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Barbara Minderjahn
OSZE in der Krise
Finanzen und Menschenrechte
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa (OSZE) ist eine der wichtigsten sicherheitspolitischen
Institutionen Europas. Sie versucht, das Entstehen bewaffneter
Konflikte zu verhindern und dort, wo der Bürgerkrieg schon
ausgebrochen ist, die Auseinandersetzungen zu beenden. Dazu stellt
die von 55 Ländern getragene Organisation unabhängige
Beobachter zu Wahlen und in Krisengebiete ab. Sie vermittelt
zwischen Konfliktparteien, kontrolliert
Abrüstungsverträge, sorgt dafür, dass die
Bevölkerung ihre Waffen abgibt, und entwickelt Maßnahmen
gegen Menschenhandel, Waffenhandel und Drogenschmuggel.
Seit Anfang dieses Jahres kann die Institution ihren Aufgaben
jedoch nur noch mit Schwierigkeiten nachgehen. Russland, eines der
wichtigsten Mitglieder der in Wien ansässigen Organisation,
hat die Zustimmung zum Budgetentwurf verweigert. Der Pressesprecher
der OSZE, Richard Murphy, erklärt die Konsequenzen: "Im
Wesentlichen heißt es, dass wir keine neuen Aktivitäten
durchführen können, die nicht im Budget von 2004
eingeplant sind. Die normale tägliche Arbeit der meisten
Missionen und die bestehenden Aktivitäten gehen weiter. Aber
neue Aktivitäten oder neue Einstellungen von Personal sind
nicht möglich, bis wir ein Budget für 2005 haben." Das
Problem ist schwerwiegender, als es die Offiziellen darstellen
mögen. Sämtliche Missionen arbeiten derzeit auf der Basis
eines so genannten Notbudgets. Im ersten Quartal durfte die OSZE
ein Viertel des Vorjahresbudgets ausgeben. Seit April gibt es ein
Monatsbudget. Das Ausgabenlimit beträgt ein Zwölftel des
Vorjahresbudgets und muss monatlich vom gesamten Gremium
verlängert werden. Die Verantwortlichen können weder
langfristig planen noch auf neue Bedrohungen oder Konflikte
reagieren.
Der Hintergrund der Krise ist ein Streit über die
Ausrichtung und die Prioritätensetzung innerhalb der
Organisation. Die Arbeit der OSZE wird traditionell in drei
Bereiche eingeteilt: Das ist erstens die so genannte
militärische Komponente. Dann gibt es den Bereich
Wirtschaftliche Entwicklung und Umweltschutz. Die dort anfallenden
Maßnahmen sollen helfen, das Entstehen von Konflikten zu
verhindern. Die Mitarbeiter im dritten Bereich beschäftigen
sich mit Menschenrechten und Demokratieentwicklung. In diese
Kategorie fällt auch die Wahlbeobachtung der OSZE.
Pressefreiheit eingeschränkt
Vor allem mit dem dritten Bereich haben die Regierung in Moskau
und einige andere Regierungen von GUS-Staaten ein Problem. Viele
dieser Staaten sind nicht wirklich demokratisch. Folter, Korruption
und die Missachtung von Freiheits- und Menschenrechten sind gang
und gäbe. In Russland ist beispielsweise die Pressefreiheit
stark eingeschränkt.
Die Wahlen in der Ukraine, Georgien und Kirgisien haben Moskau
vor Augen geführt, wie schnell Oppositionspolitiker nicht
zuletzt mit Hilfe der OSZE-Wahlbeobachtung die autoritären,
russlandtreuen Regierung in Zentralasien und anderen GUS-Staaten
stürzen können. Und schon jetzt haben die so genannten
Demokratisierer angekündigt, ihre Bewegung auch auf Russland
auszuweiten. Die russische Regierung fordert daher mehr
Zurückhaltung bei der Wahlbeobachtung und insgesamt weniger
Aktivitäten im Bereich der Menschenrechte. Die Organisation
solle sich in Zukunft mehr um die militärischen und
wirtschaftlichen Fragen kümmern. Der Bereich Menschenrechte,
der vor allem in den letzten Jahren an Bedeutung zugenommen hat,
soll dahinter zurücktreten. Darüber hinaus will Russland
über die Finanzierung der Organisation neu verhandeln. Der
Beitrag, solle sich danach richten, wie viel die Mitgliedsstaaten
zahlen können, und nicht mehr nach dem 1992 in Helsinki
festgelegten Finanzierungsschlüssel. Der Beitrag zur UN
beispielsweise richte sich nach dem von der OECD festgelegten
Länderranking. Wenn die OSZE die Finanzierung auf diesen Modus
umstellen würde, würde sich der Beitrag Russlands
reduzieren. Die anderen Staaten, allen voran die USA, müssten
den Fehlbetrag kompensieren. Doch gerade die USA wollen auf keinen
Fall Einschnitte bei den Menschrechtsaktivitäten der OSZE
akzeptieren.
Seit Monaten wird hinter den Kulissen nach einer möglichen
Lösung der Krise gesucht. Der deutsche OSZE-Botschafter Dieter
Boden: "Ich glaube man soll da keine schematischen Lösungen
suchen. Man muss sich einfach über die Dringlichkeit der
Probleme, wie die Dinge entstehen, einigen, und sie dann angehen.
Das kann mal sehr stark im Bereich der dritten Dimension liegen.
Das muss aber nicht so bleiben. Es können andere
Themenbereiche nach vorne kommen. Wir haben ja eine zweite
Dimension, die wirtschaftliche Maßnahmen umfasst." Deutschland
wäre bereit, bis zu einem gewissen Grad die Prioritäten
zu verschieben. Bei der Finanzierung gibt es Zugeständnisse:
"Wir haben ein Modell erörtert, bei dem Deutschland nach
langem Prüfen bereit gewesen wäre zuzulegen",
erklärt Boden. Die Menschenrechte seien nicht verhandelbar,
unterstreicht die Mitgliedermehrheit.
Jetzt scheinen sich die Positionen aufeinander zu zu bewegen.
Vertreter der USA und Russland haben am 6. April in Moskau
vereinbart, die Probleme gemeinsam zu lösen. Es habe
Gespräche über die Budgetfrage, die OSZE-Wahlbeobachtung
und andere strittige Fragen gegeben, heißt es aus offiziellen
US-Kreisen. Man habe sich darauf geeinigt, "an einem Vorschlag zu
arbeiten, der für alle OSZE-Mitglieder vertretbar ist", sagte
ein US-Vertreter. Diplomaten gehen davon aus, dass Moskau für
dieses Jahr noch dem Budget in geplanter Form zustimmen wird, unter
dem Vorbehalt, dass man sich bis Ende 2005 auf Reformen in allen
Bereichen einigt.
Im Klartext: Ab 2006 gibt es weniger Geld aus Moskau für
Menschenrechte und Demokratisierung. Möglicherweise wird der
Bereich, den die meisten als einen der wichtigsten betrachten, bei
der OSZE eingeschränkt. Ansonsten steht die Organisation in
neun Monaten wieder ohne Budget da. Die Frage, wie sich Europa zu
Menschenrechten und Demokratie stellt, ist nicht gelöst.
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