2 (minus 0,9) Prozent und FDP
ebenfalls 6,2 (-3,7) Prozent. Auf die "anderen Parteien" entfielen
5,7 (plus 2,7) Prozent der Stimmen - davon zwei Prozent auf die
Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit ehemaliger linker
Sozialdemokraten und Gewerkschaftler (WASG), die sich vor allem
für die Rücknahme von Hartz IV auspricht. Das
Wahlergebnis spült dieser Partei nun rund 300.000 Euro
Wahlkampfgelder in die klamme Kasse.
Im politischen Erdbeben, das die
nordrhein-westfälische Landtagswahl in Berlin auslöste,
ging freilich dieses Ergebnis unter: Die NPD, die vor einigen
Wochen noch fest damit gerechnet hatte, in den Düsseldorfer
Landtag zu kommen, kam gerade einmal auf 0,9 Prozent. Damit geht
sie auch bei der Wahlkampfkostenerstattung leer aus, denn diese
wird erst ab einem Prozent der Wählerstimmen fällig. Das
gleiche Schicksal erlitten auch die "Republikaner", die noch etwas
schlechter als die NPD abschnitten. Die anderen Mini-Parteien (von
der Tierschutzpartei bis zur Partei Bibeltreuer Christen (die auch
nicht in allen Wahlkreisen angetreten waren) erzielten nicht einmal
Achtungserfolge.
Die Forschungsgruppe Wahlen hat ermittelt,
dass der überzeugte katholische Christ Jürgen
Rüttgers nicht zuletzt den Glaubensgenossen seinen politischen
Sieg zu verdanken hat. Denn 56 Prozent der Katholiken, die sich an
der Wahl beteiligten, gaben dem CDU-Herausforderer ihre Stimme.
Dazu kamen 37 Prozent Protestanten und 28 Prozent Konfessionsloser.
Hingegen wählten 44 Prozent der Protestanten und 41 Prozent
der Konfessionslosen den vor vielen Jahren schon aus der
evangelischen Kirche ausgetretenen SPD-Spitzenmann Peer
Steinbrück. Wäre es nach den Protestanten an Rhein und
Ruhr gegangen, wäre die letzte rot-grüne Landesregierung
nicht abgewählt worden. Die Freien Demokraten finden
traditionell im Westen unter den Konfessionslosen viele
Wähler.
Kurz vor der Wahl hatten die Leiter der drei
evangelischen Kirchen auf dem Gebiet von Nordrhein-Westfalen - die
Präsides Nikolaus Schneider (Rheinland) und Alfred Buß
(Westfalen) sowie Landessuperintendent Gerrit Noltensmeier (Lippe)
- die Christen zur Wahlteilnahme aufgerufen. Eine Wahlempfehlung
freilich gab es nicht, sieht man davon ab, dass sie darum baten,
keine extremistischen Parteien zu wählen. Allerdings hatte die
Diakonie des Landes einige Wahlprüfsteine im Wahlkampf
erarbeitet, die vor allem die Situation der im Schatten der
Gesellschaft lebenden Menschen betraf.
Erdrutsch kam nicht unverhofft
Der von vielen als erdrutschartig empfundene
Sieg der CDU kam nicht ganz so überraschend, wie er von vielen
bezeichnet wird: Längst hatte die Union auch viele
Rathäuser in nordrhein-westfälischen
Großstädten erobert - von Köln bis Düsseldorf,
von Düsseldorf bis Wuppertal (wo einst Johannes Rau
Oberbürgermeister war). Selbst im Ruhrgebiet, dem "roten
Herzen" des Landes, sind CDU-Oberbürgermeister keine
Seltenheit mehr. Auch hatte die schwere Niederlage der
populären "roten Heide" Simonis in Schleswig-Holstein ihre
Schatten auf Nordrhein-Westfalen geworfen.
