Reinhard Lassek
Zu klug für ein angepasstes Leben
Albert Einsteins Schwester Maja
Die Berühmtheit des Bruders bietet für die Schweizer
Historikerin Franziska Rogger zwar noch keinen hinlänglichen
Grund, sich mit Maja Einstein (1881-1951) zu beschäftigen.
Dennoch ist es natürlich der entscheidende Reiz dieser
reichhaltig bebilderten Biografie, dass hier der Lebensentwurf
einer weithin unbekannten klugen Frau im Kontrast zum
brüderlichen Genie entfaltet wird.
Maja Einstein gehörte zur Avantgarde, denn sie erwarb den
Doktorhut, als dies für Frauen zwar schon möglich, aber
noch keineswegs üblich war. "Maja Einsteins Leben", so Rogger,
"war ein Lavieren zwischen konservativem und progressivem
Lebenskonzept." Sie war viel zu klug, um ein angepasstes
Frauenleben zu führen, aber auch zu wenig rebellisch, um ganz
mit den Konventionen zu brechen.
Ihren erlernten Beruf als Lehrerin einer höheren Schule
musste sie wegen ihrer Heirat aufgeben. So wollten es die damaligen
gesetzlichen Bestimmungen. Die Intellektuelle bemühte sich
fortan, als aufopferungsvolle Hausfrau den traditionellen
Rollenmustern gerecht zu werden. Die Ehe mit dem Schweizer Juristen
und Maler Paul Winteler gestaltete sich zwar glücklich,
Wintelers Geschäfte blieben jedoch ohne Fortüne und
Albert Einstein musste dem kinderlosen Paar immer wieder finanziell
unter die Arme greifen.
Rogger bindet das bewegte Leben der Geschwister Einstein in die
Geschicke ihrer Familien-Clans und in die geistigen Strömungen
der Zeit ein. Wobei Maja Einsteins Denken und Handeln sich vor
allem aus ihrer umfangreichen Korrespondenz erschließt. Die
Bandbreite der Geschehnisse reicht von Geisteskrankheit, Kindstod
und Mord bis zu finanziellem Bankrott und Nazi-Verfolgung.
Schließlich führt der Lebensweg der leidgeprüften
Schwester zum erfolgsverwöhnten Bruder nach Princeton/USA.
Maja Einstein, die ihrem Bruder äußerlich ohnehin in
verblüffender Weise ähnelte, geriet nunmehr auch seelisch
in größte Nähe zu ihrem Bruder, bei dem sie nicht
nur liebevolle Aufnahme fand, sondern auch tröstliche
Fürsorge bis zum Tode.
Rogger hat eine einfühlsame und detaillierte Rekonstruktion
eines Frauenlebens vorgelegt, das zugleich ein besonderes Licht auf
Albert Einsteins menschliche Qualitäten wirft. Das zweifellos
herausragende wissenschaftliche Genie des 20. Jahrhunderts mag ein
unzulänglicher Ehemann und Familienvater gewesen sein - seiner
Schwester Maja gegenüber war Albert Einstein jedenfalls
zeitlebens ein liebenswürdiger und verlässlicher Bruder.
Eine Lektüre, die Interesse und Sympathie erweckt.
Franziska Rogger
Einsteins Schwester.
Maja Einstein, ihr Leben und ihr Bruder Albert.
Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich, 2005; 200 S.,
33,- Euro
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