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14. Wahlperiode
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Petitionsausschuss, Kurzfassung des Jahresberichtes 1997 / II

II. Einzelfälle

1. Kein Besuchervisum für türkische Großmutter

Trotz der einstimmigen Empfehlung des Petitionsausschusses, einer 68jährigen türkischen Großmutter den Besuch ihrer Söhne und Enkelkinder in Deutschland zu ermöglichen, blieb die Bundesregierung bei ihrer harten ablehnenden Haltung.

Die 68jährige Türkin lebt bei einem ihrer Söhne und dessen Familie in der Türkei. Drei weitere Kinder leben seit Jahren in Deutschland, zwei Söhne sind als Asylberechtigte anerkannt, bei einer Tochter ist das Asylverfahren noch nicht abgeschlossen. Die Söhne haben eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und bestreiten ihren Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme sozialer Leistungen.

Die Türkin hatte bereits im Jahre 1987 einen ihrer Söhne in Deutschland mit einem Besuchervisum besucht; sie war seinerzeit rechtzeitig und ordnungsgemäß in die Türkei zurückgekehrt.
Im Jahre 1996 wurde sie von dem anderen, in Deutschland lebenden Sohn und seiner Familie zu einem Besuch eingeladen. Der Sohn stattete seine Mutter mit den üblichen Verpflichtungserklärungen, dem Nachweis über seine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, diverse Lohnbescheinigungen und der Kopie eines polizeilichen Führungszeugnisses aus, kaufte ein Rückflugticket, erklärte sich zum Abschluß einer Reisekrankenversicherung bereit, und wollte auch eine beträchtliche Kaution bei der örtlichen Ausländerbehörde zur Sicherheit hinterlegen. Gleichwohl blieben mehrere Anträge der türkischen Großmutter auf Erteilung eines Besuchervisums und auch eine Beschwerde gegen die Ablehnung erfolglos.
Sie hatte in ihrem Schreiben zum Ausdruck gebracht, sie wolle lediglich ihren Sohn und seine Familie besuchen und dann wieder in die Türkei zu ihrem anderen Sohn zurückkehren, mit dem sie dort zusammenlebe. In der Türkei sei sie zu Hause, und sie fühle sich dort sehr wohl. Es sei für sie unvorstellbar, ihre Heimat aufzugeben und in einem fremden Land zu leben. Sie habe aber den Wunsch, ihre in Deutschland geborenen Enkelkinder kennenzulernen. Im Verlauf des Petitionsverfahrens hatte sie auch noch auf den Besitz landwirtschaftlicher Flächen in der Türkei hingewiesen, die im Grundbuch auf ihren Namen eingetragen seien.
Angesichts dieses Vortrags teilte der Petitionsausschuss nicht die Zweifel des Auswärtigen Amtes an der Rückkehrbereitschaft der Großmutter. Er empfahl vielmehr, die Petition im Sinne der 68jährigen einer erneuten Prüfung zu unterziehen, um einen Besuch bei der Familie des Sohnes in Deutschland zu ermöglichen.
Das Auswärtige Amt teilte auf den Erwägungsbeschluß dem Petitionsausschuss mit, daß es die Ermessensentscheidung der Botschaft Ankara nicht beanstande, sondern vielmehr diese Entscheidung teile und deshalb der Petition nicht abhelfe.
Der Petitionsausschuss beschloß daraufhin nach streitiger Erörterung mit zwölf gegen zehn Stimmen und bei drei Enthaltungen, das Petitionsverfahren als beendet anzusehen.

