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Karl-Otto Sattler
Schwarz-grüne Planspiele wirbeln Staub
auf
Baden-Württemberg
Winfried Kretschmann ist verärgert: Die
Gespräche mit Union und FDP in Berlin hätten die
Grünen nicht so schnell beenden dürfen, kritisiert deren
Fraktionsvorsitzender im Stuttgarter Landtag. Auch Uschi Eid,
Parlamentarische Staatssekretärin im
Entwicklungshilfeministerium und grüne Spitzenkandidatin bei
der Bundestagswahl in Baden-Württemberg, macht sich dafür
stark, ein schwarz-gelb-grünes Zusammengehen weiter zu
prüfen. Man müsse aus "den Gräben des Wahlkampfs
heraus".
Die grünen Rathauschefs von Freiburg und
Konstanz, Dieter Salomon und Horst Frank, plädieren nach den
Verwerfungen des 18. September dafür, Optionen für
Bündnisse jenseits von Rot-Grün zu suchen - von Salomon,
der bei der OB-Wahl 2002 mit Hilfe der SPD eine CDU-Konkurrentin
aus dem Feld schlug, war derlei schon öfters zu vernehmen.
TV-Sender haben keine Probleme, zwischen Neckar und Oberrhein
einfache Parteimitglieder zu finden, die Distanz zur SPD und
Offenheit gegenüber der CDU bekunden.
Plötzlich meldet sich ein Grüner
mit betont wirtschaftsliberalem Profil auf der Stuttgarter
Bühne zurück: Oswald Metzger, Bundestagsabgeordneter von
1994 bis 2002, will am 26. März 2006 bei der Landtagswahl
kandidieren. Seine Partei habe das Personal, um "konzeptionell und
strategisch zu neuen Ufern aufzubrechen und neue Koalitionen zu
wagen", proklamiert Metzger. Er fuhr am 18. September in Biberach
mit 14 Prozent das bundesweit viertbeste Erststimmenergebnis seiner
Partei ein, schaffte aber trotzdem nicht den Sprung nach Berlin. Er
wolle "an der Neupositionierung der Grünen mitarbeiten".
Metzger befürwortet an der Spree eine Koalition aus Union, FDP
und Grünen. Hoppla: Marschieren im Südwesten die
Grünen nun schnurstracks in die Arme der Union, bahnt sich in
sechs Monaten eine kleine Revolution in Gestalt der ersten
schwarz-grünen Koalition auf Landesebene an? Plötzlich
erinnert man sich, dass der neue Ministerpräsident
Günther Oettinger und andere CDU-Politiker schon mehrfach ein
Bündnis mit der Öko-Partei nicht ausgeschlossen haben. Es
fällt auch auf, dass sich der Badener Wolfgang Schäuble
in Berlin ziemlich für "Jamaika" ins Zeug gelegt
hat.
Es kommt wahrlich nicht von ungefähr,
dass nach dem Ende von Rot-Grün auf Bundesebene im Zuge der
sich anbahnenden Neuorientierung der Öko-Partei bei
schwarz-grünen Planspielen in erster Linie von
Baden-Württemberg als denkbarer Experimentierbühne die
Rede ist: Aktuelle Äußerungen bestätigen nur
Tendenzen, die in den Reihen der Südwest-Grünen mit ihren
starken bürgerlichen Strömungen schon lange zu beobachten
sind. Immerhin verhandelte die Öko-Partei bereits 1992 mit
Erwin Teufel über eine Koalition, was zwar erfolglos blieb,
jedoch bis heute nachhallt. Trotz gravierender Gegensätze etwa
in der Atompolitik oder bei den Bürgerrechten hat das
Schäkern mit der schwarzen Perspektive durchaus eine
gesellschaftliche Basis: Die Grünen erzielen in Städten
wie etwa Freiburg und Stuttgart ihre besten Wahlergebnisse in
Vierteln, wo viele Gutsituierte aus der arrivierten Mittelschicht
wohnen.
