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Gerlind Schaidt
Erstmals Lagerwahlkampf in NRW
Landtagsparteien vor der Wahl am 22.
Mai
Allmählich nimmt der Landtagswahlkampf in
NRW Konturen an. Die Straßenränder in den Städten
und Gemeinden werden zunehmend mit Kandidatenportraits gepflastert.
Letzte Woche haben sich die vier im Parlament vertretenen Parteien
- nicht sonderlich überraschend - nach rot-grün und
schwarz-gelb sortiert und dann doch verblüffend - demonstrativ
und erstmalig in NRW einen Lagerwahlkampf ausgerufen. Es folgten
dann im bevölkerungsreichen Ruhrgebiet die offiziellen
Wahlkampf-Auftaktveranstaltungen.
Auf Großplakaten vor dem
Düsseldorfer Landtag beharken sich die Parteien schon seit
längerem. Da verspotten die Grünen den auf
Knirpsgröße geschrumpften CDU-Partei- und Fraktionschef
Jürgen Rüttgers in kurzen Hosen mit dem braven Satz: "Ich
trau mir das zu, Frau Merkel". Die SPD lässt Angela Merkel und
Jürgen Rüttgers gemeinsam breit strahlen zu dem Spruch
"Tschüß Kündigungsschutz". Die Union wiederum
rechnet den Genossen vor, dass in allen CDU-regierten
Bundesländern die Arbeitslosigkeit weit geringer ist als in
NRW Und schließlich lässt die FDP die "Titanic" in den
Untergang steuern, während ein Schriftband fragt: "SPD: Klarer
Kurs?" Ansonsten ist die Stimmung im Land freundlich bis abwartend
verhalten. Von der erwarteten harten Auseinandersetzung ist bislang
kaum etwas zu spüren. Der SPD-Fraktionschef im
Düsseldorfer Landtag Edgar Moron meint: "Für die meisten
Bürger ist die Wahl noch weit weg." Dagegen hat der
Parlamentarische Geschäftsführer der CDU Helmut Stahl den
Eindruck gewonnen: "Die Menschen sind sehr
interessiert."
Gut fünf Wochen vor der Wahl am 22. Mai
diagnostisieren die Meinungsinstitute eine Wechselstimmung. Danach
befindet sich die SPD im Abwärtstrend. Sie kommt nur noch auf
34 Prozent. Das ist ein Minus von einem Prozent gegenüber dem
Vormonat. Die CDU macht einen Satz nach vorn. Sie hat einen
Zugewinn von drei und liegt jetzt bei 45 Prozent. Die Grünen
sind wieder einstellig. Sie bekommen nur noch neun Prozent. Die FDP
liegt konstant bei sieben Prozent. Zählt man die Ergebnisse
beider Lager zusammen, dann steht es bei Rot-Grün gegen
Schwarz-Gelb: 43 zu 52. Die Spitzenkandidaten sind im Vergleich zum
Vormonat enger zusammengerückt. SPD-Ministerpräsident
Peer Steinbrück kommt lediglich auf 37, sein Herausforderer
Rüttgers auch nur auf 32 Prozent. 56 Prozent der Befragten
erklären, die SPD an Rhein und Ruhr sei nach 39 Jahren als
Regierungspartei "verbraucht". Auch in der Frage der Kompetenz zur
Lösung der Probleme auf dem Arbeitsmarkt, bei Schulen und
innerer Sicherheit liegt die CDU vorn. Allerdings trauen die
Wähler beiden Parteien nicht zu, die Probleme in den Griff zu
bekommen. Bei dieser Ausgangslage werden die Fernsehduelle zwischen
den Spitzenkandidaten mit Spannung erwartet.
In dem mit 18 Millionen Menschen
bevölkerungsreichsten Bundesland sind zehn Millionen
Wählerinnen und Wähler am 22. Mai zur Wahl aufgerufen.
Allein diese beeindruckend hohe Zahl stilisiert die
NRW-Landtagswahl zu einer kleinen Bundestagswahl. Eine Abwahl der
letzten rot-grünen Landeskoalition hätte in jedem Fall
Folgen für den Bund. Nach einer solchen Niederlage wäre
das Weiterregieren für die rot-grüne Bundesregierung
schwierig. Sollte andererseits der CDU der Sieg wiederum
misslingen, wären auch für sie die Auswirkungen fatal.
