Michael Münch
Von Arbeitsmarktpolitik bis Tarifvertrag
Kleines Tariflexikon
Für Laien ist das Vokabular der Tarifpartner oft verwirrend
und unklar. Wer verstehen will, worüber Politiker und
Gewerkschaften streiten und mitreden möchte, muss auch die
Termini beherrschen. Deshalb haben wir ein kleines Tarif-Lexikon
zusammengestellt.
Arbeitsmarkpolitik, aktive: Bezeichnet sämtliche
Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und somit
auch zur Förderung des Wirtschaftswachstums sowie zur
Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Hierzu zählen
Arbeitsvermittlung, Berufsberatung, Umschulungen oder
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Wichtigster Träger der
Arbeitsmarktpolitik ist die Bundesanstalt für Arbeit.
Arbeitsrecht, kollektives: Ordnet die Interessenwahrnehmung
sowie die Gestaltung von Arbeitsbedingungen der gesamten
Arbeitnehmerschaft. Dazu gehören das Tarifvertragsrecht, das
Arbeitskampfrecht, das Betriebsverfassungsrecht.
Aufsichtsrat: Gesetzlich vorgeschriebenes Kontrollorgan bei
Kapitalgesellschaften oder GmbHs mit mehr als 500 Arbeitnehmern.
Der Aufsichtsrat besteht aus gewählten Vertretern der
Anteilseigner. Er prüft den Jahresabschluss, ohne jedoch
unmittelbar in die Unternehmensleitung einzugreifen. Daneben
berät, kontrolliert und beruft der Aufsichtsrat den Vorstand
bzw. setzt diesen ab.
Betriebsvereinbarung: Schriftlicher Vertrag zwischen dem
Arbeitgeber und seiner Belegschaft (vertreten durch den
Betriebsrat), in dem Rechte und Pflichten enthalten sind, die nicht
durch den Tarifvertrag geregelt werden. Dies sind zum Beispiel
Regelungen zu gleitenden Arbeitszeiten oder Maßnahmen zur
Förderung der Vermögensbildung.
Betriebsverfassung: Regelt die Beteiligung der Arbeitnehmer an
den sozialen, personellen, und wirtschaftlichen Belangen des
Betriebes, wie in etwa Urlaubszeiten, Beförderungen oder
Abfindungen. Belegschaften von mindestens fünf Arbeitnehmern
können sich eine Betriebsverfassung geben.
Corporate Governance: Kodex, der alle Grundsätze für
die Leitung und die Überwachung eines Unternehmens umfasst.
Corporate Governance soll ein effizientes System von "checks and
balances" in einer Aktiengesellschaft garantieren. Die
Grundsätze betreffen das Verhältnis von Aufsichtsrat,
Vorstand und Hauptversammlung sowie das Verhältnis der
(Aktien-)Gesellschaft zu außenstehenden Personen oder
Unternehmen.
Ein-Euro-Job: Gemeinnützige Arbeiten, durch welche die
Empfänger des Arbeitslosengeldes II wieder in das Erwerbsleben
eingegliedert werden sollen, ohne reguläre Stellen zu
gefährden. Die Vergütung liegt zwischen einem und zwei
Euro je Stunde.
Entlohnung, variable: Flexibilisierter Lohn, bei dem die
Höhe der Zahlung durch individuelle Leistungen oder anhand von
Zielvereinbarungen bestimmt wird. Oftmals erfolgt die Maßgabe
nach dem Unternehmensertrag. Der Arbeitnehmer wird faktisch zum
Mitunternehmer, da seine Entlohnung an das wirtschaftliche Risiko
aber auch an den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens gebunden
ist.
Flächentarif: Sind Tarifabschlüsse, die nicht nur
für ein einzelnes Unternehmen sondern bundesweit oder regional
nach Tarifbezirken für die gesamte Branche gelten.
Flächentarifverträge werden zunehmend kritisiert, da sie
ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Situation der
individuellen Unternehmen gültig sind.
Flexibilisierung: Übergang von formalisierten
Arbeitsverhältnissen (feste Arbeitszeiten, tarifliche
Löhne etc.) zu einer Organisation der Lohnarbeit, welche
weitestgehend ohne feste Vorgaben auskommt. Das Unternehmen soll
somit besser auf die Auftragslage reagieren können und seine
Produktivität steigern.
