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Eva Haacke
"Man schlägt sich und verträgt
sich"
Die Arbeitsmarktpolitik der CDU
Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) und
CDU-Chefin Angela Merkel strahlten in die Kameras und freuten sich
über einen gelungenen Coup: Per Brief hatten sie Anfang
März dem Kanzler gemeinsam ein Zehn-Punkte-Papier für
mehr Wirtschaftswachstum und die Bekämpfung der
Arbeitslosigkeit zukommen lassen. Doch dem "Pakt für
Deutschland" und der ungewohnten Eintracht des CDU/CSU-Spitzenduos
waren intern harte Kämpfe um Formulierungen und Details voraus
gegangen. "Das ist wie im wahren Leben, man schlägt sich und
verträgt sich", beschreibt es ein CDU-Bundestagsabgeordneter.
Die Arbeitsmarktpolitik der Union ist längst nicht immer aus
einem Guss, zu unterschiedlich sind die Positionen - aber für
Kompromisse reicht es immer.
Zuletzt verärgerte Stoiber die eiserne Lady der CDU,
Merkel, mit seiner Forderung nach Einführung eines
Mindestlohns. Vize-Fraktionschef Ronald Pofalla lehnte umgehend ab,
aber die Debatte ist im Gang, und es wird auch hier zu einer
Einigung kommen. Die schwierige Gemengelage innerhalb der Union hat
Gründe: Die CSU hat mit dem Rückzug von Horst Seehofer
ihren bundesweit bedeutendsten sozialpolitischen Experten
eingebüßt. Trotzdem will sich die bayerische
Schwesterpartei das soziale "S" in ihrem Parteinamen nicht
gänzlich nehmen lassen. Diese Lücke soll der weniger
bekannte CSU-Gesundheitsexperte Wolfgang Zöller
schließen. Außerdem gibt es bei der CDU die
Christ-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA), in der immerhin rund
60 Unions-Bundestagsabgeordnete Mitglied sind. Sie hatten im
Vorfeld mit mäßigem Erfolg versucht, das
"Zehn-Punkte-Programm" abzumildern und arbeitnehmerfreundlicher zu
gestalten.
Die CDA ist geschwächt und weniger präsent, seit der
Vorsitzende Hermann-Josef Arentz nach dem Skandal um seine
Nebenverdienste zurücktreten musste. Arentz, der
Rheinländer, war rethorisch geschickt und meldete sich gerne
per Presse lautstark zu Wort. Sein Nachfolger, Karl-Josef Laumann,
soll das Amt im Juni übernehmen, und eigentlich passt dieser
Job auch viel besser zu ihm. Laumann ist einer von drei Arbeitern
im Deutschen Bundestag: "Ich muss nicht jeden Tag erzählen,
dass ich ein Arbeitnehmervertreter bin", sagt der gelernte
Schlosser, der 1990 quasi von der Werkbank in den Bundestag
gewählt wurde. Theoretische Debatten gehören nicht zu
seinen Leidenschaften - auch das war bei Arentz anders.
Mittlerweile sitzt Laumann, der gleichzeitig Vorsitzender der
Arbeitsgruppe für Wirtschaft und Arbeit ist, auch im
CDU-Präsidium. Er hat dort keinen leichten Stand, denn Angela
Merkel teilte unlängst ihre Bedenken mit. Laumann könne
in einen unüberbrückbaren Interessenkonflikt kommen, weil
er derzeit der Arbeitsgruppe vorstehe und damit auch die Belange
der Unternehmer im Blick haben müsse. Außerdem gilt
Laumann als Schattenarbeitsminister im Kabinett des designierten
Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers.
In den vergangenen zehn Jahren verlor die Arbeitnehmervertretung
fast ein Drittel ihrer heute nur noch rund 20.000 Mitglieder. All
das trug nicht zur Stärkung der Arbeitnehmerinteressen
innerhalb der Union bei. Nun, nach der NRW-Wahl, wird die
CDU/CSU-Fraktion ihren bisher eher vorsichtigen Kurs in der
Arbeitsmarktpolitik aufgeben. Im Landtagswahlkampf mochte man
Stichwörter wie Kündigungsschutz lockern oder
Arbeitszeitverlängerung kaum riskieren. Dabei gibt es den
Plan, den Kündigungsschutz zu beschneiden, längst: Damit
Firmen schneller Arbeitsplätze schaffen, soll er bei
Neueinstellungen in den ersten drei Jahren nicht wirken und zudem
nur in Betrieben mit mehr als 20 Mitarbeitern gelten. Außerdem
wollen die C-Parteien es Unternehmen ermöglichen, ihre
Beschäftigten länger und flexibler arbeiten zu lassen,
mit Wochenarbeitszeiten von bis zu 65 Stunden.
Die Union will den Einfluss der Gewerkschaften begrenzen, auch
wenn sie das nicht so offen sagt, indem betriebliche Bündnisse
für Arbeit eine rechtliche Grundlage erhalten sollen. Dagegen
laufen die Gewerkschaften Sturm, denn gesetzliche Bündnisse
für Arbeit würden ihre Tarifautonomie aushebeln. "Reif
für den Papierkorb", ätzte DGB-Chefin Ursula
Engelen-Kefer auch angesichts der Unionspläne, die unter
Rot-Grün ausgeweitete Mitbestimmung wieder
zurückzufahren.
In der Arbeitsmarktpolitik suchen die Oppositionsparteien CDU
und CSU immer wieder ihre gemeinsame Rolle als wirtschaftsnahe
Alternative für Wachstum und Arbeitsplätze. Leicht haben
sie es nicht, denn intern herrscht längst nicht immer
Eintracht, und das Wahlvolk ist durch die Massenarbeitslosigkeit
misstrauisch bis mutlos geworden.
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