Für Rüttgers wäre die Spitzenposition in NRW wohl
verloren und auch die Kanzleranwartschaft von Parteichefin Merkel
könnte gefährdet sein. Allein diese zu erwartenden
Nachwirkungen machen deutlich, dass die Parteien den Wahlkampf
unter Aufbietung aller ihrer Kräfte führen werden. Das
zeigt schon der Personaleinsatz. Bundeskanzler Gerhard
Schröder wird neunmal nach NRW kommen. Die Parteichefs von SPD
und CDU, Müntefering und Merkel, haben je 30 Auftritte
zugesagt. Der grüne Außenminister Fischer besucht
zwölf Veranstaltungen. Der FDP-Parteivorsitzende Westerwelle
soll an die 50 Termine an Rhein und Weser
bewältigen.
Mobilisierung der Wähler
Trotz absackender Umfragewerte, anhaltend
hoher Arbeitslosigkeit und tief sitzendem "Kiel-Schock" gibt sich
die SPD zuversichtlich. Sie glaubt ihren derzeitigen Rückstand
mit einer beispielslosen Mobilisierungskampagne aufholen zu
können. Die SPD habe erst 60 Prozent ihrer potenziellen
Wähler mobilisiert, während die Union bereits ihr Pulver
bei der Mobilisierungskampagne verschossen habe, rechnet
NRW-SPD-Generalsekretär Michael Groschek vor: "CDU und FDP
können nicht aus eigener Kraft die Regierung bilden. Sie
brauchen die "Sofa-Partei" als dritten Partner." Unter dem Begriff
"Sofa-Partei" fasst Groschek enttäuschte SPD-Wähler in
den eigenen Hochburgen zusammen, die nicht wählen gehen
wollen. Im Vergleich zur Kommunalwahl 2004 müsse die SPD
800.000 Stimmen hinzugewinnen, um auch weiter hin politisch
stärkste Kraft zu bleiben. Um dieses Ziel zu erreichen
startet, die SPD einen "aufsuchenden Wahlkampf".
SPD-Wahlkämpfer würden an Wohnungstüren klingeln und
Besuche am Arbeitsplatz machen. Dazu wurde für jeden
Wahlkreiskandidaten ein "Mobilisierungskompass" erstellt, der genau
auflistet, wo Wähler wohnen, die man möglicherweise
wieder für die SPD gewinnen kann.
Neu ist, dass die SPD noch am Wahlsonntag
Wahlkampf machen will. "Wir werden bei Veranstaltungen und auf
Fußballplätzen um die letzten Stimmen kämpfen", sagt
Groschek. Thematisch will sich die SPD als die Kraft darstellen,
die die soziale Gerechtigkeit auch in wirtschaftlich schwierigen
Zeiten absichert. Neben Arbeit und Bildung soll deshalb der
gesellschaftlich Zusammenhalt in den Vordergrund rücken.
Personell setzt die SPD ganz auf Ministerpräsident
Steinbrück. "Er ist das Trumpf-As der SPD", sagt Groschek und
zielt damit auf die guten Kompetenzwerte des Regierungschefs.
Steinbrück stehe für einen klaren Kurs und für
Beharrlichkeit. Allerdings muss er gerade in diesen Tagen zur
Kenntnis nehmen, dass seine simple Parole "Er oder ich" allein
nicht mehr trägt. Unter dem Druck ihrer schlechten
Umfrageergebnisse haben die Genossen auf ihrer Dortmunder
Wahlkampfauftaktveranstaltung am 9. April bereits eine
schärfere Gangart eingelegt und den politischen Gegner massiv
angegriffen. Für neue Verunsicherung sorgte Steinbrück
allerdings mit seiner Distanzierung vom gerade erst beschlossenen
Lagerwahlkampf.
Wie im Bund so scheinen die Grünen auch
in NRW vom Abwärtstrend der SPD bislang weitgehend
unberührt. Weder fünf Millionen Arbeitslose bundesweit,
davon eine Million allein in NRW, noch das Gezerre um das
Antidiskriminierungsgesetz oder die Visaaffäre scheinen den
Grünen etwas anhaben zu können. Weitgehend unbeirrt
halten sie an Joseph Fischer als ihrer Galionsfigur fest. Und
selbstbewusst ist ihr Slogan: "Bündnis90/die Grünen,
alles andere ist zweite Wahl." Mit Verve sind sie in den von der
SPD angebotenen Lagerwahlkampf eingestiegen. Bei der Wahl gehe es
um "sozialen Frieden statt sozialem Kahlschlag" kündigt
NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn knallhart an. Auch der
grüne Bauminister Michael Vesper ist für einen
zugespitzten Wahlkampf damit die politischen Unterschiede erkennbar
werden: "Rüttgers läuft vor konkreten landespolitischen
Argumenten weg. Wir werden ihn stellen." Da die Wähler in NRW
aber nur eine Stimme abgeben können, wollen beide Parteien
jeweils für sich die Maximalzahl an Wählern für sich
gewinnen. Themenschwerpunkte sind Arbeit, Umwelt und Bildung.