Bleibt man im Farbenspiel Rot-Schwarz, dann
zeichnete sich früher Nordrhein-Westfalen als ein tief rotes
Land mit schwarzen Rändern aus. Nach dem 22. Mai 2005 freilich
ist die Landkarte schwarz mit roten Flecken geworden. Vorbei die
Zeiten, als fast alle Wahlkreise in Nordrhein-Westfalen an die SPD
gingen. Diesmal blieben nur einige in Köln und in Ostwestfalen
sowie im Zentrum des Ruhrgebietes (beispielsweise Duisburg, Essen,
Gelsenkirchen, Bochum, Dortmund, Unna) bei der SPD. Die Grünen
(auf die 865 Stimmen mehr als auf die FDP entfielen) haben in
Nordrhein-Westfalen noch kein Landtagsmandat direkt
erobert.
Enttäuscht sind nicht zuletzt die
Grünen von dem Wahlausgang. Sie hatten gehofft, trotz der
Berliner Visa-Affäre mit dem dadurch politisch stark
angekratzten Vizekanzlers Joschka Fischer, ihren Stimmenanteil
gegenüber dem Jahr 2000 zu verbessern. Schließlich lagen
sie lange Zeit in den Umfragen bei zehn Prozent und konnten mit
Michael Vesper, dem stellvertretenden Ministerpräsidenten, und
der bundesweit bekannten Umweltministerin Bärbel Höhn im
Wahlkampf nur wenig punkten.
Die SPD hingegen hatte mit dem Negativwind
aus Berlin zu kämpfen, obwohl sie neben dem
Ministerpräsidenten auch einige bekannte Landesminister
aufzubieten hatte (Finanzminister Jochen Dieckmann, Innenminister
Fritz Behrens, oder Arbeitsminister Harald Schartau). Doch diesmal
nutzte der Regierungs-Bonus nichts. Auch die beiden TV-Duelle
konnten die Wende zugunsten der SPD nicht mehr herbeiführen.
Zu groß war die Enttäuschung der Arbeiter und
Arbeitslosen (die in Scharen zur CDU überliefen), zu groß
die Wechselstimmung geworden. Immerhin konnte
Ministerpräsident Peer Steinbrück seinen Wahlkreis mit
mehr als 50 Prozent der Stimmen verteidigen. Gleiches gilt
übrigens auch für Herausforderer Jürgen
Rüttgers.
Die von SPD-Chef Franz Müntefering
(einst SPD-Chef in Nordrhein-Westfalen und Düsseldorfer
Sozialminister) entfachte Kapitalismus-Debatte fand zwar an Rhein
und Ruhr großen Widerhall, wirkte sich aber auf das
Wahlverhalten kaum aus. Immerhin konnte Rot-Grün die
Erstwähler für sich gewinnen. 39 Prozent von ihnen gaben
der SPD ihre Stimme, zwölf den Grünen. Lediglich ein
Drittel der Erstwähler sprach sich für eine
CDU/FDP-Koalition aus. Auch von denen, die sich erst am Wahltag
für eine Partei entschieden, stimmten 40 Prozent für die
SPD, nur 36 Prozent für die CDU.
Die CDU wurde stärkste Kraft bei den 30-
bis 40-Jährigen. Von diesen stimmten 42 Prozent für
Rüttgers. Noch stärker war die Zustimmung bei den
über 60-Jährigen, von denen 51 Prozent für die Union
stimmten. Auch hier fiel nicht sonderlich ins Gewicht, dass die
Union im Wahlkampf thematische Festlegungen weitgehend vermied. Das
Thema Arbeit und Arbeitslosigkeit überlagerte jedes andere
Thema, auch das der Schule (hier rückte die SPD von ihrem
ursprünglichen Plan einer Einheitsschule ab) sowie der inneren
Sicherheit. Ob die CDU es schafft, eines ihrer wenigen konkreten
Wahlversprechen in die Tat umzusetzen, bleibt abzuwarten -
nämlich einige hundert Lehrer zusätzlich
einzustellen.
