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Ines Gollnick
Neugier statt Traurigkeit
Bonner Gespräche: Ost und West
Es ging ums Geld, um Konzepte und Einstellungen beim
fünften "Bonner Gespräch" unter der Überschrift
"Ost-West: Notwendige Solidarität oder Fass ohne Boden" im
Haus der Geschichte. 15 Jahre nach dem Mauerfall ist das Thema
offenbar immer noch aktuell: Mehr als 300 Gäste wollten am 21.
September Gesine Schwan, Präsidentin der
Europa-Universität Viadrina, Lothar Späth, Vorsitzender
der Geschäftsführung bei der Investmentbank Merrill
Lynch, Axel Arendt, Chairmann von Rolls Royce und Bonns
Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann zur aktuellen Lage
in Ostdeutschland hören.
Die Diskussion unter der Leitung von Hans-Jürgen
Rosenbauer, TV-Journalist und Professor an der Kölner
Kunsthochschule für Medien, weichte die Gegensätze
Ost-West ein bisschen auf. Probleme wie die hohe Arbeitslosigkeit
und der demografische Wandel in ganz Deutschland stellten sich
ähnlich oder gleich dar. Dieckmann hielt fest, dass wichtige
und große Entwicklungen stattgefunden hätten. Die
Wiedervereinigung sei ein "Glücksfall" für die Deutschen,
sagte sie. Die Solidarität sei wichtig und richtig, auch wenn
der Solidaritätszuschlag eine Kommune wie Bonn jährlich
50 Millionen Euro kosten würde. Es müsse die
Förderung für Ostdeutschland geben, aber auch
ländliche Gebiete in Westdeutschland bräuchten Hilfe.
Gesine Schwan mischte sich in der ihr eigenen Art in die
Diskussion ein. Man könne ganz locker über Wessi und Ossi
sprechen, ohne gleich immer die Befürchtung haben zu
müssen, auf etwas festgenagelt zu werden. Sie warb dafür,
die Aufbauleistung als eine gemeinsame zu begreifen und sie
"weniger als Hilfe für die Schwestern und Brüder" zu
betrachten. Aus ihrer Warte seien die Probleme eher mentaler Natur
und weniger durch die Finanzen begründet. Die Zukunft sei zu
meistern, wenn mehr Geld in Wissenschaft und Bildung investiert
würde. Es bleibe nichts anderes, als immer wieder Initiativen
einzuleiten, unterstrich Schwan. So will sie an der eher geistes-
und sozialwissenschaftlich ausgerichteten Viadrina ein
Informatikstandbein aufbauen. "Mit gar nicht mal so furchtbar viel
Geld könnte man das schaffen. Der Nachwuchs dafür ist
da."
Lothar Späth, zwölf Jahre Ministerpräsident von
Baden-Württemberg und früherer Chef von Jenoptik, gab
sich gelassen. Beispielsweise bei der Denkmalpflege und der
Renovierung der Innenstädte sei viel geschafft worden. Bei der
teilweise überdimensionierten Infrastruktur fehle jedoch der
ökonomische Unterbau. Dafür stünden nun der
Steuerzahler und die öffentlichen Haushalte gerade. Späth
plädierte dafür, mit den Realitäten umzugehen,
schnell neue Arbeitsplätze zu schaffen. Er rief als positives
Beispiel in Erinnerung, dass das größte europäische
Halbleiterzentrum in Ostdeutschland entstanden sei. Schwerpunkte zu
bilden, hielt Axel Arendt für einen guten Weg. Wenn etwa BMW
in Leipzig eine neue Fabrik baue, ziehe das Zulieferbetriebe an. Er
wünschte sich mit Blick auf die eigene Branche, dass der Osten
ein Schwerpunkt in der Luft- und Raumfahrt werde und lobte die
Flexibilität der Arbeitnehmer in Ostdeutschland. Notfalls
könne dort auch am Wochenende im Dreischichtbetrieb gearbeitet
werden.
Für Lothar Späth gibt es keine spezielle Politik
für Ostdeutschland mehr, denn die Probleme seien überall
die gleichen. Statt der hoffnungslosen Lust der Deutschen zur
Traurigkeit verkündete er den Leitgedanken "Neugier auf
Zukunft". Am Ende hatte der Moderator noch eine gute Nachricht: Die
ostdeutsche Landwirtschaft sei wettbewerbsfähiger sei als die
westdeutsche, weil ostdeutsche Kühe 110 Liter Milch mehr geben
würden. Das forderte den Schwaben Späth heraus:
"Kühe haben weniger Angst vor der Zukunft."
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