Bärbel Höhn: "Wir wollen antworten auf die hohe
Arbeitslosigkeit geben, zum Beispiel indem wir den Mittelstand
stärken. Wir werden aber auch deutlich machen, dass
Umweltpolitik Arbeitsplätze schafft. In den Bildungspolitik
stehen die grünen für eine Stärkung der
Selbständigkeit der Schulen Gleichzeitig soll die
Durchlässigkeit zwischen Schulsystemen verbessert werden. Wir
wollen nicht, dass für Kinder schon nach dem vierten Schuljahr
entschieden ist, wie ihr Leben später aussehen
wird."
Drei-Phasen-Wahlkampf der CDU
Nachdem sich Rot-Grün auf einen
Lagerwahlkampf festgelegt hat, blieb den bürgerlichen Parteien
gar nichts weiter übrig, als sich ebenfalls deutlich zu
positionieren. CDU-Landeschef Rüttgers und der
FDP-Spitzenkandidat Ingo Wolf streben eine "Koalition der Mitte"
an. Die Zusammenarbeit ist für beide Seiten noch
gewöhnungsbedürftig. Immerhin besuchten Rüttgers und
Wolf aber schon mal gemeinsam ein Fußballspiel in Köln.
Mit dem Slogan "39 Jahre SPD. Genug ist genug" setzt die Union ganz
auf Wechselstimmung beim Wahlvolk. "Die Bürgerinnen und
Bürger unseres Landes wollen den Neuanfang", ermunterte
Rüttgers seine Anhänger bei der CDU-Auftaktveranstaltung
am 9. April in der Arena Oberhausen. Nachdem die Union in
Nordrhein-Westfalen seit 1966 in sieben aufeinander folgenden
Wahlkämpfen verloren hat, wollen die Christdemokraten jetzt
den Sieg. Wie die SPD will auch sie Straßenwahlkampf "von Haus
zu Haus" machen. In der glänzend inszenierten
Auftaktveranstaltung bei der Parteichefin Angela Merkel und die
Unions-Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, Christian Wulff,
Roland Koch und Peter Müller dem NRW-Spitzenkandidaten
Rückenstärkung gaben, hämmerte Rüttgers den gut
9.000 Parteifreunden ein: "Wir können es besser." Gleichzeitig
mahnte er: "Was auf uns zukommt, das wird schwierig. Das wird Opfer
kosten. Aber wir schaffen das."
"Wir wollen eine neue politische Kultur, die
mehr Freiheit an Stelle staatlicher Regelungen erlaubt", heißt
es in dem Wahlprogramm der Union. In einer ersten Wahlkampfphase
prangert die Union die Missstände durch Rot-Grün in NRW
an. Dabei listet sie in einer Negativbilanz unter anderem auf: Eine
Million Arbeitslose, mehr als 105 Milliarden Euro Schulden,
fünf Millionen ausgefallene Unterrichtsstunden pro Jahr. In
einer zweiten Phase wird dann die eigene Kompetenz
herausgestrichen. Erst in der letzten Phase etwa zwei Wochen vor
dem Wahltag wird dann mit der Person Rüttgers auf
Großplakaten geworben.
SSo wortreich die Parteien ihre Kampagnen
ankündigen, so zurückhaltend werden sie bei der Frage
nach den Wahlkampfkosten. Die Union ist beziffert ihre
"Angriffskampagne" mit 2,2 Millionen Euro. Die SPD spricht von
einem einstelligen Millionenbetrag. Die FDP gibt weniger als eine
Million Euro an, hofft aber mit Hilfe von Spenden auf über
eine Million zu kommen. Und die Grünen wollen mit 850.000 Euro
den Wahlkampf insgesamt bestreiten.
Am Wahltag werden im Düsseldorfer
Landtag rund 500 Journalisten und 20 bis 25 Fernsehteams erwartet.
Erstmals in der Geschichte wird der Plenarsaal für die
schreibende Presse und die Agenturen zur Verfügung gestellt.
Fernseh- und Rundfunkanstalten werden in der Wandelhalle
untergebracht. In der Bürgerhalle im Erdgeschoss wird ein
zentraler Statementplatz eingerichtet. Die Pressesprecherin des
Landtags Stephanie Hajdamowicz sieht dem Wahlsonntag
fröhlich-gelassen entgegen: "Unsere Planungen laufen seit Ende
letzten Jahres. Wir sind super vorbereitet."
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