Zweikampf Steinbrück -
Rüttgers
In der letzten Phase des
nordrhein-westfälischen Wahlkampfes, in der sich auch
unzählige Bundespolitiker engagierten, wurde die
Auseinandersetzung zu einem Zweikampf zwischen
Ministerpräsident Peer Steinbrück und seinem
CDU-Herausforderer Jürgen Rüttgers. Darauf führen
auch die beiden kleineren Parteien ihre Stimmenverluste
zurück. Denn in diesem Zweikampf hätten sie keine Chance
gehabt. Das galt vor allem für die FDP, zumal es bei der
nordrhein-westfälischen Landtagswahl nur eine Stimme gibt,
also ein Stimmensplitting nicht möglich ist.
Kein Wunder, dass sich FDP-Landeschef Andreas
Pinkwart (MdB) und Fraktionschef Ingo Wolf (als ehemaliger
Oberkreisdirektor ein versierter Kommunalpolitiker), nicht so
richtig über das Wahlergebnis von 6,2 Prozent freuen konnten.
Dennoch wird die FDP nach vielen Jahren harter Opposition mit zwei
Ministern in die Landesregierung zurückkehren. Einer davon
wird wahrscheinlich Ingo Wolf sein. Ob Pinkwart, im Hauptberuf
Wirtschaftsprofessor in Siegen, nach Düsseldorf wechselt, ist
noch völlig offen. Wahrscheinlich aber wird er in Berlin
bleiben, zumal er im heraufziehenden Bundestagswahlkampf für
den FDP-Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen verantwortlich
ist.
Der designierte Ministerpräsident
Jürgen Rüttgers, der im Wahlkampf an 100 Veranstaltungen
mit 52.000 Teilnehmern teilnahm, zeigte sich nach dem großen
Erfolg in Düsseldorf und tags drauf im Berliner
Konrad-Adenauer-Haus als strahlender Sieger: "Man ist einfach nur
glücklich." Das Glücksgefühl wird bald harter Arbeit
weichen. Denn er will so schnell wie möglich mit der FDP
Koalitionsverhandlungen führen. An erster Stelle des
Regierungsprogramms sollen die Bekämpfung der
Arbeitslosigkeit, die Verbesserung der Bildungsmöglichkeiten
und die Konsolidierung des Landeshaushaltes stehen. 110 Milliarden
Euro Schulden lassen kaum Spielraum. Der CDU-Politiker Helmut
Linssen, bislang Vizepräsident des Landtages, ahnte bereits am
Wahlabend, dass das Regieren an Rhein und Ruhr zu einem harten
Stück Arbeit wird.
Der große Wahlverlierer SPD will bald
eine faire, aber harte Oppositionsarbeit aufnehmen. Der bisherige
Ministerpräsident hat angekündigt, sein Landtagsmandat
anzunehmen, aber sonst keine politische Aufgabe im Land
anzustreben. Zumindest gegenwärtig nicht. Leicht wird es
für die SPD nicht im Landtag, denn mit ihren 74 Abgeordneten
kann sie wenig gegen die 89 von der CDU und den 12 von der FDP
ausrichten. Die CDU kann ihr berichten, wie hart dieses Los ist,
das sie fast vier Jahrzehnte teilen musste.
Umgekehrt wird der künftige
Ministerpräsident Jürgen Rüttgers viel von der Demut
gebrauchen können, die er am Wahlabend angesichts des
großen Wahlerfolgs beschwor - zumal viele Wähler
angegeben haben, dass sie auch von der CDU keine Wunder erwarten,
ja nicht einmal eine Änderung der Verhältnisse. Man habe
in erster Linie die CDU aus Frust über die SPD gewählt.
Kommt hinzu, dass Rüttgers es mit einem über Jahrzehnte
hinweg verfestigten sozialdemokratischen Beamtenapparat zu tun hat,
den er ja nicht einfach auswechseln kann.
Und wenn er es wahr macht, möglichst
schnell die Subventionen für die Steinkohle (was vor allem
auch eine Forderung der FDP ist) herunterzufahren, dann wird er als
erstes zusätzliche Arbeitslose schaffen. Die Wut der Bergleute
wird nicht lange auf sich warten lassen. Und die
Entbürokratisierung, die die neue CDU/FDP-Regierung auf ihre
Fahnen geschrieben hat, wird auch nicht so schnell neue
Arbeitsplätze schaffen.
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