2. Bleiberecht in der Bundesrepublik Deutschland

Sehr intensiv befaßte sich der Petitionsausschuss mit der Petition einer aus Rumänien stammenden jungen Frau, die von der Abschiebung in ihr Herkunftsland bedroht war. Sie war bereits im April 1991 mit einem Touristenvisum in das Bundesgebiet zum Besuch ihrer Eltern und ihrer Schwester eingereist, die als Vertriebene anerkannt sind. Das beim Bundesverwaltungsamt (BVA) betriebene Verfahren auf Erteilung eines Aufnahmebescheides und auch das eingeleitete Verfahren auf Ausstellung eines Vertriebenenausweises blieben erfolglos. Negativ verliefen auch die Bemühungen der Petentin um ein Bleiberecht im Rahmen der Familienzusammenführung.
Die von der Abschiebung bedrohte Petentin wandte sich mit der Bitte um Hilfe an den Petitionsausschuss des bayerischen Landtages. Sie verwies insbesondere auf ihre schwierige familiäre Lage. Ihr Vater sei sehr krank und bekomme eine Chemotherapie. Ihre Schwester sei noch in der Ausbildung, deshalb sorge sie als ältere Tochter für die Familie. Die Eltern seien überdies schon recht alt. Sie könne nicht verstehen, daß in einer Situation, in der die Eltern die Hilfe ihrer Tochter benötigten, dies durch Entscheidungen deutscher Behörden unmöglich gemacht werde.
Der Landespetitionsausschuss sah im Hinblick auf die ablehnenden Entscheidungen des Bundesverwaltungsamtes die Bundeszuständigkeit für gegeben an und leitete die Petition ohne Prüfung der ausländerrechtlichen Problematik dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages zu.
Der Ausschuss holte zu der Eingabe eine Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern (BMI) ein, in der sich dieses ablehnend gegenüber dem Begehren der Petentin äußerte. Das BMI wies darauf hin, daß es weder in ausländerrechtlicher noch in vertriebenenrechtlicher Hinsicht abhelfen könne. Das BVA sei an die bereits ergangenen vertriebenenrechtlichen Entscheidungen der Landesbehörden gebunden. Für ein ausländerrechtliches Bleiberecht seien im übrigen auch die Landesbehörden zuständig.
Der Petitionsausschuss sah die Gefahr, daß die Petentin dem Zuständigkeitsstreit von Bund und Ländern zum Opfer falle. Um nach Lösungsmöglichkeiten für sie zu suchen, erörterten Abgeordnete aller Fraktionen mit einem Vertreter des BMI sowie mit dem Präsidenten des BVA in einem ausführlichen Gespräch die Sach- und Rechtslage. Die Beteiligten verständigten sich darauf, daß eine Lösung nur in enger Zusammenarbeit mit den Landesbehörden und dem Landespetitionsausschuss gefunden werden könne. Nach langwierigen Erörterungen und in einem regen Schriftwechsel konnte der Petentin schließlich doch geholfen werden. Sie erhielt eine Aufenthaltsgenehmigung, so daß ihrem Begehren entsprochen werden konnte.

