Martin Gerner
Mehr Soldaten - weniger Diplomatie
Die deutsche Vertretung in Herat hat
geschlossen
Bereits vor der Wahl in Afghanistan am 18. September war klar:
Die Außenstelle der deutschen Botschaft in Herat wird
schließen. Am 30. September war es dann so weit. Ein Grund:
Die NATO ordnet zum Jahreswechsel die militärischen
Einflusszonen am Hindukusch neu: Die Deutschen sind dann für
die Sicherheit im gesamten Norden zuständig, Franzosen und
Türken für Kabul, Kanadier und Briten für den
Süden und Italiener für Herat, in Nachfolge der
Deutschen.
Das wäre alles nicht dramatisch, würde die Vertretung
in Herat nach Meinung zahlreicher Experten nicht
überdurchschnittlich erfolgreich arbeiten. Ausgerechnet jetzt,
da Deutschland seine Präsenz am Hindukusch militärisch
verstärkt, soll diplomatisch abgerüstet werden.
"Ein Unding", findet Rupert Neudeck, der mit der
Hilfsorganisation "Grünhelme" in der Provinz Herat aktiv ist.
Der Gründer von Cap Anamur findet, dass mit Herat "die einzige
zivile Botschaft in der Region" aufgegeben wird und damit auch die
Probleme der Menschen. "Eine Katastrophe", pflichtet auch Ernst
Fassbender bei, der als Deutscher in Afghanistan eine
überregionale Medienorganisation leitet. "Ausverkauf ohne
Not", meint ein Dritter. Auch in diplomatischen Kreisen herrscht
Erstaunen. Deutsche Diplomaten, die Afghanistan aus früherer
Anschauung kennen, sind überrascht von der Entscheidung des
Auswärtigen Amts. Die Vertretung in Herat wird statt des
kleinen Stabes künftig einen einzigen Verbindungsmann in
Mazar-i-Sharif haben. Ein Diplomat unter vielen deutschen
Soldaten.
Im Moment ist die Lage in Herat ruhig. Die Stadt sei kulturell,
wirtschaftlich und strategisch ein Schlüsselort für die
künftige Entwicklung in Afghanistan - Amerikaner und Italiener
hätten das begriffen, kommentiert ein Beobachter. Dabei
verbindet Herat etwas Besonderes mit Deutschland: Auswanderer von
hier bilden die kulturell und geschäftlich einflussreichste
Gruppe unter den Exil-Afghanen in Deutschland. Einer von ihnen will
in Kürze mit Hilfe aus Deutschland ein Fernsehprogramm
starten, das ausschließlich Bildungsinhalte sendet.
Die Einrichtung der Außenstelle kurz nach dem Fall der
Taliban war mehr als nur ein Prestigeobjekt. Von afghanischer Seite
wurde sie mit Enthusiasmus und Hoffnung begrüßt. In Herat
sprechen die Menschen nur vom "deutschen Konsulat".
Im Innenhof der Vertretung wehten drei Fahnen: die afghanische,
die deutsche und die französische. Die Außenstelle
arbeitete mit einem französischen Kollegen. Fast ahnt man die
Arbeitsteilung: Der Franzose kümmerte sich um die Kultur, die
Deutschen um den Rest. Zur Zeit laufen viele deutsche Projekte in
Herat. So zum Beispiel neue Physik- und Chemiesäle für
eine Mädchenschule. Im Zuge der Altstadtsanierung wird eine
historische Zisterne restauriert. Der Wiederaufbau der
Wasserversorgung wird durch die Die Gesellschaft für
Technische Zusammenarbeit (GTZ) koordiniert. Für dies alles
war die Präsenz der deutschen Vertretung eine
Erleichterung.
Jean-Claude Voisin, so heißt der Mann für das
Kulturelle, kümmert sich um junge Autoren, unter ihnen
Filmemacherinnen. Kein Bereich, in dem afghanische Frauen sich
früher tummeln konnten. Die 24-jährige Roya Sadat ist
Regisseurin der neuen Generation und gibt sich überrascht.
"Das Konsulat war meine Anlaufstelle für viele Dinge, nicht
nur Visum und Formalitäten. Ich habe vom kulturellen Austausch
profitiert."
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