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Erik Spemann
Im Freistaat ist einiges in Bewegung geraten
Bayern: CSU muss herbe Verluste
hinnehmen
Der Ausgang der Bundestagswahl mag vielleicht die deutsche
Politik in Berlin lähmen, in der bayerischen Landespolitik
sorgt er aber nach Sommerferien und Wahlkampfpause für Schwung
und Bewegung. Auswirkungen könnte das vor allem im Bereich
Haushalt, Bildung und Soziales haben. Die seit 43 Jahren im
Freistaat allein regierende CSU hat nämlich am 18. September
zu ihrem Schrecken und zur Freude von SPD und Grünen mit "nur"
49,3 Prozent fast zehn Prozentpunkte weniger als bei der
Bundestagswahl 2002 eingefahren und damit die magische
50-Prozent-Marke verpasst.
Die Ursache dafür wird selbst innerhalb der Partei zu einem
Teil in landespolitischen Fehlern und Ungeschicklichkeiten
vermutet. In der CSU-Landtagsfraktion wird daneben verstärkt
der Regierungsstil von Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund
Stoiber hinterfragt.
Als ernste Belastung im Verhältnis der CSU zu ihrer breiten
Wählerschaft in den meisten Gesellschaftsgruppen gilt vor
allem der scharf gefahrene Sparkurs, der viele Betroffene - von den
Kommunen über die Schulen bis zu sozialen Einrichtungen - in
Nöte bringt und negative Stimmung macht. Mit einiger Sorge
blicken die Mandatsträger auf das Jahr 2008 mit Landtags- und
Kommunalwahlen in Bayern.
Die Opposition wittert Morgenluft und erhofft sich neue Chancen
für ihre bisher abgeschmetterten Forderungen nach mehr
staatlichen Investitionen vor allem in Schulen, Umwelt und für
soziale Belange. Auf Klausuren haben beide Fraktionen entsprechend
die Marschrichtung für die kommenden Monate festgelegt.
Die CSU-Fraktion war unterdessen in Anwesenheit von Stoiber voll
damit beschäftigt, erst einmal ihr weit hinter den Erwartungen
zurückgebliebenes Wahlergebnis zu verdauen. Nach offizieller
Lesart ist an dem Einbruch zwar nur das Zweitstimmengeschenk vieler
CSU-Wähler an die FDP schuld (sie holte 9,5 Prozent nach 4,5
Prozent 2002), doch die Abgeordneten stoßen bei ihrer
Ursachenforschung nicht nur auf Fehler im Wahlkampf - vom Zaudern
Stoibers bei der Entscheidung über einen Wechsel nach Berlin
bis zur Präsentation von Paul Kirchhoff und das künftige
Steuerkonzept. Barbara Stamm, Vizepräsidentin des Bayerischen
Landtags und stellvertretende CSU-Vorsitzende, übte mit als
Erste auch Kritik an der Führung in Bayern. Es könne
nicht sein, dass einige wenige entscheiden, wie die Strategien
sind, und die anderen dann Solidarität zu üben haben,
merkte sie nach der Wahl an. Das war auf die Staatskanzlei
gemünzt, wo ein enger Zirkel um Stoiber die politischen
Fäden am liebsten im Alleingang zieht. Die nach der Verfassung
eigenverantwortlichen Ministerien werden an die kurze Leine gelegt,
und in der Fraktion kommt immer wieder das Gefühl auf, dass
man vorwiegend nur noch zum Abnicken gebraucht wird.
Landtagspräsident Alois Glück, gleichzeitig
Vorsitzender des größten CSU-Bezirksverbands Oberbayern
und Chef der Grundsatzkommission seiner Partei, mahnt auch
inhaltliche Mängel im Wahlkampf an, die sich freilich auf die
bayerische Politik übertragen lassen. Stabile Mehrheiten,
sagte er wiederholt, könne man auf Dauer nur mit einer Balance
von ökonomischer Kompetenz und sozialer Sensibilität
erreichen. Dabei stellt Glück nicht die Ziele der CSU-Politik
in Frage, sondern hauptsächlich die Art der Vermittlung
notwendiger sozialer Härten. Die Menschen müssten
spüren, "dass es uns selber wehtut, wenn wir ihnen weh tun
müssen", sagte er in einem Interview.