3. Beendigung der militärischen Nutzung eines Truppenübungsplatzes?

Bürgerinnen und Bürger, die sich durch einen von belgischen Truppen genutzten Truppenübungsplatz in der deutsch-belgischen Grenzregion erheblich beeinträchtigt fühlten, hatten sich zu einer Bürgerinitiative zusammengeschlossen und forderten in ihrer Eingabe an den Petitionsausschuss kurzfristige Maßnahmen gegen vorhandene Störungen, insbesondere aber die langfristige Beendigung der militärischen Nutzung des Geländes.
Zur Begründung der Forderungen führten sie aus, der Truppenübungsplatz liege in schönster Naturlandschaft inmitten des Naturparks Nordeifel/Ardennen. Der militärische Betrieb zerstöre großflächig die Natur und beeinträchtige die Umwelt. Durch das Anfahren der Panzerfahrzeuge sowie durch die Schießübungen, entstünden erhebliche Erosionsschäden. Des weiteren gelangten durch die abgeschossene Munition Oxidationen unmittelbar in die Urfttalsperre und gefährdeten die Gesundheit der Anwohner. Der Stadt werde außerdem durch den über 4 000 ha großen Übungsplatz ein Drittel ihrer Gesamtfläche entzogen. Der ohnehin strukturschwachen Gegend enthalte man dadurch wesentliche Wirtschafts- und Strukturentwicklungspotentiale vor. Außerdem gebe es durch den Wegfall des Ost-West-Gegensatzes und die Aufhebung der deutschen Teilung keine verteidigungspolitischen Zwänge mehr, die den weiteren Betrieb des Truppenübungsplatzes rechtfertigten.
In der vom Petitionsausschuss erbetenen Stellungnahme wies das Bundesministerium der Finanzen in Abstimmung mit dem Bundesministerium der Verteidigung und dem Auswärtigen Amt darauf hin, daß das Gelände den belgischen Streitkräften seit Mai 1955 durch völkerrechtlich verbindliche Vereinbarung zur Verfügung stehe. Da es erklärtes Ziel aller bisherigen Bundesregierungen war und ist, daß Streitkräfte verbündeter Staaten auch künftig in Deutschland stationiert blieben, müßte diesen Streitkräften für Ausbildung und zu Übungszwecken ausreichendes Gelände zur Verfügung gestellt werden.
Der Petitionsausschuss hat sich in einer Anhörung von mehreren Regierungsvertreterinnen und -vertretern mit der Auffassung der Bundesregierung intensiv auseinandergesetzt. Eine Delegation des Petitionsausschusses hat zudem eine Ortsbesichtigung durchgeführt, um sich einen unmittelbaren Eindruck von der Region und den Beeinträchtigungen zu verschaffen.
Der Petitionsausschuss forderte schließlich langfristige Maßnahmen zur Überführung des Truppenübungsplatzes in eine zivile Nutzung, sowie kurzfristige Maßnahmen zur Minderung der starken Beeinträchtigungen für die Bevölkerung. Das Plenum des Deutschen Bundestages hat sich diesen Forderungen angeschlossen.
Hinsichtlich der Umwandlung des Geländes in eine zivile Nutzung kam die Bundesregierung dem Beschluß des Deutschen Bundestages bisher nicht nach. Sie begründete dies insbesondere damit, daß eine weitere Nutzung des Übungsplatzes aus verteidigungs- und außenpolitischen Gesichtspunkten unverzichtbar sei. Auch in der daraufhin durchgeführten Befragung des Bundesministers der Verteidigung, der Staatssekretärin im Bundesministeriums der Finanzen und eines Staatsministers im Auswärtigen Amtes blieb die Bundesregierung im wesentlichen bei ihrer Auffassung.
Dennoch konnten im Zuge des Petitionsverfahrens einige Verbesserungen zugunsten der in der Region lebenden Bürgerinnen und Bürger erreicht werden. Es erfolgte eine Begrenzung der Nutzung des Truppenübungsplatzes auf 46 Nutzungswochen mit 147 Schießtagen und 110 Übungstagen im Jahr. Zudem wird die Einhaltung von Pufferzonen zum Schutz gegen Lärm und Staubimmissionen und zur Regenerierung stark beanspruchter Flächen von der belgischen Seite gewährleistet. Des weiteren haben sich die belgischen Streitkräfte dazu bereit erklärt, den Belangen der Zivilbevölkerung durch strikte Beachtung des Umweltrechts und großzügige Handhabung von Anträgen auf zivile Mitbenutzung des Truppenübungsplatzes Rechnung zu tragen.
Das Petitionsverfahren gestaltete sich für den Ausschuss schwierig, zumal das belgische Militär einer unmittelbaren Einwirkungsmöglichkeit des deutschen Parlaments entzogen ist. Der Petitionsausschuss konnte eine zivile Nutzung des Truppenübungsplatzes (bisher) nicht durchsetzen, gleichwohl hat er jedoch einige Verbesserungen für die Bevölkerung der Region erreichen können.

