Hartmut Hausmann
Forscher werden zur Mangelware
Wissenschaftler aus Drittstaaten sollen bessere
Bedingungen erhalten / Von Hartmut Hausmann
Forschung hat Vorfahrt: In den kommenden Jahren
setzt Europa auf Forschung und Innovation. Nach einem Entwurf der
Kommission soll der Etat für diesen Bereich im Zeitraum von
2007 bis 2013 auf mehr als 70 Milliarden Euro erhöht werden.
Der vielbeschworene "europäische Forschungsraum" soll
attraktiver werden - gerade für Forscher aus dem Ausland.
Sowohl die Einreise als auch der Aufenthalt in der
Europäischen Union soll für Wissenschaftler aus
Drittstaaten in Zukunft erleichtert werden.
Ein entsprechendes, von der EU-Kommission
vorgeschlagenes Maßnahmenpaket aus einer Richtlinie und zwei
Empfehlungen wurde vom Europäischen Parlament in erster Lesung
beraten. Weil hochqualifizierte Forscher fehlen, soll
Wissenschaftlern aus Drittstaaten sowohl bei der
Arbeitsgenehmigungen als auch bei der Einreise von
Familienangehörigen geholfen werden. Eine Vereinfachung ist
auch bei der Erteilung von Visa für einen kurzfristigen
Aufenthalt vorgesehen. Forschern soll so eine Teilnahme an
wissenschaftlichen Tagungen oder Konferenzen in Europa ohne
bürokratische Hindernisse ermöglicht werden.
Die Kommission sieht vor, dass die
Bedingungen für die Zulassung eines Forschers aus einem
Drittstaat durch die Vereinbarung mit einer Forschungseinrichtung
geregelt werden sollen. Das Parlament hält hingegen eine
breiter angelegte Lösung für angemessen. Dabei sollen die
Bedingungen gleichzeitig für mehrere Forschungsstellen
geregelt werden. Die EU soll auf diese Weise als ein gemeinsamer
Forschungsraum wahrgenommen werden.
Während die Kommission für die
Gastforscher eine unbefristete Zulassung vorschlägt, halten
die Abgeordneten eine Überprüfung von jeweils fünf
Jahren für sinnvoll. Nach dem Willen des Parlaments soll eine
Forschungseinrichtung sogar für die aus öffentlichen
Mitteln aufgebrachten Aufenthalts- und möglicherweise
Rückführungskosten haftbar gemacht werden können,
falls ein Forscher unberechtigt länger in Europa
bleibt.
Da die Mobilitätsbereitschaft von
Forschern oft auch von der familiären Situation abhängt,
möchte das Parlament die Einreise von Familienangehörigen
erleichtern. Das Aufenthaltsrecht von Angehörigen soll daher
genauso lange gültig bleiben wie das des Forschers selbst.
Zusätzlich soll die Bewegungsfreiheit ausländischer
Forscher zwischen den EU-Staaten erleichtert werden.
In Europa fehlen bald
Wissenschaftler
Nach Analysen von EU und OECD ist Europa ohne
den Zuzug von wissenschaftlichen Fachkräften aus
Drittländern besonders im Forschungsbereich nicht in der Lage,
seine wirtschaftliche Zukunft sichern. Allein in Deutschland ist
jede fünfte Ingenieursstelle nicht mehr mit Inländern zu
besetzen. Damit ist die Union von ihrem in Barcelona 2002
gesteckten Ziel, drei Prozent des Bruttosozialprodukts für
Forschung und technologische Entwicklung aufzuwenden, weit
entfernt. Auch die beim Frühjahrsgipfel der EU in Brüssel
neu belebte Strategie von Lissabon zur Verbesserung der
Wettbewerbsfähigkeit Europas hat sich die Forschung auf ihre
Fahnen geschrieben. Nach Schätzungen muss die EU 700.000
Forscher rekrutieren, wenn sie ihre Vorhaben wie geplant bis 2010
verwirklichen will.
Das neue, siebte Forschungsrahmenprogramm mit
einer Laufzeit von 2007 bis 2013 soll ein Finanzvolumen von 73,3
Milliarden Euro erhalten. Der Schwerpunkt der Förderung liegt
mit 21 Milliarden Euro im Bereich Kommunikationstechniken und
Gesundheitsforschung. Mit der Erhöhung des Forschungsetats
hofft die EU auch eigene Forscher von der immer noch erheblichen
Abwanderung nach Übersee, vor allem in die Vereinigten
Staaten, abhalten zu können und so Europa auch für
Forscher aus diesen Ländern attraktiver zu machen.
Die Beratung dieses Forschungsrahmenprogramms
wird zugleich zu einer Frage der Glaubwürdigkeit: sie wird ein
Prüfstein dafür, wie ernst die Mitgliedstaaten ihre
jüngsten Gipfelbeschlüsse nehmen. Vor allem jene
Länder, die einerseits die Haushaltsmittel der EU senken
wollen, Einsparungen bei den Agrarsubventionen und
Strukturfondshilfen aber nicht hinnehmen möchten. Auch sie
werden zeigen müssen, dass ihre Bemühungen für einen
europäischen Forschungsraum mehr als nur Lippenbekenntnisse
sind.
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