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Tilmann P. Gangloff
Integration durch Fernsehen
Ausländern Gehör
verschaffen
Nach dem Mord an dem Niederländer Theo van Gogh gab es auch
in Deutschland Diskussionen über die so genannte
Parallelgesellschaft: vermeintlich integrierte Einwandererfamilien,
die bloß deshalb nicht weiter auffallen, weil sie unter sich
bleiben. Schon im vergangenen Jahr hatte der Bremer
Bürgermeister Henning Scherf (SPD) daher ein
"Ausländerfernsehen" gefordert - ein Programm, dass sich
ähnlich wie "Radio Multikulti" vom RBB oder "Funkhaus Europa"
(WDR) an die verschiedenen Nationalitäten richtet. Scherf
erhoffte sich von diesem Programm eine bessere Integration der
Ausländer. Tatsächlich spielen Migranten und die für
sie relevanten Themen im Fernsehalltag praktisch keine Rolle.
Ausnahmen wie der Komiker Kaya Yanar ("Was guckst du?!", Sat 1),
der mit seiner Form von "Ethno-Comedy" sogar ein eigenes Genre
entwickelt hat, sind die Ausnahme. Der Versuch, mit "König von
Kreuzberg" (auch Sat 1) eine Sitcom im türkischen Milieu
anzusiedeln, war ein völliger Flop. Und auch die Versuche von
ARD oder ZDF sich der Migrationsproblematik anzunehmen, fallen in
der Regel didaktisch schwerfällig aus. Trotzdem haben sich
Experten gegen Scherfs Vision vom Ausländerfernsehen
ausgesprochen. Medienforscher Bernd Schorb (Institut für
Kommunikations- und Medienwissenschaft, Leipzig) würde es zwar
begrüßen, "wenn ein TV-Programm gezielt die
Integrationsanstrengungen der wichtigsten Ausländergruppen
unterstützen" würde. Er ist aber skeptisch, ob dies einem
öffentlich-rechtlichen Sender gelingen könne.
Vorbilder in Filmen
Deshalb reagieren die Experten recht reserviert auf einen neuen
Vorstoß: Im Sommer wurde im Karlsruher Zentrum für Kunst
und Medientechnologie (ZKM) die "Bundesinitiative Integration und
Fernsehen" gegründet. Nach dem Willen von Andreas Renner
(CDU), dessen Ministerium für Arbeit und Soziales in
Baden-Württemberg den Anstoß gab, soll die Aktion "Film-
und Fernsehschaffende, Medienforscher und kulturschaffende
Migranten" zusammenführen. Die Plattform, einzigartig in
Europa, "soll nachhaltig die mit Bildung und Integration
verbundenen Themen im Fernsehen verankern". Renner glaubt, dass
"das Fernsehen viele Möglichkeiten hat, Anregungen und
Vorbilder durch Unterhaltungssendungen und ohne belehrenden
Zeigefinger zu vermitteln". Konkret sollen Migranten "eine
stärkere personelle Präsenz in den Sach- und
Unterhaltungsformaten erhalten und dabei auch exponierte und
positiv besetzte Rollen einnehmen" sowie von Anfang an in die
Produktion miteinbezogen werden.
Für Michael Mangold, Leiter des Instituts für Medien
und Wirtschaft im ZKM, steht außer Frage, dass gerade das
Fernsehen viel zur Integration beitragen könne. Filme und
Serien seien ja ohnehin ein Zerrspiegel der Wirklichkeit, weil sie
große Teile der Erwerbstätigkeit, etwa den industriellen
Bereich, nahezu komplett ausklammerten. Bei Ausländern sei das
Zerrbild noch ausgeprägter. Sie tauchten zum Beispiel nur
selten in "positiv attribuierten Berufen" auf, also etwa als Arzt
oder Rechtsanwalt. Mangold denkt nicht nur ans deutsche Publikum,
bei dem sich Klischees verfestigten, sondern auch an die
ausländischen Zuschauer. So wie sich Mädchen am
Frauenbild aus "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" orientierten,
müsse man auch jungen Türken Vorbilder anbieten: "Ich
finde es höchst kritisch, dass Türken immer bloß in
Döner-Buden arbeiten", sagt Mangold. Auch für die Sender
werde sich die Entdeckung der Zielgruppe als vorteilhaft erweisen:
ARD und ZDF könnten ein ganz neues Publikum ansprechen, RTL
und Co. das Werbepotenzial der Migranten nutzen.
Sicht der Deutschen auf die Türken
Mangold hat diverse Fürsprecher gefunden, die die
Initiative unterstützen, darunter auch prominente Migranten.
Für Tayfun Bademsoy, 1969 als Zehnjähriger mit seinen
Eltern aus der Türkei eingewandert und seit Jahren einer der
meist beschäftigten türkischstämmigen Schauspieler
("Süpersex", "Ein starkes Team"), steht das Wirkungspotenzial
des Fernsehens außer Frage. Zu Beginn der 90er-Jahre hat
Bademsoy mit Horst Janson für die ARD "Zwei Schlitzohren in
Antalya" gedreht. Die Serie, erinnert er sich, habe "die Sicht
vieler Deutscher auf die Türken verändert, weil es hier
der Deutsche war, der im Ausland lebte". Zum ersten mal hätten
Arbeiter "ihren Kollegen Hassan überhaupt zur Kenntnis
genommen". Bademsoy weist auf einen weiteren Missstand hin:
"Ausländische Darsteller sind traditionell schlechter bezahlt
worden als Deutsche." Um sich gegen diese Form von "innerem
Rassismus" zu wehren, hat er vor sechs Jahren die Agentur "foreign
faces" (später in "International Actors" umbenannt)
gegründet, die ausnahmslos ausländische Schauspieler
vertritt; seither habe sich einiges bewegt, zumal die dritte
Migrantengeneration mittlerweile in die Medienbranche und damit
auch in die Redaktionen dränge. In deutschstämmige
Redakteure setzt Bademsoy hingegen keine Hoffnungen: "Die haben
viel zu viel Angst um ihre Quote."
Mario Giordano, der als Autor des Romans "Black Box" die Vorlage
für den Kinofilm "Das Experiment" lieferte, fordert vom
Fernsehen eine authentischere Abbildung der Lebenswirklichkeit,
"dramatisiert und zugespitzt zwar, aber eben auch realistisch mit
allen Konflikten und mit ihrer ganzen Komik". Gemeinsam mit Andreas
Schlüter, seinem Co-Autor für den Zweiteiler
"Kika-Krimi.de", eine Art "Tatort" für Kinder, bereitet er
derzeit einen Jugendfilm über eine gemischte Hauptschulklasse
vor. Wie Bademsoy glaubt auch Giordano, dass die jüngste
Generation von Migrantenkindern viel bewirken werde. Das Fatih Akin
("Kurz und schmerzlos", "Solino", "Gegen die Wand") im
Filmgeschäft nun der Vorzeige-Türke ist, hält er
nicht für problematisch: "Wer im Schatten lebt, muss sich
Gehör verschaffen - egal wie."
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