Der Vorsitzende der Landtags-SPD, Franz Maget, sah es auf der
Klausur seiner Fraktion in der CSU bereits "gären" ("Stoibers
Götterdämmerung hat begonnen"). Hatte seine eigene Partei
mit 25,5 Prozent in Bayern noch Stimmen gegenüber 2002 (26,1
Prozent) eingebüßt, blies er gleichwohl zum Angriff. Die
CSU sei angreifbar und verwundbar geworden und sie könne auch
verlieren, stellte er fest. Konkret will die SPD mit ihren
künftigen Initiativen überall dort punkten, wo sich die
CSU Ärger bei den Betroffenen eingehandelte. Maget
erwähnte besonders die Haushalts- und Sparpolitik, die
ungenügend vorbereitete Einführung des G-8-Gymnasiums
(SPD: "Eine Billigversion") und bei den Schulkindern die Erhebung
von Büchergeld ab 1. Oktober. Der Beginn des neuen Schuljahrs
mit Lehrermangel und Unterrichtsausfall sei ein Fehlstart
gewesen.
Opposition fordert Kurskorrekturen
Nicht von ungefähr will die SPD die Bildungspolitik zum
besonderen Schwerpunkt machen und mit einem Gesetzentwurf zur
Abschaffung des Büchergeldes den ersten Schritt tun.
Rückenwind verspricht sie sich von Eltern,
Lehrerverbänden und den Kommunen, die entsetzt über den
bürokratischen Aufwand sind und gegen die Neuerung bereits
lautstark protestiert haben. Auch an der CSU sind diese
Erschütterungen nicht spurlos vorbeigegangen, doch will man
vor etwaigen Änderungen erst einmal die Erfahrungen
auswerten.
Daneben fordert die SPD-Fraktion unter Hinweis auf die
einschlägigen Haushaltskürzungen Kurskorrekturen in der
Sozial- und Familienpolitik. Insbesondere möchte sie auch
Defizite bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf aufgreifen und
verstärkte staatliche Anstrengungen bei der Kinderbetreuung
erreichen. Dagegen will Maget "Gedankenspiele" nicht ernsthaft
verfolgen, den SPD-Landesverband in eine eigene
"Sozialdemokratische Partei Bayern" umzuwandeln, entsprechend dem
Beispiel von CSU und CDU. Gleichwohl wurmt es den Fraktionschef,
dass sein Landesverband einer eigenständigen Partei
gegenübersteht, die daraus sämtliche Vorteile wie
Auftreten im Fernsehen oder Industriespenden nutze, bei Nachteilen
aus der Konstellation aber betone, sie sei mit der CDU zusammen nur
eine Kraft.
Soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit in der Bildung haben
auch die Grünen zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit gemacht,
gleichzeitig treten sie für eine "ökologische
Modernisierung" Bayerns an. Als einzige Landtagspartei und als
einziger grüner Landesverband im Westen haben sie bei der
Bundestagswahl wenigstens leicht hinzugewonnen, von 7,6 Prozent
(2002) auf 7,9 Prozent. Jetzt rechnen sie sich aus, dass ihnen im
Fall einer Großen Koalition in Berlin in Bayern die SPD nicht
mehr das (selbst verliehene) Prädikat "Premium-Opposition"
streitig machen kann. Fraktionschef Sepp Dürr bezeichnete
Stoiber - "vor zwei Jahren noch gottähnlich" - angesichts des
Wahlergebnisses schwer angeschlagen und "orientierungslos wie seine
Partei", als hauptverantwortlich für die beklagte soziale
Kälte. Auch die Grünen verlangen von eine
Kursänderung und fordern die Zurücknahme unsozialer
Haushaltskürzungen sowie den Verzicht aufs Büchergeld,
daneben zugunsten der Kommunen eine Revitalisierung der
Gewerbesteuer und Übernahme der Mehrkosten für das G8
durch den Staat.
Mit-Fraktionschefin Margarete Bause unterstrich die
Notwendigkeit einer wirklichen Bildungsreform im Freistaat
einschließlich einer an den pädagogischen
Bedürfnissen ausgerichteten Lehrerausbildung, die im Gegensatz
zur bisherigen auf die Praxis an den Schulen vorbereite. Ein
besonderes Anliegen ist den Grünen schließlich, im
Entwurf des neuen Landesentwicklungsprogramms die ihrer Meinung
nach "eindeutige Dominanz der wirtschaftlichen Interessen" (Bause)
zurückzudrängen.
Unterdessen wies CSU-Fraktionschef Joachim Herrmannn den Vorwurf
der sozialen Kälte zurück und sprach sich klar gegen
einen Kurswechsel aus. Seine Fraktion halte am Ziel des
ausgeglichenen Haushalts ohne neue Schulden für 2006 fest, um
nicht die kommenden Generationen zu belasten.
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