CDU unter 40 Prozent
Indes sollten die aufgeregten Nachwehen der
Bundestagswahl den Blick auf die Fakten nicht verstellen: Im
Südwest-Staat regiert eine Koalition aus CDU und FDP ohne
große Probleme, nennenswerte Differenzen sind nicht
auszumachen. So vertritt etwa der liberale Justizminister Ulrich
Goll innenpolitisch eine konservativ-restriktive Linie und
profiliert sich beim Thema Bürgerrechte in der Bundes-FDP als
Gegenpol zu Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Bislang spricht
nicht unbedingt viel dafür, dass das schwarz-gelbe
Bündnis den 26. März nicht überdauern
könnte.
Gleichwohl nährt der Ausgang der
Bundestagswahl in Baden-Württemberg begründete
Spekulationen. Die CDU verlor gegenüber 2002 immerhin 3,6
Prozentpunkte und rutschte mit 39,2 Prozent unter die symbolisch
wichtige 40-Prozent-Marke. Zwar ist dieses Minus kaum Günther
Oettinger persönlich anzulasten, schließlich ging es am
18. September um bundespolitische Motive. Allerdings markiert die
erste Wahl nach Oettingers Amtsantritt im April auch keinen Schub
für den Urnengang im nächsten März.
Ursprünglich wollte Erwin Teufel die 44,8 Prozent der Union
bei der Landtagswahl 2001 nächstes Jahr zur absoluten Mehrheit
ausbauen. Dieses Ziel ist nun in weite Ferne gerückt. Auf
jeden Fall dürften die Christdemokraten wieder einen
Koalitionspartner benötigen. Dass die am 18. September auf
30,1 Prozent gefallene SPD die Union schlagen könnte, mutet
recht unwahrscheinlich an - zumal Spitzenkandidatin Ute Vogt nicht
mehr für den Bundestag kandidierte und deshalb im Wahlkampf
nicht mehr mit einem bundespolitischen Bonus zu punkten vermag. Die
Linkspartei, die bei der Bundestagswahl nur bei 3,8 Prozent
landete, dürfte es schwer haben, überhaupt über
fünf Prozent zu kommen. Mithin zeichnet sich ein
bemerkenswertes Szenario ab: Oettinger könnte am Abend des 26.
März 2006, so der Drang der Grünen zu schwarzen Ufern
anhält, zwischen zwei Partnern wählen. Eine komfortable
Situation. Bis in die Reihen der Bundes-FDP wird die
Möglichkeit diskutiert, dass Oettinger dann die Grünen
als Druckmittel gegenüber den Liberalen nutzen könnte -
um sie bei Koalitionsgesprächen gefügig zu
machen.
Die Freidemokraten, die am 18. September
einen großen Sprung auf 11,9 Prozent hinlegten und als
drittstärkste Kraft die Grünen (10,7 Prozent)
überflügelten, wollen ihrerseits durchstarten: Mit dem
Rückenwind der Bundestagswahl peilen sie ein deutliches Plus
gegenüber den dürftigen 8,1 Prozent von 2001 an, um im
Koalitionspoker gegenüber der Union mit einem starken Blatt in
der Hand zu kontern. Die FDP-Vorsitzende Birgit Homburger: "Im
Blick auf die Landtagswahlen mache ich mir überhaupt keine
Sorgen." Justizminister Goll, Spitzenkandidat für den
Urnengang im März: "Wir werden klar machen, dass nur eine
starke FDP die bürgerliche Mehrheit sichert."
In einer solchen Gemengelage könnten die
Grünen leicht ins Hintertreffen geraten - vor allem dann, wenn
sie nach schwachen 7,7 Prozent 2001 auf Landesebene erneut nur
wenige Wahlprozente auf die Waagschale zu schaufeln vermögen.
Ob die verbliebenen Linken unter ihren Anhängern auch bei
einer offenen Annäherung an die CDU in der Wahlkabine das
gewohnte Kreuz machen, muss sich erst noch erweisen. Vom Drahtseil
kann man auch abstürzen.
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