4. Witwenrente für eine in Israel lebende Petentin

Im November 1995 wandte sich eine in Israel lebende 77-jährige Petentin an den Ausschuss und begehrte die Gewährung einer Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Lebenspartners.
Sie trug vor, sie habe mit diesem 43 Jahre zusammengelebt und beziehe nun aufgrund seiner in Israel erworbenen Ansprüche eine kleine Witwenrente. Bis zu seinem Tode sei ihm von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) aufgrund seiner in Deutschland erworbenen Ansprüche eine Rente in Höhe von ca. 900,-- DM gezahlt worden. Nach seinem Tode habe sie bei der BfA die Zahlung einer Witwenrente beantragt. Diese sei ihr jedoch abgelehnt worden, da sie den Nachweis des Bestehens ihrer Ehe nach Auffassung der BfA nicht habe erbringen können. Der von ihr vorgelegte Auszug aus dem Register des Innenministeriums des Staates Israel sei, so der Rentenversicherungsträger, als Nachweis des Bestehens ihrer Ehe nicht ausreichend.
Das um Stellungnahme ersuchte Bundesversicherungsamt (BVA) bekräftigte diese Auffassung und wies erneut darauf hin, daß das Bestehen einer gültigen Ehe zum Zeitpunkt des Todes der versicherten Person Voraussetzung für die Bewilligung einer Hinterbliebenenrente sei. Zwar genüge es bei einer Eheschließung im Ausland, wenn diese nach den dort geltenden Gesetzen rechtsgültig geschlossen werde. Dies bedeute angesichts des in Israel geltenden jüdischen Rechts jedoch, daß die Ehe durch eine Eheschließungsurkunde der religiösen Eheschließungsbehörde nachgewiesen werden müsse, etwa durch eine sogenannte Rabbinatsurkunde. Diese oder eine andere Eheschließungsurkunde habe die Petentin aber nicht vorgelegt.
Der Petitionsausschuss gab sich mit dieser Auskunft nicht zufrieden und schaltete das Auswärtige Amt, das Bundesministerium der Justiz und das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung ein. Außerdem erbat er eine Auskunft der Botschaft des Staates Israel in der Bundesrepublik Deutschland zur Frage der Rechtsqualität des von der Petentin vorgelegten Registerauszugs. Diese Recherchen ergaben, daß mit Vorlage des Auszuges aus dem zentralen Bevölkerungsregister des israelischen Innenministeriums nachgewiesen ist, daß der im Jahr 1912 geborene Partner der Petentin an seinem Todestag mit ihr verheiratet war. Da der Registerauszug gegenüber einer Heiratsurkunde zudem die Gewißheit bietet, daß die geschlossene Ehe nicht durch Scheidung beendet worden ist, war dem Petitionsausschuss das Beharren des Rentenversicherungsträgers auf der Vorlage der Heiratsurkunde des religiösen Gerichts unverständlich. Dies umso mehr, als das Auswärtige Amt auf die Erfahrung der deutschen Botschaft in Tel Aviv verwies, wonach in Wiedergutmachungsangelegenheiten die Entschädigungsbehörden sich mit geringeren Nachweisen, etwa auch einem solchen Registerauszug, zufrieden gäben.
Der Petitionsausschuss nahm die Eingabe daher zum Anlaß, die Rentenversicherungsträger grundsätzlich um Überprüfung ihrer Praxis hinsichtlich der Vorlage von Beweismitteln zum Nachweis des Bestehens einer gültigen Ehe nach den Bestimmungen des Staates Israel zu ersuchen. Außerdem erbat er im Falle der Petentin die Bewilligung der begehrten Witwenrente von der BfA. Mit dieser Zielsetzung wurde die Petition der Bundesregierung - dem BMA - zur Erwägung zugeleitet.
Nach kurzer Zeit antwortete das BMA, die BfA werde der Petentin die beantragte Witwenrente gewähren.

5. Kurzfristige Einberufung zum Zivildienst

Ein anerkannter Kriegsdienstverweigerer aus Schleswig-Holstein bat den Ausschuss im April 1997 um Unterstützung.
Das Bundesamt für den Zivildienst hatte seine Heranziehung zum 1. September 1997 angekündigt. In einer nahegelegenen Gemeinde habe man ihm aber in Aussicht gestellt, den Zivildienst bereits zum 1. Mai 1997 beginnen zu können. Die Dienststelle sei nur etwa fünf Kilometer von seinem Wohnort entfernt. Da er in einem Dorf mit nur wenigen Einwohnern lebe, das nicht über öffentliche Verkehrsmittel an größere Städte angebunden sei, sei er darauf angewiesen, eine Stelle anzutreten, die auch mit dem Fahrrad oder Kleinkraftrad zu erreichen sei. Darüber hinaus habe eine Einberufung zum 1. September 1997 den Nachteil, daß sein Dienst erst zu einem Zeitpunkt enden würde, zu dem alle Einstellungsfristen für eine Ausbildungsstelle oder einen Schulplatz bereits abgelaufen seien. Er hätte dann erst wieder im Jahre 1999 eine Chance, eine Ausbildung zu beginnen.
Der Ausschuss übersandte die Eingabe wegen der besonderen Eilbedürftigkeit sofort per Telefax dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) zur Stellungnahme.
Dieses berichtete dem Ausschuss nur wenige Tage später, daß das Bundesamt für den Zivildienst aus Anlaß der Petition unmittelbar mit dem Petenten Kontakt aufgenommen habe. Dieser habe telefonisch zugesagt, die Einverständniserklärung der Beschäftigungsstelle, zu der er im Mai 1997 einberufen werden könne, bis zum darauffolgenden Tag per Telefax vorzulegen. Falls der Petent seine Zusage einhalte, werde das Bundesamt die Einberufung wunschgemäß veranlassen.
Etwa zwei Wochen später erreichte den Ausschuss ein Schreiben des Petenten, in dem dieser sich für die schnelle Hilfe bedankte; seine Einberufung zum Mai 1997 hatte geklappt.

