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Karl-Otto Sattler
Heikle Mission
Freiburg, Ishafan und der Atomstreit
Eine internationale Städtepartnerschaft ist eine
schöne Sache. Bei Freiburgern sehr beliebt sind zum Beispiel
Bürgerreisen ins ferne Persien, um das architektonische und
gesellschaftliche Flair des seit dem Mittelalter als "Perle des
Orients" geltenden Isfahan mit seinen 1,5 Millionen Einwohnern zu
genießen. Südbadische Theaterleute treten in Isfahan auf,
iranische Schauspieler gastieren im "Marienbad", einer
Spielstätte an der Dreisam. Stipendien ermöglichen
Studenten Auslandssemester an der Partner-Uni. Für
Schulklassen sind Fahrten in die persische Stadt natürlich
besonders reizvoll. Ein "Freundeskreis Freiburg-Isfahan" ist recht
aktiv. Zum Nationalfeiertag am 3. Oktober präsentierten sich
beide Orte bei einer Ausstellung über Baden-Württemberg
in der deutschen Botschaft in Teheran: Die "Öko-Hauptstadt"
Freiburg erläuterte auf Schautafeln Techniken der
Solarenergie, ein Koch zelebrierte kulinarische Spezialitäten
aus Baden. Große Pläne kursieren: Isfahan will im
Breisgau einen persischen Garten anlegen, die Südbadener
möchten in Isfahan ein "Freiburg-Haus" für Konzerte,
Ausstellungen und Lesungen errichten.
Es ist wahrlich viel los bei der einzigen deutsch-iranischen
Städtepartnerschaft. Wenn Oberbürgermeister Dieter
Salomon und eine Gemeinderatsdelegation Ende Oktober nach Isfahan
reisen, werden sich sogar die Scheinwerfer der internationalen
Medienszene auf die kommunalen Außenpolitiker richten. Doch
diese Publicity hat nichts mit Kultur und Bürgerbegegnung zu
tun: Die Kontakte zwischen Freiburg und Isfahan stehen
plötzlich im Fadenkreuz dramatischer politischer Spannungen,
der brodelnde Streit zwischen Teheran, Washington und der EU wegen
des iranischen Atomprogramms wirft neuerdings dunkle Schatten auf
das vor fünf Jahren gestartete Projekt einer
Völkerverständigung auf lokaler Ebene. Ausgerechnet in
Isfahan nämlich arbeitet jene Nuklearanlage, die eines Tages
vermutlich auch atomwaffenfähiges Uran produzieren kann -
weswegen die EU auf diplomatischem Weg, die USA jedoch mit
militärischem Druck Teheran zum Verzicht auf die Bombe bewegen
wollen.
Um diesen Konflikt vermögen die Kommunalpolitiker keinen
Bogen mehr zu machen. Gewiss, das Rathaus von Isfahan, in dem seit
2003 konservative Kräfte das Sagen haben, entscheidet nicht
über die persische Nuklearpolitik. Salomon: "Die Atomanlage
ist keine Einrichtung der Stadt Isfahan." Man könne jedoch
nicht so tun, betont der Grüne, als gehe Freiburg "die
große Politik" nichts an. Und so basteln die südbadischen
Strategen nun an einer speziellen Form von kommunaler
Entspannungspolitik nach dem Muster "Wandel durch Annäherung",
wobei auch diverse Bundespolitiker von Berlin aus mitmischen.
"Die Dinge beim Namen nennen"
Die im Jahr 2000 vom damaligen SPD-OB Rolf Böhme
vereinbarte Partnerschaft hat ja auch zum Ziel, durch Kontakte zum
Westen die Öffnung des Irans zu befördern und auf diesem
Weg die dortigen Reformkräfte zu stärken. Angesichts des
Atomstreits ist es aber für Salomon unvermeidlich, bei den
Gesprächen Klartext zu reden: Man müsse "die Dinge beim
Namen nennen". Das Thema aufs öffentliche Tapet gebracht hatte
zunächst vor allem die Freiburger Junge Union (JU) mit
schrillen und auch in den Reihen der örtlichen CDU nicht
sonderlich goutierten Aktionen. Die JU fordert, die
Städtepartnerschaft auszusetzen und die anstehende Reise
abzusagen. Vor dem Rathaus veranstaltete die Truppe Gedenkminuten
für Folteropfer im Iran, wobei der Vorsitzende Daniel Sander
die Freiburger Politiker der Anbiederung an "Unterdrücker und
Mörder" bezichtigte. Diese Attacke der JU stieß auf
heftige Empörung. Maria Viethen, Vorsitzende der Grünen
im Gemeinderat, spricht von einer "beschämenden Entgleisung",
ihr Fraktionskollege Eckart Friebis kritisiert eine
"Rambo-Mentalität".
Nun, OB Salomon und das Kommunalparlament wollen an der
Partnerschaft festhalten. Auch die Reise nach Isfahan, die in
Berlin und international unter genauer Beobachtung steht, findet
statt. Klar ist freilich, dass die Beziehungen ihre politische
Unschuld verloren haben. Was die Freiburger zusätzlich unter
Druck setzt: Die Breisgaustadt hat sich ihrerseits symbolisch zur
"atomwaffenfreien Zone" erklärt, richtet die lokale
Energiepolitik auf die Abkehr vom Nuklearstrom aus und verlangt die
Abschaltung des Kernkraftwerks Fessenheim am französischen
Ufer des Oberrheins, mithin also im Ausland. Da darf man zu Isfahan
natürlich nicht schweigen. Die dortigen Geschehnisse
müssten Freiburg sensibilisieren, mahnt
CDU-Gemeinderatsmitglied Conrad Schroeder, früher
Regierungspräsident in Südbaden.
Gefordert ist eine politische Gratwanderung. OB Salomon
bezeichnet den Staat der Ajatollahs als "autoritäres, ja
totalitäres Land", dieses System habe "mit unseren
Vorstellungen einer offenen und liberalen Demokratie nichts zu
tun". Allerdings könne man nur im Rahmen der Partnerschaft mit
Isfahan die atomkritische Sicht und Menschenrechtsfragen
diskutieren, man dürfe den Gesprächsfaden nicht
kappen.
Der SPD-Außenpolitiker Gernot Erler, örtlicher
Bundestagsabgeordneter, plädiert für eine "Strategie der
Einbindung statt der Isolation". Angesichts der Gefahr einer
iranischen Bombe müssten künftig jedoch politische Fragen
thematisiert werden. Erler plädiert dafür, in Freiburg
oder in Isfahan eine friedenspolitische Konferenz auszurichten. Der
FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Gerhardt macht sich für den
Besuch der südbadischen Delegation in Isfahan stark: Zu
Gesprächen gebe es keine Alternative. Der grüne Politiker
Fritz Kuhn sagt, eine Städtepartnerschaft müsse auch in
schwierigen Zeiten Bestand haben. Wolfgang Schäuble von der
CDU ist ebenfalls für diese Kontakte, doch müsse man
dabei der iranischen Seite die westliche Position zum
Nuklearkonflikt vermitteln.
Der Erwartungsdruck, der in Isfahan auf der Freiburger
Gesandtschaft lastet, ist enorm. International im Scheinwerferlicht
der Medien zu stehen, hat aber auch etwas Angenehmes: So etwas
kommt im Breisgau nicht unbedingt häufig vor.
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