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Hermann Meyn
Sie lügen alle und unentwegt
Propaganda im Krieg
Politische Bücher können selbst 70 Jahre nach ihrem
Erscheinen noch erhellend sein. Das belegt die in Brüssel
lehrende Historikerin Anne Morelli. Sie stellt die 1928 von ihrem
englischen Kollegen Arthur Ponsonby entdeckten Prinzipien der
Kriegspropaganda vor und weist nach, dass sie bis heute gelten.
Ponsonby (1871 - 1946) ist für die Autorin eine faszinierende
Persönlichkeit. Der aus einer der bedeutendsten Familien
seines Landes stammende Adlige studierte an den
Elite-Universitäten Eton und Oxford. So vorbereitet entschied
er sich für den diplomatischen Dienst.
Das war damals üblich. Ungewöhnlicher fiel aber dann
der nächste Schritt aus. Ponsonby zog es in die Politik. Er
wählte aber nicht, und das hätte bei seiner Herkunft
niemanden überrascht, die Konservativen zu seiner politischen
Heimat, sondern er ging zu den Liberalen.
Mit ihnen brach er, als sie 1914 für den Eintritt ihres
Landes in den Krieg gegen Deutschland stimmten. Der Pazifist blieb
sich auch Jahrzehnte später treu. Inzwischen gehörte er
der Labour Party an, für die er im Unter- und Oberhaus wirkte.
1940 schloss sich die Labour Party den Befürwortern des
Kampfes gegen Hitler-Deutschland an. Für Ponsonby war das
Grund genug, die Partei zu verlassen.
Ein Grundsatz, den Ponsonby entdeckte, lautet: Wir kämpfen
für eine gute Sache und nicht für eigennützige
Ziele. Das behaupteten 1914 fast alle Parteien - Frankreich wie
Russland, England wie Deutschland und die USA. Zur Propaganda
gehört auch die Behauptung, der Feind verwende unerlaubte
Waffen. Damals ging es um Giftgas. Jede Seite erklärte, die
andere habe es verwendet. Von illegalen Waffen war auch im Zweiten
Weltkrieg die Rede, als V 1- und V 2-Raketen eingesetzt wurden und
1945 die erste Atombombe in Japan fiel. Fast 60 Jahre später
hatte sich so gut wie nichts geändert. Am 5. Februar 2003
versicherte US-Außenminister Collin Powell vor dem
UN-Sicherheitsrat, die Iraker verfügten über Raketen mit
chemischen Sprengköpfen. Die Existenz von unerlaubten
Massenvernichtungswaffen sei für Präsident George W.
Bush, so schreibt Anne Morelli, die wichtigste Rechtfertigung
für den Irak-Krieg gewesen. Als der Schwindel im Wahlkampf
2004 aufflog, geriet Bush in arge Bedrängnis.
Falschmeldungen en gros
"Unsere Verluste sind gering, die des Gegners aber enorm", so
verkündeten es die Kriegsgegner von 1914 bis 1918. Anne
Morelli erinnert daran, dass die Nazis im Zweiten Weltkrieg die
starken Verluste an der Ostfront verheimlichten. Obwohl solche
Falschmeldungen im Zeitalter des Satellitenfernsehens schwieriger
geworden sind, verkündete die NATO 1999 zur Rechtfertigung
ihres Bombardements auf Serbien, dass sie unzählige Panzer der
serbischen Armee zerstört habe, was später auf 14
reduziert wurde.
Die Mahnung an die Journalisten, den Propagandisten im Krieg
nicht zu glauben, ist schnell formuliert. Darauf weist Anne Morelli
ausdrücklich hin, und sie beruft sich wiederum auf Ponsonby.
Der berichtete, dass jeder Versuch, Propagandaberichte
anzuzweifeln, als Verrat an der eigenen Sache betrachtet wurde.
Dies mussten sich auch Journalisten sagen lassen, die während
des Krieges gegen Jugoslawien nicht brav die Informationen des
NATO-Sprechers Jamie Shea weitergaben. Dazu Morelli: "Jedes
Hinterfragen der Fakten galt als Beweis für Komplizenschaft
mit dem Feind."
Kriegsberichterstattung - das ist ein schwieriges Geschäft
und immer eine Gratwanderung. Nirgendwo sonst ist Propaganda so
schwer zu durchschauen wie zwischen den Fronten.
Anne Morelli
Die Prinzipien der Kriegspropaganda
zu Klampen Verlag, Springe 2004; 156 S., 14,- Euro
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