Haustarifvertrag: Tarifvertrag, welchen die Gewerkschaft zur
Regelung der Arbeits- und Einkommensbedingungen mit nur einem
einzelnen Unternehmen schließt. Haustarifverträge werden
oftmals in Form eines Anerkennungsvertrages ausgestaltet, womit die
Anwendung des entsprechenden Flächentarifvertrages vereinbart
wird.
Ich-AG: Von der Bundesagentur für Arbeit geförderte
Existenzgründung für Kleinstunternehmer.
Förderungsvoraussetzungen sind die Arbeitslosigkeit des
Antragstellers sowie die Vorlage eines tragfähigen
Geschäftskonzeptes. Der Existenzgründer bleibt für
drei Jahre sozialversichert und erhält in diesem Zeitraum
einen steuerfreien Zuschuss von monatlich 600 Euro im ersten Jahr,
360 Euro im zweiten Jahr und 240 Euro im dritten Jahr.
Kündigungsschutz: Gesetzlich festgelegte Regelungen, welche
die Kündigung eines Arbeitsvertrags verhindern oder
erschweren. Der Kündigungsschutz gilt erst für Betriebe
mit mehr als zehn Mitarbeitern und soll vor Entlassungen ohne
personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Gründe
schützen.
Mitbestimmung, Unternehmens-: Meint die Partizipation der
Belegschaft an unternehmerischen Planungen und Entscheidungen.
Hierzu werden Vertreter der Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat und in
den Vorstand entsandt. Das Mitbestimmungsgesetz gilt für
Firmen mit mehr als 2.000 Beschäftigten.
Mitbestimmung, betriebliche: Regelt sämtliche betrieblichen
Angelegenheiten wie etwa die Verteilung der Arbeitszeit, die
Personalauswahl oder die Leis-tungskontrolle. Das Organ der
betrieblichen Mitbestimmung ist der gewählte Betriebsrat,
welcher die Interessen der Belegschaft vertritt und
Mitentscheidungs-, Mitsprache- sowie bloße Informationsrechte
besitzt.
Öffnungsklausel: Ist eine tarifvertragliche Vereinbarung,
welche Abmachungen zwischen den Arbeitgebern und Arbeitnehmern
zulässt, die vom Tarifvertrag abweichen. Hierzu gehören
zum Beispiel mögliche Lohnabschläge bei schlechter
Wirtschaftslage.
Streikrecht: Ist ein Grundrecht, das durch die
Koalitionsfreiheit (Art. 9, Abs. 3 GG)) abgedeckt und
zusätzlich in den einzelnen Landesverfassungen geregelt wird.
Lediglich für Beamte besteht kein Streikrecht. Ein Streik
dient zur Durchsetzung arbeitsrechtlicher Forderungen
(Lohnerhöhung, Arbeitszeitverkürzung etc.). Der Staat hat
bei einem Arbeitskampf (Auseinandersetzung zwischen
gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern und Unternehmen)
neutral zu bleiben. Tarifautonomie: Arbeitgeber und Arbeitnehmer
legen in freier Vereinbarung die Arbeitsbedingungen in den
Unternehmen fest, ohne dass der Staat Einwirkung nehmen kann. Die
Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaften sind zuständig
für Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen
sowie für Pausenregelungen, Wochenarbeitszeit und den Urlaub.
Der Staat kann lediglich per Sozialpolitik Rahmenbedingungen
setzen, wie etwa eine Obergrenze für die maximale Arbeitszeit
oder eine Untergrenze für den Mindesturlaub.
Tarifpartner: Hierzu gehören zum einen die
Arbeitgeberverbände, die in Form von eingetragenen Vereinen
für die Belange der Unternehmen eintreten. Zum anderen sind
dies die Gewerkschaften, welche sich für die
Arbeitnehmerinteressen einsetzen. Die Tarifpartner handeln
stellvertretend für die Unternehmen und die Arbeitnehmer
Tarifverträge aus.
Tarifvertrag: Sind Rechtsnormen, die die
Arbeitsverhältnisse zwischen den Mitgliedern der jeweiligen
Tarifpartner regeln. Unterschieden wird zwischen Lohn-
/Gehaltstarifverträgen, welche die Höhe des
Arbeitsentgeltes festlegen, Rahmentarifverträgen, die
über die Zuordnung von Arbeitnehmern zu Lohn- und
Gehaltsklassen befinden, und Manteltarifverträgen (Regelung
von allgemeinen Arbeitsbedingungen wie Arbeitszeit, Urlaub,
Kündigungsfristen und Abfindungen).
Michael Münch ist Praktikant in der Redaktion "Das
Parlament".
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