6. Entschädigungsforderungen wegen verseuchter Impfstoffe

Zahlreiche Eingaben erhielt der Petitionsausschuss von Frauen, die um Entschädigung baten, weil sie in den Jahren 1978 und 1979 in der DDR durch verseuchte Impfstoffe mit dem Virus-Hepatits-C (HCV) infiziert worden waren. Bei der Impfung hatte es sich um eine sogenannte "Anti-D-Impfprophylaxe" gehandelt, die bei schwangeren Frauen durchgeführt wird, um im Falle nachfolgender Schwangerschaften gesundheitliche Schäden für Mutter und Kind wegen möglicher Blutgruppenunverträglichkeiten zu vermeiden.
Hepatitis-C-Infektionen sind nicht heilbar. Sie können zu schwerwiegenden Folgeschäden wie Leberzirrhose oder Leberzellkarzinom und zu einem vorzeitigen Tode führen.
In drei Arzneimittelserien von dem später verwendeten Impfpräparat waren Blutspenden hepatitisinfizierter Menschen verarbeitet worden. Obwohl dies noch rechtzeitig vor dem Inverkehrbringen dieser drei Chargen bekannt worden war, wurden die Impfpräparate ausgeliefert und verbraucht. Außerdem war bei der Herstellung ein Verfahren angewendet worden, daß bereits zu diesem Zeitpunkt nicht dem weiterentwickelten Standard entsprach: Zur Erhöhung der Ausbeute wurden Waschflüssigkeiten der einen Charge für die Herstellung der folgenden benutzt. Dadurch gelangte das Hepatits-C-Virus auch in Chargen, in die die HCV infizierten Spenden nicht direkt Eingang gefunden hatten.
Durch die Impfung mit den infizierten Präparaten erkrankten in der DDR unmittelbar mehrere tausend Frauen sowie mittelbar eine unbekannte Zahl von Menschen, vor allem Neugeborene während der Stillperiode und Frauen bei anschließenden Schwangerschaften. Die für die Herstellung Verantwortlichen wurden seinerzeit in der DDR in einem Geheimprozeß zu Geld- und Freiheitsstrafen, teilweise auf Bewährung, verurteilt. Die Betroffenen selbst wurden über die Ursache ihrer Erkrankung und das Fehlverhalten der DDR-Gesundheitsbehörden nicht informiert.
Der Petitionsausschuss befaßte sich sehr ausführlich mit den Eingaben, deren Anliegen auch Gegenstand einer Großen Anfrage im Deutschen Bundestag gewesen ist (Drucksache 13/2732). Das Bundesministerium für Gesundheit verwies in seiner Stellungnahme auf die Zuständigkeit der Länder hinsichtlich der Leistungen nach dem Bundesseuchengesetz und dem Bundesversorgungsgesetz. Des weiteren verwies das Ministerium darauf, daß nach der Rechtsansicht der Bundesregierung und der Rechtsprechung die Bundesrepublik Deutschland und die neuen Länder nicht Rechtsnachfolgerinnen der DDR sind. Ansprüche, die gegen die DDR bestanden oder gegen sie hätten geltend gemacht werden können, seien untergegangen oder könnten somit nicht gegen die Bundesregierung oder die Länder geltend gemacht werden. Soweit schon die DDR bei bestimmten Schädigungen, die als ungewöhnliche Härte empfunden wurden, besondere Entschädigungsmöglichkeiten vorgesehen hätte, seien diese durch den Einigungsvertrag und die spätere Gesetzgebung in das Entschädigungsrecht der Bundesrepublik überführt worden. Der Petitionsausschuss sah angesichts des an den Frauen begangenen Unrechts Handlungsbedarf des Gesetzgebers. Zahlreiche Geschädigte erhalten aus den unterschiedlichen Gründen keine Leistungen nach dem Bundesseuchengesetz oder dem Bundesversorgungsgesetz. Schmerzensgeld oder ein Berufsschadenausgleich werden durch diese gesetzlichen Regelungen erst gar nicht erfaßt. Der Petitionsausschuss empfahl daher, die Petition der Bundesregierung - dem Bundesministerium für Gesundheit - zur Erwägung zu überweisen, damit nach Möglichkeiten der Abhilfe gesucht werde. Außerdem wurde die Petition den Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis gegeben, weil sie als Anregung für eine parlamentarische Initiative geeignet erschien und um auf das Anliegen der Petentin besonders aufmerksam zu machen.
In seinem Zwischenbericht hat das Bundesministerium für Gesundheit bisher nur mitgeteilt, es sei beabsichtigt, eine Gesetzesinitiative zugunsten der erkrankten Personen zu erörtern, vorausgesetzt, daß alle Länder, insbesondere auch die derzeit nicht betroffenen alten Bundesländer, bereit sind, entsprechend ihrer Größe und Finanzkraft die Kosten zu übernehmen. Da die Länder sich hierzu bislang noch nicht geäußert hätten, habe der Bundesminister für Gesundheit die Gesundheitsminister und -senatoren der Länder um eine Stellungnahme zu dieser Frage gebeten. Ein Ergebnis liegt derzeit noch nicht vor.

