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Götz Hausding
Sondieren geht vor - Keine Zeit für lange
Debatten
Rekordverdächtige Sitzung im
Bundesrat
Er hatte es offensichtlich eilig, sehr eilig
sogar. "Gibt es Wortmeldungen? Das kann ich nicht erkennen, also
kommen wir zur Abstimmung!" Bundesratspräsident Matthias
Platzek (SPD) legte auf der ersten Sitzung der Länderkammer
nach der vorgezogenen Bundestagwahl vom 18. September ein
erstaunliches Tempo vor. Stattliche 81 Punkte galt es laut
Tagesordnung am 23. September abzuarbeiten - nach nur 76 Minuten
war dies geschafft. Rekordverdächtig!
Was bitte, so fragt sich der Beobachter, hat
den Bundesratsmitgliedern denn derart den Debattiermut genommen?
Zugegeben - es gab schon Tagesordnungen mit brisanteren Themen.
Weder die Neuregelung der Fleischhygiene-Verordnung, noch die
Entschließung zur Europäischen Forststrategie ließen
emotionale Redebeiträge erwarten. Doch die tatsächlichen
Gründe liegen wohl eher im speziellen Zeitpunkt der Sitzung
begründet. Nicht ganz eine Woche nach der fast unentschieden
ausgegangenen Bundestagswahl war die allgemeine Verunsicherung im
Lande auch auf dem Bundesratsparkett zu spüren. Wie geht es
weiter? Wer bildet die zukünftige Bundesregierung? Große
Koalition oder kleine Minderheitsregierung, farbenfrohe Ampeln oder
Neuwahlen? Alles scheint möglich. Es wird weiterhin
sondiert!
Im Sitzungssaal und auf den Gängen im
ehemaligen Herrenhaus des Preußischen Landtages herrschte denn
auch eine gespannte Atmosphäre. Wer redet mit wem und
worüber? Der nordrhein-westfälische
Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) bittet den
Berliner Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) aus
dem Saal hinaus. Erst ernste Mienen, dann ein Scherz - haben die
beiden gerade die Große Koalition vereinbart?
Im Bundesratsplenum trat derweil Hessens
Ministerpräsident Roland Koch (CDU) ans Rednerpult der
Länderkammer. Er erteilte der Schaffung einer neuen
EU-Grundrechteagentur eine Absage. Der Aufbau einer neuen
Bürokratie sei nicht sinnvoll, sondern nur teuer. Sein Land
trete aus fester Überzeugung und mit großem Engagement
für den Schutz der Grundrechte ein. Dafür brauche es
jedoch keine neuen Agenturen. Es gäbe einen hinreichenden
Vorsorgeschutz. "Was genug ist, ist genug", stellte Koch
fest.
Mit Bundesaußenminister Joseph Fischer
(Bündnis 90/Die Grünen) ließ sich dann zumindest
kurzzeitig einer auf der Regierungsbank nieder, der wohl definitiv
nicht mehr im Führungsteam der nächsten Legislaturperiode
des Deutschen Bundestages dabei sein wird. So dürfte dies sein
letzter Besuch in jenem Haus gewesen sein, in dem er in den
vergangenen sieben Jahren mehrfach engagiert für die
EU-Erweiterung und die Europäische Verfassung geworben hat.
Gefehlt hingegen hat sein Parteikollege, der noch amtierende
Umweltminister Jürgen Trittin. Noch vor wenigen Monaten
hätte dieser sicherlich dem Vorschlag des sächsischen
Umweltministers Stanislaw Tillich (CDU), den Waldzustandsbericht
künftig nur noch im dreijährigen Turnus zu erstellen,
energisch widersprochen. Aus der Sicht des sächsischen
Umweltministers ist die bisher vorgeschriebene jährliche
Erstellung eines Waldzustandsberichtes "weder sinnvoll, noch
zeitgerecht". "Der Zustand der Wälder ändert sich durch
Handeln, nicht durch dauerndes Berichteschreiben", so Tillich. Mit
der Abkehr vom jährlichen Berichtszeitraum würde sich der
Erkenntnis- und Informationsverlust im tolerierbaren Bereich
halten. Jedoch könne eine deutliche Entlastung der
Verwaltungen erreicht werden, sagte er und bat die
Bundesländer um Unterstützung für sein
Anliegen.
Auf der Regierungsbank Platz genommen hatte
ebenfalls Bundesjustizministerin, Brigitte Zypries (SPD). Sie warb
noch einmal für das von der Bundesregierung vorgelegte
Anti-Stalking Gesetz. Wer anderen Menschen nachstellt, sie
permanent per Telefon belästigt oder gar mit Gewalt bedroht,
muss demnach mit Gefängnisstrafen bis zu drei Jahren rechnen.
Die Länderkammer wollte sich dem nicht anschließen. Ihr
gehen die Regelungen nicht weit genug. Das Gesetz müsse
gewährleisten, so Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU),
dass besonders gefährliche Täter vorbeugend auch in Haft
genommen werden dürften.
Zustimmung erfuhr Zypries hingegen bei ihren
Plänen zur Absicherung der Altersvorsorge selbständiger
Unternehmer. Der Pfändungsschutz für
Lebensversicherungen, die einen wesentlichen Bestandteil der
Altersvorsorge bilden, würde damit deutlich verbessert, sagte
die Ministerin. "Versicherungen von Selbstständigen werden
zukünftig genauso geschützt wie etwa die Rente oder
Pensionen bei abhängig Beschäftigten", äußerte
sie sich zufrieden. Ob Brigitte Zypries indes auch in naher Zukunft
als Justizministerin fungieren wird, blieb
erwartungsgemäß nach der rekordverdächtig schnellen
Sitzung weiter unklar.
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