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Ursula Homann
Schillers Schreibtisch
Kurz notiert
Länger als ein Jahr stand Schillers Schreibtisch im KZ
Buchenwald. Er war am 14. Mai 1942 zusammen mit Schillers
Sterbebett, dem "Spinett", und anderen Möbeln aus Schillers
Haus in Weimar dorthin transportiert worden. Da die Nazis die gut
besuchte Schiller-Gedenkstätte während des Krieges nicht
schließen wollten, aber den Verlust des Mobiliars durch
Bombentreffer fürchteten, ließen sie zwischen 1942 und
1943 einige Möbel von KZ-Häftlingen nachbauen. Schillers
Original-Schreibtisch wurde anschließend im Nietzsche-Archiv
deponiert.
Der Frage, wie dies alles im einzelnen vor sich gegangen ist,
hat der Schriftsteller Dieter Kühn genau recherchiert und die
Geschichte aus zwei Perspektiven erzählt: Zum einen zeichnet
er Schillers Weg zu einem freien Schriftsteller nach: der Dichter
auf der Flucht, auf der Suche nach einem Schreibtisch und
schließlich seine Arbeit am Schreibtisch. Andererseits
beleuchtet Kühn den Schillerkult des NS-Regimes, wobei er
eindrucksvoll vor Augen führt, welch absonderliche Verbindung
es mit der Weimarer Klassik eingegangen ist und wie der Tisch, an
dem der Dichter der Freiheit seine Werke vollendet hatte, just an
dem Ort kopiert worden ist, wo Menschenwürde nichts mehr
galt.
Nach der Lektüre sieht man Schillers Schreibtisch mit
anderen Augen: nicht länger als Stätte genialer
Inspiration, sondern als ein beunruhigendes Symbol für die
Gefährdung des Schönen, Wahren und Guten. Nach Kriegsende
wurden Original und Kopie wieder ausgetauscht. Aber der Nachbau
existiert noch in einem Depot unweit des ehemaligen
Konzentrationslagers. "Enger, schmerzhafter könnten sich
historische Perspektiven kaum überschneiden", merkt Dieter
Kühn an.
Dieter Kühn
Schillers Schreibtisch in Buchenwald.
S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2005; 250 S., 18,90
Euro
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