7. Familienversicherung für Flüchtlingskinder

Ebenfalls erfolgreich war die Petition eines Helferkreises, der sich für Flüchtlinge, insbesondere für Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina einsetzt. Mit der Eingabe wurde die Gewährung von Leistungen der Krankenkassen an Familienangehörige von Flüchtlingen gefordert, die Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung sind. In mehreren Fällen hatten die Krankenkassen Leistungen verweigert und dies damit begründet, daß die versicherten Asylbewerber oder Bürgerkriegsflüchtlinge nur vorübergehend in Deutschland seien. Sie hätten keinen "gewöhnlichen Aufenthalt" in Deutschland, deshalb entfalle eine der Leistungsvoraussetzungen nach § 30 Abs. 2 Sozialgesetzbuch I.
In der vom Ausschuss eingeholten Stellungnahme wies das Bundesministerium für Gesundheit darauf hin, daß diese Rechtsvorschrift von den Krankenkassen, ihren Spitzenverbänden, den Sozialhilfeträgern und auch den Sozialgerichten unterschiedlich ausgelegt werde. Deshalb habe man in dem Gesetz zur Anpassung krankenversicherungrechtlicher Vorschriften eine klarstellende Regelung angestrebt, wonach bei einem mindestens 24-monatigem ununterbrochenen Aufenthalt Leistungen auch an die Familienmitglieder zu gewähren seien. Da der Bundesrat diesem Gesetz jedoch nicht zugestimmt habe, bleibe es bei der einschränkenden Regelung. Deshalb hätten die Familienangehörigen ausschließlich Ansprüche nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Dieses decke jedoch nicht alle Krankheitskosten ab, insbesondere keine Kosten für Vorsorgeuntersuchungen.
Der Petitionsausschuss hielt die Ausführungen des Ministeriums für unbefriedigend und empfahl, die Petition der Bundesregierung - dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung - als Material zu überweisen.
In ihrer Antwort zu dem Beschluß des Deutschen Bundestages blieb die Bundesregierung bei ihrer Rechtsauffassung. Insbesondere legte sie dar, daß der Schutz der Familienversicherung nur dann eingreifen sollte, wenn der Aufenthalt im Inland von einer gewissen Stabilität und Dauer sei, d. h. wenn eine Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht bereits bei der Einreise absehbar sei. Deshalb sei auch eine kürzere als die ursprünglich angestrebte mindestens zweijährige Aufenthaltsdauer nicht unterstützenswert.
Der Ausschuss konnte sich mit dieser Antwort nicht einverstanden erklären und beschloß daraufhin die Ladung eines Regierungsvertreters.
Dazu kam es jedoch nicht mehr, da sich eine Lösung im Sinne der Flüchtlingsinitiative abzeichnete. Kurz vor dem Anhörungstermin teilte das Ministerium mit, daß zwischenzeitlich mehrere Urteile des Bundessozialgerichts ergangen seien, in denen das Gericht das geltende Recht im Sinne der Petentin ausgelegt habe. Das Bundessozialgericht hatte Familienangehörigen sowohl von Asylbewerbern als auch von Bürgerkriegsflüchtlingen Leistungen von Anbeginn der Mitgliedschaft in der jeweiligen Krankenkasse zugesprochen. Angesichts dieser Rechtsprechung hielt das Ministerium nicht mehr an seiner bisherigen Auffassung fest. Es informierte die Spitzenverbände der Krankenkassen entsprechend und forderte sie auf, die Beachtung der Urteile des Bundessozialgerichts durch ihre Mitglieder sicherzustellen.
Dem Anliegen des Petenten war somit in vollem Umfang entsprochen worden.

Quelle: http://www.bundestag.de/ausschuesse/archiv15/a02/jahresberichte/jahresbericht_1997/jahresbericht_1997_2
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