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Susanne Kailitz
Gedenken am besonderen Ort
Spreeweg und Mauermahnmal für die
Öffentlichkeit freigegeben
Das Timing ist irgendwie nicht optimal: Kaum haben der Herbst
Einzug gehalten und die Sonne auf Sparbetrieb umgestellt, wird der
schönste Platz des Regierungsviertels für die
Öffentlichkeit freigegeben. Seit dem 29. September können
Berliner und Touristen auf der Uferpromenade am Schiffbauerdamm an
der Spree entlangspazieren und auf der wunderschönen
Freitreppe am Marie-Elisabeth-Lüders-Haus Platz nehmen und den
Blick auf den Reichstag genießen. Wer auf den 60 Stufen der
Berliner Version der "spanischen Treppe" sitzt, schaut genau in
Richtung Sonne - theoretisch jedenfalls, denn praktisch dürfte
sich das mediterrane Flair erst im nächsten Frühjahr
wieder einstellen.
Promenade und Gedenkstätte
Dennoch ist der Spreeplatz am Fuß der Treppe allemal einen
Besuch wert - auch deshalb, weil durch die Öffnung des
Spreewegs nun endlich die Mauergedenkstätte im Untergeschoss
des Lüders-Hauses öffentlich zugänglich ist.
Mauersegmente, die von dem Berliner Aktionskünstler Ben Wargin
gerettet und gestaltet wurden, markieren den Verlauf der Grenze
zwischen den beiden deutschen Staaten. Jedes Segment steht für
ein Jahr der Teilung von Ost und West zwischen 1961 und 1989 - und
auf jedem Betonblock ist die Zahl der Mauertoten in diesem Jahr
geschrieben. Buchstäblich Weiß auf Schwarz wird hier
sichtbar, wie viele Menschen diese Grenze das Leben gekostet hat.
Für Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, der gemeinsam
mit der Berliner Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer
die Spreeufer-Promenade eröffnet hat, ist das Mahnmal ein
"bewegender Gedenkort", der an die Teilung der Stadt erinnere, die
niemals vergessen werden dürfe. 15 Jahre nach der deutschen
Wiedervereinigung sei es "das Wichtigste, sich daran zu erinnern,
dass wir die Freiheit gewonnen haben - die Freiheit der Rede, des
Demonstrierens, des Reisens". Auch wenn sich in den vergangenen
Jahren "nicht alle blühenden Träume erfüllt"
hätten, es immer noch Rückstände und Ängste
insbesondere im Osten gebe, sei doch viel erreicht worden und werde
auch in Zukunft hart daran gearbeitet werden, die ökonomischen
Unterschiede zwischen Ost und West zu verringern: "Wir sind
mittendrin." Die Wiedervereinigung sei ein "historisches
Glück", das man feiern solle und könne. Das Mahnmal ist
nicht auf das Innere des Gebäudes beschränkt. Wer den
Betonblöcken im Inneren des Lüders-Hauses den Rücken
zuwendet, der sieht am anderen, westlichen Spreeufer weiße
Kreuze. Auch sie erinnern an die Mauertoten - und rufen, so Thierse
in seiner Rede zur Fertigstellung des westlichen Spreeplatzes im
Sommer 2003, "zum Einsatz für die Freiheit" auf.
Mit der Fertigstellung des östlichen Ufers ist nun das so
genannte "Band des Bundes" komplettiert, das unter anderem das
Kanzleramt, das Paul-Löbe-Haus mit den Abgeordnetenbüros
und das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, in dem die
Parlamentsbibliothek untergebracht ist, umfasst. Das Konzept geht
auf den Berliner Architekten und Kanzleramts-Baumeister Axel
Schultes zurück, der das Regierungsviertel so in den
vergangenen Jahren grundlegend neu gestaltete. Die Planung des
Spreeplatzes übernahm der Münchner Architekt Stephan
Braunfels, der damit den wohl außergewöhnlichsten Ort
Berlins schuf: Einen Platz, der hauptsächlich aus Wasser
besteht und den Brückenschlag von Ost nach West und die
Überwindung der Mauer symbolisieren soll. Auf die
üblichen Geländer an den Ufern der Spree wurde
verzichtet, um die optische Einheit des Platzes nicht zu
zerstören.
Perfekt findet der Architekt sein Werk aber auch nach der
Eröffnung noch nicht: Auf den geplanten Einbau eines
öffentlichen Eingangs zur Parlamentsbibliothek musste
Braunfels aus Sicherheitsgründen verzichten. Auch sein Traum,
auf der großen Terrasse oberhalb des Uferwegs ein Cafe zu
eröffnen, erfüllte sich bislang nicht. Aber was nicht
ist, kann noch werden - und dann können die Touristen
vielleicht irgendwann auf der spanischen Treppe des Bundestags
Cocktails nippen und den Abgeordenten ganz entspannt bei der Arbeit
zuschauen.
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